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Psychologiekongress an der Uni Erlangen-Nürnberg

Weniger Aggression, mehr Innovation

Der frühere deutsche Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard war der Auffassung, dass die Ökonomie zu fünfzig Prozent Psychologie sei. Unter dem Motto „Humane Zukunft gestalten“ befassen sich zur Zeit auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an der Universität Erlangen-Nürnberg 2300 Wissenschaftler damit, wie die Psychologie auch in anderen Lebensbereichen helfen kann, Probleme zu lösen. „Dabei gibt es zwar keine Patentrezepte, aber durchaus wissenschaftlich nachweisbare Erfolge“, sagte der Kongressorganisator, Professor Friedrich Lösel von der Universität Erlangen-Nürnberg, in seinem Eröffnungsvortrag.

Wie man die Aggression junger Menschen reduzieren kann
Die Aggression von Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Thema auf dem Kongress: Beim Verlernen von Aggression setzen die Forschungen der Arbeitsgruppe um Professor Friedrich Lösel von der Universität Erlangen-Nürnberg an. Zusammen mit Professor Andreas Beelmann, Dr. Stefanie Jaursch und Professor Mark Stemmler entwickelte er Maßnahmen zur Prävention von Verhaltensproblemen bei Kindern. Das Programm „Entwicklungsförderung in Familien: Eltern- und Kindertraining“ (EFFEKT) enthält einen Kurs zur Verbesserung der Erziehungskompetenz von Eltern und ein Training, das die soziale Kompetenz von Kindern stärken soll. In ihren vom Bundesfamilienministerium finanzierten Studien an über 600 Familien fanden die Erlanger Forscher, dass sich durch dieses Programm das dissoziale Verhalten im Kindergarten reduzieren lässt. Auch noch zwei Jahre später waren in der Grundschule positive Wirkungen nachweisbar. Bei Kindern, die das Training durchlaufen hatten, fanden sich in den Schulzeugnissen seltener Bemerkungen über Verhaltensprobleme als in der Kontrollgruppe ohne Programm. In weiteren Studien der Erlanger Forschergruppe untersuchten Stefanie Hacker und Funda Kabacki-Kara ähnliche Präventionsprogramme, die auf Kinder im Grundschulalter und auf türkische Familien zugeschnitten sind.

Professor Richard Tremblay (Kanada) zeigte anhand seiner Langzeitstudien, dass das aggressive Verhalten nicht in der Jugend, sondern in den ersten Lebensjahren am häufigsten ist. Ab etwa drei Jahren nimmt es ab, da die Kinder mehr und mehr lernen, Konflikte anders zu lösen. Nur eine kleine Gruppe von etwa vier Prozent der Kinder verhält sich auch langfristig aggressiv. Professor Tremblay machte damit deutlich, dass Aggression keineswegs nur erlernt ist, sondern zu wesentlichen Teilen auch angeboren. „Kinder lernen nicht, sich aggressiv zu verhalten, sondern die meisten lernen im Lauf der Entwicklung, ihre aggressiven Tendenzen zu beherrschen“, lautete die These des kanadischen Forschers.

Innovation - ohne Psychologie geht's nicht
Deutschland liegt in der Kreativität im internationalen Bereich ziemlich weit vorn. Dies zeigen auch die zahlreichen deutschen Patente. Weniger gut sieht es mit der Einführung von Neuerungen aus. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch den politischen und sozialen Bereich, wie zum Beispiel die aktuelle Gesundheitsreform zeigt. Die Psychologie kann dazu beitragen, die Fähigkeit und Bereitschaft für Innovationen zu fördern. Schon ab dem Kleinkindalter wirkt sich eine möglichst anregende Erziehung in der Familie positiv auf die Gehirnentwicklung und die Erkundung von Neuem aus. „Der große Einfluss des Elternhauses darf deshalb in der aktuellen Bildungsdiskussion nicht vernachlässigt werden“, betonte Professor Klaus Schneewind (München).

In der Schule trägt eine die Selbständigkeit fördernde Lernkultur dazu bei, Probleme innovativ anzugehen. Dazu müssen aber auch die grundlegenden Kenntnisse in der Sprache, der Mathematik und in den Naturwissenschaften vermittelt werden. Im Betrieb ist es wichtig, eine mentale Grundhaltung für Neuerungen zu fördern. Professor Dieter Frey (München) sprach in diesem Zusammenhang von einer „Entsumpfung des Kopfes“. Der Betrieb sollte sich auf die eigenen Stärken konzentrieren und Fehler konstruktiv analysieren. Erfolgreiche Führung erfordert Wertschätzung der Mitarbeiter, Fairness, flache Hierarchien, wenig Bürokratie, klare Analysen der eigenen Lage und realistische Zukunftsvisionen.

Gezielte psychologische Maßnahmen haben auch in anderen Bereichen positive Wirkungen. Professor Werner Wittmann (Mannheim) berichtete über die Wirksamkeit von Programmen, die nicht nur die Gesundheit fördern, sondern dem Staat und den Krankenkassen Kosten sparen. Die Forschungen von Dr. Martin Schmucker und Professor Lösel (Erlangen-Nürnberg) zeigten ähnliche Erfolge bei der Behandlung von Sexualstraftätern. Selbstverständlich seien nicht alle Täter änderbar, mit modernen, wissenschaftlich fundierten Therapien kann man aber die Rückfallrate um fast ein Drittel verringern. „Dies ist ein wichtiger Beitrag zum Opferschutz“, sagte Professor Lösel.

Im Vortrag von Professor Roland Scholz (Zürich) ging es um psychologische Beiträge zu einem nachhaltigen Umweltschutz. In Fallstudien in der Schweiz konnte er zeigen, wie die Psychologie in enger Kooperation mit der lokalen Politik Szenarien umsetzt, die tatsächlich längerfristig zu einem schonenden Umgang mit der Umwelt führen. Technische Maßnahmen seien dabei durchaus wichtig, aber ohne Psychologie gehe es auch hier nicht.

Weitere Informationen für die Medien:

Dr. Doris Bender
Tel.: 09131/85-23024
doris.bender@psy.Phil.uni-erlangen.de

Kongressbüro
Tel.: 0911/5302-774
dgps2006@psy.phil.uni-erlangen.de

 

Mediendienst FAU-Aktuell Nr. 4835 vom 21.09.2006


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- zuletzt aktualisiert am 12.11.2007

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