Akademische Jahrfeier 1997

Auszeichnungen und Situationsbericht zum 254. Gründungstag der Universität Erlangen-Nürnberg

 
Am Dienstag, 4. November 1997, begeht die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Rahmen einer Akademischen Jahrfeier ihren 254. Gründungstag. Zum dies academicus wird neben Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Industrie und öffentlichem Leben der Bayerische Innenminister Dr. Günther Beckstein als Vertreter der Staatsregierung erwartet. Rektor Prof. Dr. Gotthard Jasper wird zur aktuellen Lage der Hochschule sprechen und erste Studierendenzahlen zum Wintersemester bekannt geben und die Habilitationspreise sowie weitere Auszeichnungen verleihen. Den Festvortrag zum Thema "Einverständnis mit der Schöpfung - Der christliche Beitrag zum ethischen Diskurs über die Gentechnologie" hält Prof. Dr. theol. Hans G. Ulrich vom Institut für Systematische Theologie. Den musikalischen Rahmen gestaltet das Blechbläserensemble der Universität unter Leitung von Ekkehard Wildt. Die Akademische Jahrfeier beginnt um 17.15 Uhr im Auditorium maximum, Bismarckstraße 1, Erlangen.
 
Im Rahmen der akademischen Jahrfeier werden in diesem Jahr zwei hohe Auszeichnungen übergeben. Mit der Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät wird Konsul Theo Schöller ausgezeichnet. Theo Schöller ist der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg seit längerem als Ehrensenator eng verbunden. Seit mehr als 20 Jahren hat er sich für die Belange der Universität in Wissenschaft, Kultur und Medizin intensiv eingesetzt und den Weg für weitreichende Entscheidungen geebnet. Durch seinen persönlichen Einsatz hat er sich besonders um das Gesundheitswesen und speziell um die Medizinische Fakultät verdient gemacht. Für dieses Engagement verleiht ihm die Medizinische Fakultät die Würde eines Ehrendoktors, eines "doctor medicinae honoris causa".
 
Die Volz-Medaille der Technischen Fakultät erhält Dr. iur. Gerhard Jooss, seit 1989 Vorstandsmitglied der Friedrich Krupp-Hoesch AG. Dr. Jooss war lange Zeit im Bayerischen Finanzministerium in leitender Position tätig und hat während dieser Jahre maßgeblich dafür gesorgt, daß verschiedene Baumaßnahmen der Technischen Fakultät, so das Mehrzweckgebäude und Teile der Mikroelektronik, zügig realisiert werden konnten. Die Helmut Volz-Medaille wird seit 1975 für besondere Verdienste um den Aufbau der Technischen Fakultät verliehen.
 
 
Habilitationspreise
 
Seit Jahren ist es gute Tradition, die vom Universitätsbund Erlangen-Nürnberg gestifteten Habilitationspreise beim dies academicus zu verleihen. In diesem Jahr werden folgende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ausgezeichnet:
 
Medizinische Fakultät: Thiersch-Preis 1996 (1996 korrekt, d. Red.)
Priv.-Doz. Dr. med. Dipl. Inf., Dr. med. habil. Herbert Karl Feistel, Oberarzt an der Nuklearmedizinischen Klinik mit Poliklinik, für die Habilitationsschrift "Der regionale zerebrale Blutfluß im epileptischen Anfall - Vorbetrachtungen am fokalen Modell des Rattenhirns und Anwendungen im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik".
 
Philosophische Fakultäten: Otto-Seel-Preis 1997
Priv.-Doz. Dr. phil., Dr.phil. habil. Uta Störmer-Caysa, Oberassistentin am Lehrstuhl für Germanische und Deutsche Philologie von Prof. Dr. Hartmut Kugler, für ihre Habilitationsschrift zum Thema "Das Gewissensproblem in der deutschen Literatur des Mittelalters. Studie über den Weg von der frühen Reflexion bis zum Normenbuch nach den zehn Geboten".
 
Naturwissenschaftliche Fakultäten: Emmy-Noether-Preis 1997
Dr. rer. nat., Dr. rer. nat. habil. Martin Keller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geologie und Mineralogie bei Prof. Dr. Werner Buggisch, für seine Habilitationsschrift "Die argentinische Präkordillere - Sedimentäre und plattentektonische Geschichte eines Laurentischen Krustenfragments in Südamerika".
 
