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Neuroradiologische Abteilung im Universitätsklinikum Erlangen

Tickende Zeitbomben im Gehirn

Als tickende Zeitbomben beschreibt Prof. Dr. Arnd Dörfler Gefäßaussackungen im Gehirn, so genannte Aneurysmen. Sie bilden sich aufgrund einer Bindegewebsschwäche bei mehr als fünf Prozent der Erwachsenen. „Aneurysmen sind besonders tückisch, weil die Betroffenen keine Symptome haben müssen“, weiß Prof. Dörfler, der seit Anfang des Jahres die Abteilung für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Erlangen leitet. Sie werden entweder zufällig entdeckt - wie bei Andrea V. (Name geändert) - oder wenn die „Zeitbombe“ schon geplatzt ist. Reißt die durch die Ausweitung dünner gewordene Gefäßwand, kommt es zu lebensbedrohlichen Hirnblutungen. Am Erlanger Uniklinikum lassen sich Aneurysmen mit der modernen Coiling-Therapie schonend und sicher behandeln.

Bei Andrea V. entdeckte ihr HNO-Arzt bei einer CT-Untersuchung nach einem Hörsturz die herzförmige Gefäßaussackung im Gehirn. „Das war für mich ein Schock“, erzählt die 50-Jährige. In den folgenden Wochen traute sich Andrea V. kaum noch, sich körperlich zu belasten, und hatte panische Angst, sich den Kopf anzustoßen. „Ein Mädchen aus der Nachbarschaft und meine Nichte sind an einem geplatzten Aneurysma gestorben.“

Der HNO-Arzt überwies sie in die Neuroradiologische Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen, die mit Prof. Dr. Arnd Dörfler seit Anfang des Jahres einen Spezialisten für die Behandlung von Aneurysmen hat. „Zuerst dachte ich, der Arzt müsste meine Schädeldecke öffnen, um die Gefäßaussackung mit einer Hirnoperation vom Blutkreislauf abzuclippen“, berichtet die Patientin. Prof. Dörfler habe ihr dann aber eine Coiling-Therapie vorgeschlagen. Dabei wird über einen Mikrokatheter ein haarfeiner Draht, ein so genannter Coil, bis ins Gehirn geschoben. Im Aneurysma rollt sich dann der weiche Mikrodraht auf und verschließt so die Gefäßaussackung sicher.

Die OP fand im Frühjahr 2005 im Uni-Klinikum Erlangen statt. Nach zweieinhalb Stunden war der Eingriff vorbei und das Aneurysma komplett verschlossen. Vier Tage später konnte Andrea V. wieder nach Hause. „Nun kann ich wieder alles machen, außer Tiefseetauchen und Fallschirmspringen“, sagte die Patientin jetzt bei einer Nachuntersuchung. „Ich bin heute wieder ein glücklicher Mensch.“

„Das Risiko an einem geplatzten Aneurysma zu sterben, ist sehr hoch“, sagt Prof. Dörfler. Etwa ein Drittel der Betroffenen stirbt an einer geplatzten Gefäßaussackung. Ein weiteres Drittel überlebt mit teilweise erheblichen Behinderungen. Nur das verbliebene Drittel übersteht das Ereignis unbeeinträchtigt. „Darum ist eine gründliche Untersuchung der Hirngefäße, zum Beispiel mit der Magnetresonanztomographie oder Computertomographie, für alle Risiko-Patienten sinnvoll“, empfiehlt Prof. Dörfler. Dazu zählen vor allem Patienten mit einer polizyklischen Nierenerkrankung oder besonderen Formen von Bindegewebsschwächen oder Personen, in deren Familien es mindestens einen Aneurysmaträger gab. Auch Patienten mit starkem Bluthochdruck oder starke Raucher haben ein erhöhtes Risiko für ein Hirnaneurysma.

Wird dann ein Aneurysma im Gehirn gefunden, gibt es je nach Lage und Größe verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Ziel jeder Behandlung ist es, das Aneurysma zu verschließen. Die traditionelle Methode: Neurochirurgen öffnen den Schädel, arbeiten sich mit Instrumenten an das Aneurysma heran und unterbrechen durch eine Gefäßklemme dessen Verbindung zur Blutzirkulation. Das Verfahren ist effektiv, birgt aber durch die Operation am offenen Schädel Risiken. In der Erlanger Neuroradiologie, die eng mit Institut für Diagnostische Radiologie (Direktor: Prof. Dr. Werner Bautz) zusammenarbeitet, steht eine zweite, schonendere Behandlung zur Verfügung: das sogenannte „Coiling“. Dabei führen Neuroradiologen einen Mikrokatheter unter Durchleuchtungskontrolle über die Leiste durch die Bauch- und Brustschlagader bis in das Gehirn. Durch den Katheter werden dann haarfeine Platinspiralen in das Hirnaneurysma geschoben. Hier rollen sich die weichen Spiralen auf, bis die Aussackung vollständig ausgefüllt und so vom Blutstrom ausgeschaltet ist. „Die Behandlung dauert in der Regel nur ein bis zwei Stunden“, erläutert Dörfler, der diese Methode im Uniklinikum Essen an mehr als 400 Patienten erfolgreich angewendet hat.

In einer weltweiten Studie wurde die Wirksamkeit des Coilings mit der offenen Gehirnoperation verglichen. Die Resultate der schonenden Kathetermethode zeigten dabei so eindeutige Vorteile, dass die Studie vorzeitig beendet wurde (Lancet 2002;360:1267-1274). „Vor diesem Hintergrund ist in vielen deutschen Krankenhäusern ein Umdenken erforderlich“, sagte Dörfler. Außerdem sprächen neben hervorragenden Studienergebnissen auch ökonomische Fakten für das Coiling: „Weil gecoilte Patienten kürzere Liegezeiten haben, werden die zunächst höheren Materialkosten durch Einsparungen im Intensiv- und Nach-sorgebereich mehr als ausgeglichen“, so der Coilingspezialist.

Weitere Infos für Patienten unter Tel.: 09131/85-34326 oder www.neuroradiologie.med.uni-erlangen.de.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Arnd Dörfler
Tel.: 09131 / 85-34326
a.doerfler@nrad.imed.uni-erlangen.de

 

Mediendienst FAU-Aktuell Nr. 4332 vom 29.09.2005


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- zuletzt aktualisiert am 12.11.2007

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