Nachwuchs im Kleinkindalter hält Akademikerinnen
am stärksten von einer erfolgreichen Laufbahn ab. Beruf und
Familie zu vereinbaren, fällt vielen jungen, gut ausgebildeten
Frauen offensichtlich schwer, während die Vaterschaft ihre
gleichaltrigen ehemaligen Studienkollegen im Berufsleben nicht merklich
hindert. Ein zweiter Zusammenhang, der langfristig zur ungleichen
Verteilung von Spitzenpositionen unter den Geschlechtern führen
könnte, ist schwerer zu fassen. Auch kinderlose Frauen mit
qualifizierten Arbeitsplätzen unterscheiden sich tendenziell
von Männern, die denselben Start hatten. Sie sind eher entmutigt
und schätzen ihre beruflichen Aussichten deutlich negativer
ein. Drei Jahre nach dem Examen, das Absolventinnen und Absolventen
der Universität Erlangen-Nürnberg mit ähnlichen Vorsätzen
und ähnlicher Zuversicht in die Zukunft entließ, ist
ein allmähliches Auseinanderdriften der weiblichen und männlichen
Lebensläufe zu beobachten. Einer Langzeitstudie unter der Leitung
von Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm am Lehrstuhl Sozialpsychologie
zeichnet diese Entwicklung nach.
Unmittelbar nach den Prüfungen, eineinhalb
Jahre später und ein drittes Mal nach einem Abstand von drei
Jahren sind 2.000 Absolventinnen und Absolventen der Jahrgänge
1994/95 sowie 1996/97 aus allen Fachrichtungen für diese Untersuchung
befragt worden. Derzeit läuft eine vierte Befragungswelle,
und künftig sieht das Konzept der Studie Wiederholungen in
größeren Zeiträumen vor. Individuelle Karrieren
sollen so über viele Jahre hinweg zu verfolgen sein und zugleich
zu Mustern zusammenlaufen, die erkennen lassen, was eine weitgehend
ausgewogene Balance zu einem auffallenden Ungleichgewicht verschiebt:
in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind weibliche Führungskräfte
trotz exzellenter Ausbildung einer großen Zahl von Frauen
vergleichsweise selten zu finden.
Bei guten Examensnoten, kurzem Studium, Selbstvertrauen,
hoher Motivation und Leistungsbereitschaft gelingt der Berufseinstieg
den Frauen ebenso wie den Männern, vorausgesetzt, dass sie
nicht schon frühzeitig Kinder haben. Mütter sind häufig
nicht berufstätig; der Anteil übersteigt noch die Zahl
der Frauen, die von vornherein beabsichtigten, in der Kleinkindphase
zu Hause zu bleiben. Die männlichen Jungakademiker urteilten
von Anfang an skeptischer über die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie und hatten auch weniger für eine gleichmäßige
Verteilung der häuslichen Arbeiten übrig.
Eine Veränderung zeigte sich bei den Männern
relativ frühzeitig. Prestige und Einfluss, die ihnen zum Ende
des Studiums weniger galten als emotionale und inhaltsbezogene Lebensziele,
hatten nach höchstens achtzehn Monaten im Berufsleben an Bedeutung
gewonnen. Berufstätige Akademikerinnen machten keinen solchen
Wertewandel durch. Für sie verloren Aufstieg und Prestige in
manchen Berufsfeldern sogar an Reiz. Entsprechend rechnete mehr
als Hälfte der Männer zu diesem Zeitpunkt damit, später
höhere Positionen einzunehmen, aber nur ein Drittel der Frauen.
Die dritte Erhebung zeigt, dass sich diese Entwicklungslinien
fortsetzen. Zwar waren immerhin 90 % aller Befragten ihrer Ausbildung
entsprechend beschäftigt; bei Müttern betrug die Zahl
jedoch nur 40 %, bei den Vätern 96%. Unter den Kinderlosen
hatten 87% der Frauen und 92% der Männer eine ausbildungsadäquate
Stelle. Die Differenz von fünf Prozentpunkten ist zwar nicht
groß, gibt aber doch zu denken, zumal sie nicht auf Vorlieben
für unterschiedliche Studienfächer zurückzuführen
ist. Zudem ließen berufstätige Frauen, anders als ihre
männliche Kollegen, beispielsweise in der Medizin oder in technischen
Fächern Entmutigungserscheinungen spüren. Ihre Zukunftserwartungen
für die Berufslaufbahn waren erheblich weniger hoch gesteckt.
Die bisherigen Ergebnisse bestätigen größtenteils
die Annahmen, welche die Studie überprüfen soll. Weder
unterschiedliche Startbedingungen für Hochschulabsolventinnen
und -absolventen noch klare Nachteile zumindest für kinderlose
Frauen beim Berufseinstieg sind festzustellen. Stattdessen greifen
nach und nach eher unspektakuläre Einflüsse: widersprüchliche
Rollenerwartungen, die an gut ausgebildete junge Frauen herangetragen
werden und die sie selbst hegen, skeptische Haltungen der Partner
zur Vereinbarung von Beruf und Familie und schließlich Erfahrungen
im Berufsleben, die Frauen teilweise den Mut nehmen. Wie beim langsamen
Öffnen einer Schere nehmen Berufswege von Akademikerinnen und
Akademikern nach und nach einen getrennten Verlauf.
Über zwei wichtige Vermutungen kann die von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Erlanger
Längsschnittstudie BELA-E erst künftig Auskunft geben.
Demnach bleiben Frauen trotz hoher Karriereambitionen und entsprechendem
Einsatz beim Übergang von mittleren Positionen zu Führungsspitze
immer noch unter einer fast undurchdringlichen "gläsernen
Decke" hängen, da gegen die Vorbehalte von Arbeitgebern
kaum anzukommen ist. Die zweite Voraussage: stellen junge Akademikerinnen
den Wunsch nach Kindern zugunsten der beruflichen Integration zurück,
bis sie das dreißigste Lebensjahr erreicht haben, so werden
solche Wünsche womöglich gar nicht mehr realisiert.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm
Lehrstuhl Sozialpsychologie
Telefon 09131/ 85- 22307
abele@phil.uni-erlangen.de
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 651 vom 27.1.2003