Veröffentlichung
von Erlanger Physikern in der Zeitschrift Nature
Wie Strom durch Diamanten fließt
Ein Diamantkristall hat viele nützliche Eigenschaften, doch
um elektrischen Strom zu leiten, taugt er nicht. Ganz im Gegenteil
ist das Pyramidengitter aus Kohlenstoffatomen als Isolator bekannt.
Physik und Werkstoffwissenschaft wissen widerspenstige Materialien
jedoch heute zu überlisten: durch Einbringen von Fremdatomen,
die sogenannte Dotierung, kann Diamant - wenn auch mit hohem Aufwand
und geringer Effizienz - zu einem Halbleiter gemacht werden. Eine
Alternative bieten Prof. Dr. Lothar Ley vom Lehrstuhl für Experimentalphysik
der Universität Erlangen-Nürnberg und seine Arbeitsgruppe
in einem Artikel, der in der hoch renommierten wissenschaftlichen
Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde: die Dotierung ohne
Fremdatome. Für Physiker ist die Veröffentlichung auch
deshalb von Interesse, weil sich Parallelen zur sogenannten Oberflächenleitfähigkeit
von Diamant ergeben, die unter Fachleuten kontrovers diskutiert
wird.
Die elektronischen
Eigenschaften von Halbleiterkristallen, ohne die moderne Informationsverarbeitung
nicht denkbar ist, sind durch die Bandlücke bedingt, eine für
Elektronen „verbotene“ Zone, die zugleich wie eine hohe
Mauer wirkt. Ohne Energiezufuhr überwinden Elektronen diese
Sperre nur, wenn auf Seiten der niedrigeren Energieniveaus kein
Platz mehr für sie übrig ist; in diesem Fall können
sie sich auf den höheren Niveaus frei bewegen. Umgekehrt wandern
positiv geladene „Löcher“ auf den niedrigen Niveaus,
wenn dort Elektronen fehlen. In beiden Fällen fließt
Strom. Sind jedoch die verfügbaren Positionen unterhalb der
Bandlücke - wie Theatersitze hinter einer Absperrung - vollständig
mit Elektronen aufgefüllt, bleiben alle elektrischen Ladungsträger
am Platz.
Blick durchs Rasterelektronenmikroskop:dichtgedrängt
in Reih und Glied
sind Diamantkristalle auf einem Silizium-Substrat gewachsen.
Aufnahme: Lehrstuhl für Experimentalphysik
Wieviele Elektronen oder Löcher es ober- bzw. unterhalb der
Bandlücke gibt, kann durch den Einbau von Fremdatomen ins Kristallgitter
gesteuert werden. Über diese Dotierung sind die elektronischen
Eigenschaften von Halbleitern gezielt einstellbar. Auch Diamant
kann so in einen Halbleiter verwandelt werden, doch das erfordert
einen hohen Energieaufwand, und die Zahl der Atome, die eingeschleust
werden können, ist begrenzt.
Nützliche
Schicht aus Buckyballs
Die von Prof. Ley und seinen Mitarbeitern Paul Strobel, Marc Riedel
und Jürgen Ristein vorgestellte Methode verwendet keine Fremdatome.
Stattdessen kommen Kohlenstoff-Strukturen in einer anderen Variante
zum Zuge: C60-Moleküle, die zu den Fullerenen
zählen. Diese „molekularen Fußbälle“
oder „Buckyballs“ sind wegen ihrer wie aus Bienenwaben
zusammengesetzten Kugelgestalt berühmt geworden.
Solche C60-Moleküle
werden auf einer mit Wasserstoff gesättigten Diamantoberfläche
abgeschieden. Die Leitfähigkeit steigt dabei deutlich an, und
zwar um so stärker, je mehr die Schicht wächst, bis bei
einer Dicke von vier bis acht Lagen von Molekülen der Sättigungspunkt
erreicht ist.
In ihren Versuchsreihen
haben die Physiker abgesichert, dass der Strom nicht etwa - völlig
unabhängig vom Diamant - allein durch die C60-Schicht
fließt. Stattdessen zieht diese Schicht wegen der durch ihre
Bandlücke definierten physikalischen Eigenschaften vom Diamant
Elektronen ab. Unter der Diamantoberfläche entsteht so eine
Anhäufung von Löchern, welche die zweidimensionale elektrische
Leitfähigkeit stark erhöht. An der Grenzfläche zwischen
Buckyball-Molekülen und Kristall stehen Elektronen und Löcher
einander paarweise gegenüber.
Mit der sogenannten
Oberflächenleitfähigkeit von hydriertem Diamant bei Kontakt
mit Luft verbindet die Dotierung ohne Fremdatome ein grundsätzlich
ähnlicher Mechanismus. Die C60-Beschichtung
wird die Erfordernisse von technischen Anwendungen nach Auffassung
der Erlanger Forscher jedoch besser erfüllen können und
mehr Früchte tragen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Lothar
Ley
Lehrstuhl für Experimentalphysik
Tel.: 09131/85 -27090
lothar.ley@physik.uni-erlangen.de
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