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pharmazie-reservoir aus dem meer
 

Mikroalgen aus modernen Photobioreaktoren als Produzenten von Virostatika
Pharmazie-Reservoir aus dem Meer

Als Sauerstofflieferanten und Nahrungsquelle für vieles, was im Wasser lebt, sind Mikroalgen unentbehrlich. Medizin und Pharmazie zeigen aus anderen Gründen Interesse für die vielseitigen Einzeller: sie können Substanzen herstellen, die Viren, Bakterien und Krebszellen angreifen. Diese Fähigkeiten in den Dienst der menschlichen Gesundheit zu nehmen, ist allerdings nicht so einfach, denn die Algen stellen hohe Ansprüche an Aufzuchtbedingungen. Mit neuartigen Bioreaktoren hat die Arbeitsgruppe “Phototrope Mikroorganismen” am Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik der Universität Erlangen-Nürnberg gute Voraussetzungen dafür geschaffen, gründlich auszuloten, wie die winzigen Organismen für Menschen von Nutzen sein können.

Die Erforschung biologisch aktiver Naturstoffe, die von Meeresorganismen produziert werden, gehört zu den Schwerpunkten, auf die Prof. Dr. Rainer Buchholz setzt. Als er im September 2002 von der Technischen Universität Berlin nach Erlangen wechselte, um den neu gegründeten Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik zu übernehmen, kam ein Großteil seiner Mitarbeiter mit ihm, so dass von Anfang an vier Arbeitsgruppen etabliert werden konnten. Die Arbeitsgruppe “Zellkultur und Immobilisierung” befasst sich beispielsweise mit Grundlagen der Regeneration von Geweben oder mit biologischem Pflanzenschutz. Die Arbeitsgruppe “Screening” entwickelt Methoden, mit denen vielversprechende Wirkstoffe in Pflanzen, Algen und Mikroorganismen entdeckt werden können, und Verfahren, um solche Substanzen in hoher Reinheit zu gewinnen.

Um stabile und ergiebige Kulturen als Rohstoffquellen für Nahrungsergänzung und neue medizinische Therapien geht es in den beiden anderen Arbeitsgebieten, wobei die Gruppe “Pflanzenzelltechnologie” eher größere Algen und Moose im Blick hat, während Mikroalgen von einer eigenen Gruppe unter der Leitung von Dr. Christian Walter untersucht werden. Ein derzeit laufendes Projekt mit dem Titel “Screening antiviraler Komponenten aus aquatischen Mikroorganismen” wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) gefördert; hier steht der Kampf gegen Herpes- und Cytomegalieviren im Vordergrund.


Virushemmende Algenextrakte
Humane Herpesviren vom Typ 6 (A/B) und 7 sowie das Cytomegalievirus (CMV) werden in stark erhöhter Zahl bei HIV-Patienten, Transplantierten oder auch Säuglingen nachgewiesen, also bei Personen, deren Immunsystem geschwächt ist. Die Viren stehen im Verdacht, in eine Vielzahl von Erkrankungen verwickelt zu sein, darunter so schwerwiegende Krankheiten wie Knochenmarkschädigung und Multiple Sklerose. Kein Ansatz zur Behandlung der Viruserkrankungen hat sich bisher als befriedigend erwiesen; außerdem sind zunehmend Resistenzen gegen Präparate zu beobachten, die derzeit verwendet werden.
Auf der Suche nach neuen, effektiven Produkten sind die Mikroalgen ins Blickfeld der Forscher geraten, da sie durch ihren Stoffwechsel eine Vielzahl biologisch aktiver Moleküle produzieren, unter anderem solche mit antibiotischen, antiviralen und gegen Krebszellen gerichteten Wirkungen. Verschiedene Extrakte aus Algen hemmen nachweislich die Vermehrung krankheitserregender Viren. Besonders gut funktioniert diese Gegenwehr beim Humanen Immunschwächevirus HIV und einigen Herpes Simplex-Viren. Wichtig ist nun, herauszufinden, welche einzelnen Moleküle aus dem “Wirkstoffcocktail” bestimmte Funktionen übernehmen. Durch Aufklärung von Struktur und Wirkung der isolierten Komponenten sollen Erkenntnisse über den Infektionsvorgang gewonnen werden. Solche Informationen sind generell hilfreich, können also zusätzlich zur Bekämpfung anderer krankheitserregender Viren beitragen.

“Medusa” züchtet Mikroalgen
Um einzelne Komponenten herauslösen und bestimmen zu können, sind enstprechende Mengen an Extrakten erforderlich. Diesem Bedarf steht die Schwierigkeit der Kultivierung entgegen. Manche Mikroalgen sind in Kultur nur schwer mit ausreichend Licht zu versorgen. Sie gedeihen schlecht, sterben ab oder vermehren sich nur spärlich, so dass die Zelldichte gering bleibt. Deshalb muss oft vergleichsweise viel Biomasse bereitgestellt werden, um so viel Wirkstoff zu extrahieren, dass sich der Einsatz in Testverfahren lohnt. Dazu kommen die Anforderungen an eine reproduzierbare, monoseptische, d.h. sterile Kulturführung. Herkömmliche Produktionsanlagen sind thermisch nicht sterilisierbar; die Gefahr von Verunreinigungen ist hoch.
 
 
Im Reaktor “Medusa” wachsen winzige, aber leistungsfähige Meeresalgen heran. Sie produzieren Wirkstoffe, die auf neuartige Medikamente gegen Viren hoffen lassen.


Erst seit kurzem gibt es Photobioreaktoren, welche die hohen steriltechnischen Anforderungen für die Entwicklung von pharmakologisch relevanten Wirkstoffen erfüllen. In der Arbeitsgruppe "Phototrophe Mikroorganismen" sind derartige thermisch sterilisierbare Reaktoren - wie beispielsweise "Medusa" - entwickelt worden. So steht der intensiven Erforschung der Wirkstoffe, die den Mikroalgen abzugewinnen sind, nichts mehr im Weg.


Weitere Informationen

Dr. Christian Walter
Tel.: 09131/ 85 -23004
Christian.Walter@
bvt.cbi.uni-erlangen.de

Dipl.-Ing. Tanja König
Tel.: 09131/85 -23022
Tanja.Koenig@
bvt.cbi.uni-erlangen.de

 

Mediendienst FAU-Aktuell Nr.3125 vom 11.06.2003

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