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erstarren in der schwerelosigkeit
 

Erlanger Kristalllabor bei Weltraummission dabei
Erstarren in der Schwerelosigkeit

Am 2. Dezember 2004 hob eine unbemannte Höhenforschungsrakete zur Mission TEXUS-41 vom Startplatz Esrange in Nordschweden ab. Während des ballistischen Fluges, bei dem eine Gipfelhöhe von ca. 250 km erreicht wurde, herrschte für etwa sechs Minuten annähernd Schwerelosigkeit. Dann kehrte die Rakete an einem Fallschirm wieder sicher auf die Erde zurück. Mit an Bord der Rakete war bei dieser Mission ein materialwissenschaftliches Experiment, das im Vorfeld durch Computersimulation am Erlanger Kristalllabor vorbereitet wurde, einem Zusammenschluss der Abteilung Kristallzüchtung des Fraunhofer IISB und der Abteilung Kristallzüchtung am Lehrstuhl Werkstoffe der Elektrotechnik des Instituts für Werkstoffwissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg.

Das Erstarren von Schmelzen ist das Grundprinzip von industriellen Gießverfahren und von Produktionsverfahren zur Herstellung von Halbleiter- und optischen Kristallen. Der Prozess der Erstarrung liefert den Ausgang für die Bildung des inneren Werkstoffaufbaus. Dieser legt die Werkstoffeigenschaften fest.

Auf der Erde werden Erstarrungsprozesse immer durch schwer kontrollierbare, natürliche Strömungen in der Schmelze beeinflusst. Aufgrund der fehlenden Schwerkraft herrschen im Weltraum dagegen sehr viel definiertere Bedingungen. Damit können die grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Erstarrungsbedingungen und den Materialeigenschaften erarbeitet werden. Dies erlaubt dann zuverlässigere Vorhersagen für technische Prozesse auf der Erde.

Im Rahmen der Weltraummission TEXUS-41 wird der Einfluss von Strömungen auf das Erstarrungsverhalten von technischen Aluminium-Gusslegierungen untersucht. Dazu wurde unter Schwerelosigkeit die Legierung in der von der Deutschen Luft- und Raumfahrtagentur in Köln entwickelten Ofenanlage ARTEX+ gerichtet erstarrt. Das Besondere dieser Anlage ist die Verwendung eines Tiegels aus einem Aerogel, in dem die Probe erstarrt. Dieses Material ist transparent und erlaubt deshalb, die Position des fest-flüssig-Phasenübergangs während des Erstarrungsprozesses optisch zu detektieren. Während der Erstarrung unter Schwerelosigkeit wurde zusätzlich ein Magnetfeld zugeschaltet, das um die Längsachse der zylindrischen Probe rotierte. Mit diesem Magnetfeld können wohldefinierte Strömungen in der Schmelze eingestellt und damit deren Auswirkungen auf den inneren Werkstoffaufbau analysiert werden.

Für dieses Weltraumexperiment hat das Erlanger Kristalllabor mit seiner Software CrysVUn ein Computermodell der Ofenanlage ARTEX+ entwickelt. Mit diesem Computermodell wurde der Prozessablauf vor der Mission im Detail geplant. Insbesondere wurden auf dem Rechner die relevanten Prozessparameter, wie zum Beispiel die Magnetfeldstärke, bestimmt, die notwendig sind, um die gewünschte Änderung im Werkstoffaufbau zu erzielen. „Ob unsere Vorhersage aus den Simulationsrechnungen richtig war, wird sich in einigen Monaten zeigen, wenn die Untersuchungsergebnisse aus der Weltraummission vorliegen“, erläutert der am Erlanger Kristalllabor verantwortliche Wissenschaftler Johannes Dagner.

Mit der Mission TEXUS-41 fand, dank der finanziellen Unterstützung durch die Europäische Raumfahrtagentur ESA und durch die Deutsche Luft- und Raumfahrtagentur DLR, nach über elf Jahren Unterbrechung wieder ein Weltraumexperiment statt, an dem das Erlanger Kristalllabor beteiligt war. Nach Spacelab-1 (1983), TEXUS-10 (1984), Spacelab-D1 (1985), TEXUS-20 (1988), TEXUS-24 (1989), MAXUS-1B (1992) und Spacelab-D2 (1993) handelt es sich um das achte Welttraumexperiment seit der Gründung des Kristalllabors im Jahr 1979.

Weitere Informationen

Dr. Jochen Friedrich
Fraunhofer Institut
Tel.: 09131/761-269
jochen.friedrich@iisb.fraunhofer.de

Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Müller
Lehrstuhl für Werkstoffe der Elektrotechnik
Tel.: 09131/85 -27636
georg.mueller@ww.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.728 vom 07.12.2004

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