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Fünf
Fakultäten an neuem Interdisziplinären Zentrum beteiligt
Die Alte Welt aus vielen Perspektiven
Während bewaffneter Konflikte, zuletzt im Irak-Krieg, gehen
immer wieder Bilder durch die Presse, die führende Politiker
beim Besuch von Verwundeten im Lazarett zeigen. Die Sorge für
die Verwundeten hat in ähnlicher Weise bereits Antoine Jean
Gros in seinem Gemälde von Napoleons Besuch bei den Pestkranken
von Jaffa verherrlicht. Diese Form der öffentlichen Selbstdarstellung
steht in guter antiker Tradition, zählte doch die Sorge für
Kranke und Verwundete zu den Pflichten des römischen Kaisers.
Eine solche Inszenierung ist also keineswegs eine Erfindung unseres
Medienzeitalters. Vielmehr zeigt sich darin das Fortbestehen einer
Tradition der öffentlichen Darstellung von Macht, wie sie sich
in den antiken Hochkulturen vor Jahrtausenden ausgebildet hat. Welche
von dort ererbten Mechanismen und Vorstellungen immer noch virulent
sind, ist eines der Themen, mit denen sich Altertumswissenschaftler
der Universität Erlangen-Nürnberg in einem Arbeitsschwerpunkt
des neugegründeten Interdisziplinären Zentrums „Alte
Welt“ beschäftigen werden.
„Antike
Herrschaftsformen und die antike Machtrepräsentation wurden
seit der Renaissance wieder aufgegriffen und wirken auch heute unter
fundamental veränderten politischen Gegebenheiten noch nach“,
erläutert Prof. Dr. Hartmut Matthäus, Professor für
Klassische Archäologie. „Zur Einordnung heutiger Repräsentation
können Kenntnisse aus der Antike einen hilfreichen Beitrag
leisten.“ Im Arbeitsschwerpunkt „Antikes Menschenbild“
sollen neben der Darstellung von Herrschaftsformen auch die Stellung
der Frau und die Darstellung von Gegnern und Feinden interdisziplinär
untersucht werden. „Wichtig ist uns hierbei die Synergie von
Erkenntnissen aus den jeweils beteiligten Einzeldisziplinen. Oft
lässt sich ein und derselbe Gegenstand auf Grundlage verschiedener
Zeugnisgattungen aus mehreren Perspektiven betrachten. So werden
wir in verstärktem Maße etwa die schriftliche Herrschaftsdarstellung
mit der bildlichen Darstellung vergleichen und mögliche Unterschiede
und Gemeinsamkeiten herausarbeiten“, ergänzt Prof. Dr.
Stephan Schröder, Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie
(Griechisch) und Sprecher des Interdisziplinären Zentrums.
Im neuen Zentrum
werden Fachvertreter der „Alten Welt“ aus den beiden
Philosophischen Fakultäten (Ur- und Frühgeschichte, Indogermanistik,
Altorientalistik, Archäologie, Klassische Philologie, Alte
Geschichte) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Medizinischen,
Juristischen und Theologischen Fakultät (Geschichte der Medizin,
Antike Rechtsgeschichte, Neutestamentliche Theologie, Ältere
Kirchengeschichte, Christliche Archäologie) über die Fächergrenzen
hinweg Fragestellungen bearbeiten, die für die kulturelle Identitätsbildung
Europas und des Mittelmeerraums relevant sind. Die 18 Mitglieder
des Zentrums haben hierzu neben dem „Antiken Menschenbild“
die Arbeitsschwerpunkte „Kulturkontakt und Kulturaustausch
zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient“ und „Lebensbewältigung
in christlichen und paganen Texten der Kaiserzeit und der Spätantike“
definiert. Prof. Matthäus: „Auch hier geht es neben der
fachspezifischen Grundlagenarbeit zum einen um die Bewahrung des
kulturellen Gedächtnisses, zum anderen um Lösungsmöglichkeiten.
Als Stichworte seinen hier der Kulturkontakt und Kulturkonflikt
zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient oder Mechanismen und
Probleme der Staatswerdung genannt.“
Auch in der
Lehre sollen die Themenkomplexe eine entsprechende Berücksichtigung
finden. Darüber hinaus sollen Studierende in einem Studienschwerpunkt
„Wissenstransfer: Antike Welt - Moderne Welt“ anhand
der Antikensammlung der Klassischen Archäologie mit museumspädagogischen,
museumsdidaktischen und medienwissenschaftlichen Fragestellungen
vertraut gemacht werden. „Den Studierenden wird neben der
traditionellen wissenschaftlichen Ausbildung eine zusätzliche
Qualifikationsmöglichkeit eröffnet“, ergänzt
Prof. Schröder.
Das Veranstaltungsprogramm
des neuen Interdisziplinären Zentrums "Alte Welt"
wird am Montag, 26. Januar 2004, 18.15 Uhr, im Kollegienhaus, Universitätsstraße
15, Erlangen, mit einem Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Walter
Burkert eröffnet. Der emeritierte Lehrstuhlinhaber für
Klassische Philologie an der Universität Zürich spricht
auf der „Gründungsveranstaltung“ des Zentrums über
„Phasen ost-westlicher Kulturbegegnung im 1. Jahrtausend bis
zu den Perserkriegen“.
Hierzu laden
wir die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sehr herzlich ein.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Stephan
Schröder
Lehrstuhl für Klassische Philologie (Griechisch)
Telefon 09131/85-22409
snschroe@phil.uni-erlangen.de |