Präsentation
von Band 1 des Sprachatlas von Mittelfranken
Mundart vor dem Vergessen bewahrt
Die Veröffentlichung des Sprachatlas von Mittelfranken hat
begonnen. Der erste Band liegt vor und wird am Mittwoch, 10. Dezember
2003, 18 Uhr, im Wassersaal der Orangerie des Erlanger Schlosses
vor geladenen Gästen vorgestellt. Damit werden die Ergebnisse
eines sprachwissenschaftlichen Projekts öffentlich zugänglich,
das am Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft der
Universität Erlangen-Nürnberg seit 1989 bearbeitet wird.
Im ersten Band
werden Ansatz, Methodik und Ablauf des Projekts vorgestellt. Er
enthält unter anderem Informationen über die Erhebungsorte,
den Fragenkatalog und die Gewährspersonen. Im Verlauf der nächsten
zwei Jahre werden weitere fünf Bände erscheinen. Band
2 und 3 beschreiben, wie Wörter ausgesprochen werden (z.B.
„Kua“, „Kou“ und „Kuu“ für
die „Kuh“), Band 4 befasst sich mit der Grammatik der
Dialekte (heißt es nun „die Butter“ oder „der
Butter“), in Band 5 findet man verschiedene Ausdrücke
(z.B. „Potacken“, „Erdbirnen“ oder „Erdäpfel“
für die „Kartoffeln“) und in Band 6 geht es um
die Besonderheiten der Mundart in und um Nürnberg.
Der Sprachatlas
von Mittelfranken ist Teil eines landesweiten Gemeinschaftsprojekts
von fünf bayerischen Universitäten. In Augsburg, Würzburg,
Bayreuth und Passau entstehen vergleichbare Kartenwerke, die die
Dialekte der übrigen Regierungsbezirke des Freistaats behandeln.
Ein gesamtbayerischer Überblicksband faßt die wichtigsten
Ergebnisse der Teilatlanten anschaulich zusammen.
Vorrangiges
Ziel der Arbeit am Sprachatlas ist die Dokumentation der ursprünglichsten
Form der Mundarten. In 167 mittelfränkischen Orten wurde ein
stets gleicher Katalog von 2.808 Fragen erhoben. Die Erhebungen
in den Jahren 1989 bis 1997 fanden in den Wohnstuben älterer
Personen auf dem Lande statt, die in ihrer Jugend noch die Arbeitsweisen
der traditionellen Landwirtschaft kennengelernt hatten. Die Fachsprache
der Landwirtschaft hat Sprachmerkmale und Wortschatz bewahrt, die
in der regionalen Umgangssprache - insbesondere in den städtischen
Ballungsräumen- schon seit langem ausgestorben sind. Um die
rasante Veränderung der Sprache in Nürnberg zu erfassen,
wurden Personen aller Alters- und Berufsgruppen in der Stadt und
der näheren Umgebung befragt.
Jeder der Bände
2 bis 5 enthält 100 bis 160 Karten, auf denen die Verbreitung
von Wörtern und Ausspracheformen durch farbige Symbole dargestellt
ist. Band 6 bildet ausschließlich den Ballungsraum Nürnberg
ab, die 144 Symbole jeder Karte stehen für ebenso viele Befragungen.
Auf den Erhebungen
des Sprachatlas von Mittelfranken beruhen außerdem das „Wörterbuch
von Mittelfranken“, das bereits in der zweiten Auflage erschienen
ist, das „Westjiddische Wörterbuch auf der Basis dialektologischer
Erhebungen in Mittelfranken“ und eine Sammlung fränkischer
Sprichwörter und Redensarten, welche im nächsten Jahr
erscheinen wird.
Mittelfränkisches
Dialektinstitut geplant
Das Datenmaterial des Sprachatlas enthält eine große
Zahl von Tonaufnahmen, die bei den Erhebungen mitgeschnitten wurden.
Es ist dringend notwendig, diese wertvollen Dokumente möglichst
bald durch Digitalisierung zu sichern. Außerdem bergen die
Originalmitschriften der Befragungen noch weiteres Material, wie
z.B. zur Fachsprache des Hopfenanbaus.
Das Projekt
Sprachatlas von Mittelfranken steht also kurz vor seinem Abschluß,
soll aber Basis für weitere Arbeit an dialektologischen Projekten
sein. Das Material und das Knowhow hierfür sind vorhanden.
Um beides zu nutzen, wird die Gründung eines Dialektinstituts
für Mittelfranken angestrebt, das als dauerhafte Einrichtung
für Beratung und Auskünfte zur Verfügung steht und
mit dem schon bestehenden Interdisziplinären Zentrum für
Dialektforschung (IZD) an der Universität Erlangen-Nürnberg
zusammenarbeitet. Zur Zeit fehlen dafür leider die Mittel.
Weitere Informationen
Dr. Sibylle
Reichel
Sprachatlas von Mittelfranken
Tel.: 09131/85 -24676
sereiche@phil.uni-erlangen.de |