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Neuer Verbund FORINGEN gegen Infektions- und Tumorkrankheiten

Sperren für die Interaktion von Wirt und Erreger

Mit dem Arsenal der Genomforschung wollen Mediziner und Biologen in Bayern gegen Infektionskrankheiten und Tumorerkrankungen vorgehen. Fünf bayerische Universitäten haben sich zu diesem Zweck dem neuen Forschungsverbund FORINGEN angeschlossen. Die Universität Erlangen-Nürnberg ist mit einem Projekt von Prof. Dr. Ulrich Schubert vom Institut für Klinische Virologie beteiligt, das neue Ansatzpunkte für den Kampf gegen das humane Immundefizienzvirus (HIV) aufzeigt. Für die nächsten drei Jahre fördert die Bayerische Forschungsstiftung den Verbund mit 1,75 Millionen Euro; weitere 1,85 Millionen steuern Industriepartner bei. 280.000 Euro sind für das Erlanger Projekt eingeplant. Der Kooperationspartner wird die am Innovationszentrum für Medizintechnik und Pharma (IZMP) in Erlangen angesiedelten ViroLogik GmbH sein.

Infektions- und Tumorkrankheiten scheinen in Ursachen und Verlauf wenig gemeinsam zu haben. Im ersten Fall lösen Erreger, die von außen in den Organismus vordringen, die Krankheit aus; im anderen sind es die körpereigenen Zellen, deren Programm außer Kontrolle gerät, so dass eine ungezügelte Vermehrung in Gang kommt. Die Infektogenomik, die dem neuen Bayerischen Forschungsverbund den Namen gibt, sieht den Ursprung der Krankheitsmechanismen in beiden Fällen in der genetischen Information der Wirtszelle, welche zur Steuerung aller Mechanismen auf molekularer Ebene notwendig ist und unter bestimmten Umständen durch mikrobielle Erreger gestört werden kann. In diesem Regelwerk suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Kennzeichen, die Krankheitserreger identifizierbar machen; nach Schwachstellen, an denen Medikamente gezielt und effektiv angreifen können; nach Möglichkeiten, die Immunabwehr durch Impfungen oder andere Maßnahmen zu stärken, und nach Wegen, die Auseinandersetzung von Angreifer und Verteidiger direkt in der Zelle zu beeinflussen.

Krankheitsfördernde Partnerschaft
Viren sind zur Vermehrung auf die Wirtszelle angewiesen. Das bedeutet, dass Proteine der befallenen Zellen mit Virusproteinen in mannigfaltige Wechselwirkung treten. Ein Virus mit sehr hoher Mutationsrate wie HIV-1 entkommt dem Zugriff des Immunsystems und entzieht sich längerfristig auch der Wirkung von Medikamenten. Aufgrund der hohen Mutationsneigung entstehen immer häufiger Medikamenten-resistente HIV-Varianten, die letztendlich zu einem Therapieversagen führen können. Alternative Therapieansätze zielen deshalb auf die viralen Interaktionspartner in der Wirtszelle, die genetisch sehr viel stabiler als die Targetproteine des Virus sind und daher die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Medikamentenresistenzen stark reduzieren. Außerdem können sich Virusproteine, welche die Wechselwirkung mit dem Wirt steuern, durch Mutationen nicht wesentlich verändern, ohne ihre Funktion zu verlieren. Zum Beispiel ist die Evolutionsrate des humanen Genoms um den Faktor von etwa einer Million langsamer als die von hoch-mutierenden HI-Viren.

Die Untersuchungen am Erlanger Institut für Virologie gelten dem Virus-Regulatorprotein Vpr und seinem zellulären Kooperationspartner, dem Faltungsenzym Cyclophilin A (CypA). Das Virusprotein ist bei HIV1-Infizierten fast allgegenwärtig und kommt auch häufig außerhalb der infizierten Zelle vor. Vpr spielt insbesondere bei der Replikation von HIV im so genannten Virusreservoir, den Monozyten und Makrophagen, eine wichtige Rolle, in dem es HIV-1 dabei hilft, auch sich nicht mehr teilende Zellen zu infizieren und die viralen Gene in den Zellkern dieser Zellen einzubringen. Eben dieses Virusreservoir ist der klassischen anti-retrovirale Therapie nicht zugänglich. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass ein HIV-Infizierter zeitlebens anti-virale Medikamente einnehmen muss. Die molekulare Funktion von Vpr in diesen Wirtszellen ist daher von außerordentlicher Bedeutung, ebenso das Wissen über die biologische Rolle von Vpr im extrazellulären Raum. Beispielsweise korreliert die Menge an Vpr im peripheren Blut mit dem Fortschreiten der Krankheit bei AIDS-Patienten und könnte daher ein Indikator dafür sein, wie die Immunschwächekrankheit verläuft.

Das Labor von Prof. Schubert setzt sich in dem Projekt vier Schwerpunkte. Der Einbau von Vpr in das Virus soll durch neuartige Inhibitoren verhindert werden, welche die Bindungsstelle in Vpr blockieren. Die Menge von Vpr im Serum von HIV-Infizierten soll als Grundlage für den Aufbau eines neuartigen Diagnosesystems dienen. In Kulturen von humanem lymphatischem Gewebe soll getestet werden, wie die Wechselwirkung von Vpr und CypA durch spezifische Inhibitoren unterbrochen werden kann und wie sich dies auf die Virusvermehrung in Makrophagen auswirkt. Außerdem soll nach anderen zellulären Faktoren gesucht werden, die mit dem Virusprotein interagieren. Jeder dieser Ansätze könnte, wenn er zum Ziel führt, zu einem weiteren Verständnis der molekularen Grundlagen der Virus-Wirt Wechselwirkung bei einer HIV-Infektion beitragen und daher zu neuen Therapie-Ansätzen führen.

Weitere Informationen für die Medien

Prof. Dr. Ulrich Schubert
Klinische Virologie
Tel.: 09131/85 -26478
ulrich.schubert@viro.med.uni-erlangen.de

Dr. Nadja Huttner
FORINGEN
LMU München/Genzentrum
Tel.:089/2180-76771
foringen@lmb.uni-muenchen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.785 vom 20.03.2006


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- zuletzt aktualisiert am 12.11.2007