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Neuausrichtung
im Chemie- und Bioingenieurwesen in vollem Gang
Vom Molekül zum Produkt, vom Chemiker zum Ingenieur
„Innovationen finden heute nicht mehr so sehr im eigenen Fachgebiet
statt, sondern dort, wo zwei oder mehrere zusammenstoßen.“
Prof. Dr. Wolfgang Arlt, seit April 2004 Inhaber des Lehrstuhls
für Thermische Verfahrenstechnik der Universität Erlangen-Nürnberg,
ist überzeugt, dass das Institut für Chemie- und Bioingenieurwesen
(CBI) in Erlangen auf dem richtigen Weg ist. Der Generationenwechsel
im Lehrkörper hat die Neuausrichtung des Instituts beschleunigt:
von den insgesamt acht Lehrstühlen wurden drei allein in den
Jahren 2003/2004 neu besetzt; die Nachbesetzung zweier weiterer
Lehrstühle steht an, um den Wandel abzuschließen. Stammtischparolen,
die das Personal im öffentlichen Dienst im Dauerschlaf sehen,
gehen in Prof. Arlts Augen völlig an der Realität der
deutschen Hochschulen vorbei. Das CBI jedenfalls ist ganz im Gegenteil
darauf vorbereitet, die Herausforderungen der kommenden zwanzig
Jahre anzunehmen.
Als im Jahr
1968, basierend auf Überlegungen von Prof. Dr. Fridolin Hofmann,
der Studiengang Chemieingenieurwesen (CIW) an der Technischen Fakultät
in Erlangen begründet wurde, war das die Antwort auf Forderungen
der damaligen Zeit: die auf Erdöl basierende Chemie baute Raffinerien,
große Chemieanlagen zum Beispiel für die Produktion von
Kunststoffen mussten errichtet werden, und das alles sicher und
energiegünstig, denn Energie war in Deutschland nie preiswert.
Mittlerweile hat sich das Umfeld gewandelt, und die Universität
Erlangen-Nürnberg ist erneut auf Ballhöhe. Aus einem chemielastigen
Institut CIW wurde 2001 das Chemie- und Bioingenieurwesen (CBI)
mit deutlichem Bezug zur Ingenieurtechnik.
Als Ausbildungsstätte
für Ingenieure in Nordbayern achtet die Technische Fakultät
darauf, stets den Anschluss an aktuelle Entwicklungen zu halten.
Markant für Studierende ist der kontinuierliche Aufstieg einer
regionalen Universität zu einer internationalen Universität
mit hohem Niveau. Wer einen anspruchsvollen Zulassungstest besteht,
kann im CBI ein Masterprogramm absolvieren, das weitgehend in englischer
Sprache gelehrt wird. Ein Bachelor-Programm und ein PhD-Programm
(eine Promotion mit weiteren Lehrinhalten) sind in Vorbereitung.
Ein Elite-Studiengang "Advanced Materials and Processes"
ist als Kooperation mit den Universitäten Bayreuth und Würzburg
sowie der Neue Materialien Fürth GmbH bei der Staatsregierung
beantragt, genauso wie ein internationales Doktorandenkolleg "Vom
Moleküldesign zur Prozessinnovation".
Nanoteilchen,
Arzneistoffträger und „Grüne Lösungsmittel“
Ein zentraler Punkt in Forschung und Lehre ist die Biotechnologie,
die Stoffumsetzung mit biologischen Methoden betreibt. Diese Umsetzungen
finden oft auf der Oberfläche von Partikeln statt, so dass
ein entsprechend ausgerichteter Lehrstuhl notwendig ist. Kleinste
Partikel sind aber nicht nur die Träger chemischer Reaktionen,
sie finden auch Verwendung in Produkten für den täglichen
Gebrauch, zum Beispiel in der Pharmazie und für besondere Effekte
in Lacken.
Stoffumsetzungen führen stets zu Produktmischungen, die getrennt
werden müssen, und reine biologische Produkte sind am besten
durch Flüssig-Chromatographie zu gewinnen. Auch diese Kompetenz
ist in den Grundlagen und in der Anwendung im CBI vorhanden. Erhebliche
Aktivitäten sind im Umweltschutz zu finden, sei es, dass Erdgas
und andere Brennstoffe sauberer und günstiger verbrannt werden,
Rauchgas vom klimaschädlichen Kohlendioxid befreit oder verseuchter
Boden gereinigt wird.
Für den
medizinischen Bereich, ein Markenzeichen der Universität Erlangen-Nürnberg,
entstehen im CBI Träger für Arzneistoffe, die Pharmazeutika
mit bisher unbekannter Geschwindigkeit aus Tabletten freisetzen.
Antivirale Stoffe werden an anderer Stelle aus Mikroalgen produziert.
Erkenntnisse der technischen Strömungslehre werden auf die
mathematische Modellierung des Blutkreislaufes des Menschen angewendet,
Grundlagen für Beatmungsgeräte und Infusionen werden entwickelt.
Auch hier funktioniert die Bündelung von Wissen: Lehrstühle
für pharmazeutische Technik, Pharmazie und Medizin, welche
die anwendungsbezogene Forschung fortführen können, sind
in Erlangen vorhanden.
Als neue, derzeit
hoch-wettbewerblich beforschte chemische Substanzklasse werden ionische
Flüssigkeiten untersucht. Dabei handelt es sich um Salze, die
oft schon bei Raumtemperatur flüssig sind, woraus sich neue
Möglichkeiten in der Chemie und Verfahrenstechnik ergeben.
Eine nationale Forschergruppe "Green Solvents" wurde unter
Federführung der Uni Erlangen gegründet.
FrancTech: International
und bodenständig
Alle Aktivitäten des CBI können unter dem Motto "Vom
Molekül zum technischen Prozess oder zum Produkt" als
Wertschöpfungskette zusammengefasst werden. Dies zeigt sich
beispielsweise an einer Reihe von Firmenausgründungen. Die
Professoren des CBI wollen das Prinzip von Wertschöpfungsketten
weiterführen und haben daher FrancTech gegründet, eine
Forschungsorganisation, die Wissen generiert, bündelt und vermarktet.
Diese Organisation soll der Partner zur Lösung von größeren
komplexen Problemstellungen für die Industrie und nationale
Forschungseinrichtungen durch Bündelung der Expertise an nordbayrischen
Universitäten sein. Sie verbindet die heimischen Vorzüge
mit einer internationalen Ausrichtung. FrancTech wird sich quer
zu den Erlanger Fakultäten ausbreiten und andere fränkische
Universitäten einbinden.
Perspektiven:
Elite-Status braucht Zeit
Der bayrischen Staatsregierung traut Prof. Arlt zu, dass sie trotz
aller finanziellen Probleme die Universitäten in Bayern weiterhin
in die Lage versetzen wird, international in der ersten Reihe mitzuspielen,
was nicht für alle Bundesländer gelte: „Dies wird
dazu führen, dass die besten Köpfe nach Bayern kommen
werden.“ Was die geplanten Elite-Universitäten angeht,
befürchtet er, dass die versprochenen Bundesgelder in der Forschung
eingespart werden. „Eine Elite-Universität wird nicht
gefunden, sie entwickelt sich, nicht in vier, sondern in vielen
Jahren“, meint der Wissenschaftler und nennt als Beispiel
in kleinem Maßstab das Institut für Chemie- und Bioingenieurwesen
in Erlangen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Wolfgang
Arlt
Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik
Tel.: 09131/85-27440
wolfgang.arlt@cbi.uni-erlangen.de
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