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kohlenstoff erfüllt das zmp mit leben
 

Erste Arbeitsgruppe im Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik
Kohlenstoff erfüllt das ZMP mit Leben

Im Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik (ZMP) in der Fürther Uferstadt ist die erste Arbeitsgruppe angetreten. Fünf Millionen Euro, die im Rahmen der High-Tech-Offensive des Freistaats Bayern zur Verfügung gestellt und vor kurzem freigegeben wurden, schufen die Voraussetzung dafür, dass das neue Zentralinstitut der Universität Erlangen-Nürnberg nun mit Leben erfüllt werden kann. Die Gruppe „Kohlenstoffwerkstoffe“ unter der Leitung von Prof. Dr. Robert Singer und Dr. Andreas Volek vom Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Technologie der Metalle (WTM) übernimmt die Vorreiterrolle für insgesamt vier Arbeitsgruppen, die unter dem Dach des Zentralinstituts unterkommen sollen. Zwei dieser Gruppen unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Greil (Lehrstuhl für Glas und Keramik) und Prof. Dr. Manfred Geiger (Lehrstuhl für Fertigungstechnologie) werden folgen, sobald weitere Räumlichkeiten in der Dr.-Mack-Straße in Fürth zugänglich sind.

Unter der Adresse http://www.zmp.uni-erlangen.de stellt sich die Arbeitsgruppe im Internet vor. Wie bereits der Name verrät, dreht sich bei den Forschungsarbeiten alles um das Material Kohlenstoff, dessen Vielseitigkeit noch bei weitem nicht erschöpfend genutzt wird. Mit dem leicht verfügbaren, ungeordneten, weichen Graphit und dem fast unzerstörbaren kristallinen Diamant sind sehr unterschiedliche Kohlenstoff-Strukturvarianten für die Wissenschaftler im ZMP von Interesse; ausschlaggebend sind jeweils die Möglichkeiten zum Einsatz im Leichtbau.

Drei Projektbereiche werden die Arbeitsgruppe beschäftigen: die Herstellung von Kohlenstoff-Formteilen aus Kohlenstoff-Mesophasenpulver durch Pulverspritzgießen, die Herstellung von Diamantschichten auf Formteilen komplexer Geometrie durch Heißdraht-CVD und die Herstellung von Formteilen aus Magnesiumlegierungen mit Partikel- oder Faserverstärkung aus Kohlenstoff durch Thixospritzgießen.

Kunststoff als Zwischenträger
Als Material zum Bau von Kolben in Verbrennungsmotoren wäre Kohlenstoff besonders geeignet, zum einen wegen seines geringen Gewichts, zum anderen, weil er bei hohen Temperaturen widerstandsfähig ist und sich kaum ausdehnt. Als Ausgangsstoff bieten sich sogenannte Mesophasenpulver an, die auf bestimmten polyaromatischen Pechen basieren und sich bei über 300° Celsius durch einen Sinterprozess zu sehr belastbaren Werkstoffen verdichten lassen. Bisher fehlt allerdings ein kostengünstiges Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, die der endgültigen Form bereits im ersten Verarbeitungsschritt sehr nahe kommen.

Gleitringe in hoch belastbaren Pumpen leben durch Diamantbeschichtung bis zu hundert Mal länger.
Gleitringe in hoch belastbaren Pumpen leben durch Diamantbeschichtung bis zu hundert Mal länger.

Abbildung: Lehstuhl WTM

Am ZMP setzt man darauf, das Kohlenstoffpulver mit Kunststoffen zu vermischen und durch Spritzgießen zu Formteilen zu verarbeiten. Anschließend wird der Kunststoff bei hoher Temperatur zersetzt, so dass keine Spuren davon im Bauteil zurückbleiben. Die Herausforderung bei diesem als Pulverspritzgießen bezeichneten Verfahren besteht darin, einen Kunststoffbinder zu finden, dessen Zersetzungstemperaturen unterhalb der Sintertemperatur des Kohlenstoffs liegen.

Diese Bauteiloberfläche ist mit Mikro-Diamantplättchen gepflastert.
Diese Bauteiloberfläche ist mit Mikro-Diamantplättchen gepflastert.
Abbildung: Lehstuhl WTM

Mittels chemischer Abscheidung aus der Gasphase, dem CVD-Verfahren (Chemical Vapour Deposition), ist es möglich, auf Metalloberflächen Schichten aus künstlichen Diamantkristallen zu erzeugen. So werden die einzigartigen Materialeigenschaften von Diamant, wie höchste Härte und Wärmeleitfähigkeit aller Werkstoffe, für technische Bauteile nutzbar. Im Labormaßstab konnte am Lehrstuhl WTM bereits gezeigt werden, dass diamantbeschichtete Verschleißteile in Pumpen um das Hundertfache haltbarer sind und die Pumpen selbst deutlich belastbarer werden. Für industrielle Anwendungen müsste allerdings eine sehr homogene Innen- und Außenbeschichtung von zylindrischen Geometrien serienmäßig reproduzierbar sein. Die weltweit größte Hot-Filament-Diamantbeschichtungsanlage soll helfen, dieses bisher ungelöste Problem zu bewältigen. Die Anlage, die gegenwärtig entwickelt und am ZMP installiert wird, wird durch eine neuartige Anordnung der Filamente besonders gut dafür geeignet sein, dreidimensionale Objekte zu beschichten.

Metall und Kohlenstoff in der Spritzgießmaschine
Verbundwerkstoffe, in denen Metalle durch Partikel oder kurze Fasern von Kohlenstoff verstärkt werden, konnten sich trotz ihrer günstigen Eigenschaften bislang nicht auf breiter Front technisch durchsetzen, weil alle bekannten Verfahren nur eine ungleichmäßige Verteilung der Kohlenstoffteilchen erzielen und zudem teuer sind. Am ZMP wird zur Herstellung von kohlenstoffverstärkten Magnesiumbauteilen erstmals ein Verfahren eingesetzt, das bei der benachbarten Neue Materialien Fürth GmbH entwickelt wurde, das sogenannte Thixospritzgießen. Wie in der Kunststoffverarbeitung werden hier die Komponenten in der Scherströmung einer sich drehenden Schnecke gemischt, welche gleichzeitig die Formmasse zur Schneckenspitze fördert und in ein Werkzeug einspritzt. Wenn es gelingt, die Spritzgießmaschine so auszulegen, dass sie der zusätzlichen Beanspruchung durch die Kohlenstoffkompenente standhält, bedeutet das für metallische Werkstoffe einen Durchbruch in der Verbundwerkstofftechnik.

Das neue Zentralinstitut ist in seiner interdisziplinären Arbeit einerseits mit anderen Instituten der Universität Erlangen-Nürnberg verzahnt, andererseit über die Transfereinrichtung am selben Standort eng mit Industriepartnern verbunden. In den drei Projektbereichen sollen die Verfahren bis ins Prototypenstadium entwickelt werden. Die Neue Materialien Fürth GmbH übernimmt die Umsetzung in die Kleinserie. Obwohl das ZMP eben erst die Arbeit aufnimmt, ist schon jetzt in der Wirtschaft großes Interesse an dieser Konzeption und an der Forschungsthematik erkennbar.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Robert Singer
Tel.: 09131/85-27530
rfsinger@ww.uni-erlangen.de

Dr. Andreas Volek
Tel.: 09131/82-27514
Andreas.Volek@ww.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.719 vom 12.10.2004

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