Technologische
Plattform für eine Medikament-Neuentwicklung
In breiter Front gegen aggressive Viren
Erst wenn viele Zellkerne zu Fabriken für die Massenproduktion
von Viren geworden sind, die wiederum ausschwärmen, um neue
Zellen zu befallen, können die in der Regel harmlosen Viren
zu gefährlichen Krankheitserregern werden. Eine Gruppe von
Enzymen, die bei Herpesviren diese rasante Vermehrung in Gang halten,
nutzt das Institut
für Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg
(Leitung: Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein) umgekehrt als Ansatzpunkt
zur Blockade. Die Zusammenarbeit von Prof. Dr. Thomas Stamminger
und Priv.-Doz. Dr. Manfred Marschall mit der Axxima Pharmaceuticals
AG in München ist nun so weit gediehen, dass die Untersuchungen
auf eine breite Grundlage gestellt werden können. Eine Million
Euro investiert die Bayerische Forschungsstiftung in das neue dreijährige
Kooperationsprojekt, das eine Alternative zu den bisher mit deutlichen
Nachteilen behafteten Therapiemöglichkeiten verspricht.
Durch die Cytomegalovirus-Infektion
veränderte Zellen
(sogenannte Eulenaugenzellen) im Gewebsverband.
Der Sammelname
Proteinkinasen umfasst Enzyme, die andere Proteine aktivieren oder
auch deaktivieren können. In einer Kette ineinandergreifender
Funktionen versetzen sie diese Proteine in einen bestimmten Aktivitätszustand,
indem sie einen Phosphatrest anheften. Bei Herpesviren wurden Proteinkinasen
entdeckt, die im Mechanismus der Vermehrung ein wichtiges Zwischenglied
bilden. Werden sie daran gehindert, ihre Botschaft weiterzureichen,
stockt das gesamte Räderwerk. Insbesondere ein Enzym, das die
Bezeichnung pUL97 trägt, hat sich als lohnendes Angriffsziel
für eine Chemotherapie erwiesen.
Dieses
Enzym kommt beim humanen Cytomegalovirus vor, einem Vertreter der
Herpesviren. Die Hälfte der Bevölkerung Mitteleuropas
ist mit diesem Erreger infiziert, doch merken die meisten Betroffenen
davon nichts.
Bei einer Schwäche
des Immunsystems wird die Virusinfektion jedoch zum Risiko. Dies
trifft vor allem AIDS-Erkrankte und Transplantationspatienten. 60
Prozent aller klinischen Komplikationen beim Organersatz sind auf
das Cytomegalovirus zurückzuführen. Gefährdet sind
außerdem Neugeborene, vor allem dann, wenn die Mutter während
der Schwangerschaft erstmals infiziert wird und das ungeborene Kind
sich im Mutterleib ansteckt. In Extremfällen ist das Leben
des Kindes bedroht. Gerade für solche Fälle gibt es keine
befriedigende Therapie, da die zur Zeit verfügbaren Medikamente
erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Neue Strategien werden deshalb
dringend benötigt.
Entwicklung von neuen Medikamenten für die Therapie
von Herpesvirus-Infektionen (z. B. Cytomegalovirus).
Die Entwicklung
eines neuen Medikamentes ist ein mehrstufiger Prozess. Ist ein mögliches
Zielmolekül erkannt und beschrieben, werden Substanzen gesucht,
die exakt an dieses Protein binden und es hindern, seine Funktion
auszuführen. Parallel dazu läuft die Suche nach strukturellen
Ähnlichkeiten zu Molekülen, für die bereits bindende
Substanzen identifiziert wurden. Die Voraussetzungen für ein
solch groß angelegtes, zweigleisiges Vorgehen sind durch die
bisherigen Untersuchungen am Institut für Virologie in Erlangen
gegeben. Das Medizinalchemie-Programm, das auf optimale Therapie
angelegt ist, kann damit starten.
8.000 Substanzen,
die in Frage kommen, sind in einem Screening bereits auf ihre Fähigkeit
getestet worden, das Enzym pUL97 zu hemmen. Die Wirkstoffe ließen
sich in deutlich unterscheidbare Klassen einteilen. Für jede
Klasse kann damit eine charakteristische Leitsubstanz gewählt
werden, ein aussichtsreicher Startpunkt für die Entwicklung
des bestmöglichen Medikaments. Der zweite, ergänzende
Ansatz, der Verfahren der Bioinformatik einsetzt, verspricht ebenfalls
Erfolg. Über 30 Proteinkinasen sind in ihrer Struktur bekannt
und stehen zum Vergleich mit dem Cytomegalovirus-Enzym zur Verfügung.
Das bedeutet eine gute Ausgangslage für das Drug Design, das
gezielte Zuschneiden und Zurechtfeilen eines Wirkstoffs auf bestimmte
erwünschte Resultate.
Da das humane
Cytomegalovirus Tiere nicht befällt, waren Tests von Medikamenten
bisher nur beschränkt aussagekräftig. In dem neuen Projekt
soll dieses Hindernis durch einen Genaustausch zwischen Ratten-
und Humancytomegaloviren überwunden werden. Ersetzt wird der
genetische Code für die Proteinkinasen, die bei den zwei Virus-Typen
funktionell sehr ähnlich sind. Mit Hilfe dieses neuartigen
Tiermodells sollte die Entwicklung eines wirkungsvollen Medikaments
bis zur Marktreife zielstrebig von statten gehen.
Weitere Informationen
Institut für
Klinische und Molekulare Virologie
Prof. Dr. Thomas
Stamminger
Tel.: 09131/85 -26783
Thomas.Stamminger@viro.med.uni-erlangen.de
PD Dr. Manfred
Marschall
Tel.: 09131/85-26089
Manfred.Marschall@viro.med.uni-erlangen.de
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