WiSo-Fakultät: Preis der Universität Erlangen-Nürnberg
Privatdozent Dr. rer. pol., Dr. rer. pol. habil. Klaus Georg Binder, Oberassistent am Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik von Prof. Dr. Joachim Klaus, für seine Habilitationsschrift "Entwicklungspolitik und Umwelt - Analyse entwicklungs- und umweltpolitischer Strategien mit Blick auf Lateinamerika".
 
Technische Fakultät: Wolfgang Finkelnburg-Preis 1997
Privatdozent Dr.-Ing., Dr.-Ing. habil. Frank Vollertsen, Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Fertigungstechnologie von Prof. Dr. Manfred Geiger, für seine Habilitationsschrift zum Thema "Laserstrahlumformen-lasergestützte Formgebung: Verfahren, Mechanismen, Modellierung".
 
 
Tagung des Kuratoriums
 
Bereits ab 12.30 Uhr tagt am Dienstag, 4. November 1997, im Versorgungszentrum der Universität (Palmsanlage) das Kuratorium der Universität, dem hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben angehören. Zu dieser Kuratoriumssitzung sind auch die Ehrensenatoren und Ehrenbürger der Universität eingeladen. Themen werden u.a. die Novellierung des Hochschulgesetzes, die Haushalts- und Bausituation der FAU sowie die Internationalisierung der Studiengänge sein. Außerdem steht die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters auf der Tagesordnung.
 
 
 

Weitere Informationen zu den Habilitationspreisträgern

Medizinische Fakultät
Thiersch-Preis 1996 (1996 ist richtig)
 
PD Dr. med. Dipl.-Inf. Herbert Karl Feistel erhält den von der Medizinischen Fakultät zu vergebenden Thiersch-Preis 1996 für seine Arbeit mit dem Titel "Der regionale zerebrale Blutfluß im epileptischen Anfall - Vorbetrachtungen am fokalen Modell des Rattenhirns und Anwendungen im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik".
Ausgehend von grundlegenden physiologischen Betrachtungen und einem fokalen Epilepsiemodell am Rattenhirn hat Dr. Feistel in seiner Arbeit dargestellt, wie bei einer geeigneten Intensivüberwachung mit Hilfe von Langzeit-EEG und Videokamera eine radioaktive Testsubstanz bei Anfallbeginn intravenös injiziert wird. In einem anschließenden Schnittbildverfahren, der Einzelphotonen-Emissionstomographie, auf englisch: Single-photon-emission-computed-tomography, abgekürzt als "SPECT", kann bis zu mehreren Stunden später der Anfallherd bildlich gefaßt werden. In Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizinischen Klinik und dem Zentrum Epilepsie Erlangen der Neurologischen Universitätsklinik wurde dieses Verfahren inzwischen in mehreren unterschiedlichen Serien am Patienten angewendet. Die Erlanger Gruppe konnte als eine der ersten weltweit das "Anfall-SPECT"("iktuale SPECT") zu einer klinischen Routineuntersuchung entwickeln. SPECT erscheint geeignet besonders bei fokalen Epilepsieformen ohne strukturelle Störungen und zur Planung eines invasiven Vorgehens zur Elektrodenplazierung und später zur neurochirurgischen Resektion des Anfallsherdes. Das könnte Hilfe für einen Teil der 80.000 Patienten bedeuten, die in der Bundesrepublik Deutschland an einer fokalen Epilepsieform leiden und die medikamentös schwer behandelbar sind.
 
 
Philosophische Fakultäten I und II
Otto-Seel-Preis 1997
 
Dr. Uta Störmer-Caysa, Privatdozentin und Oberassistentin am Lehrstuhl für Germanische und Deutsche Philologie, wird für ihre Habilitationsschrift "Das Gewissensproblem in der deutschen Literatur des Mittelalters. Studie über den Weg von der frühen Reflexion bis zum Normenbuch nach den zehn Geboten" von den Philosophischen Fakultäten mit dem Otto-Seel-Preis ausgezeichnet.
Dr. Uta Störmer-Caysa wurde 1957 in Weimar geboren. Nach dem Abtiur studierte sie an der Karl-Marx-Universität Leipzig germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Philosophie, Ästhetik und Hochschulpädagogik und promovierte 1985 mit "summa cum laude". Die Wende 1989 nutzte Frau Dr. Störmer-Caysa zum sofortigen Wechsel in die alten Bundesländer, zunächst nach Göttingen, dann 1994 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Lehrstuhl von Prof. Kugler. Im Dezember 1996 erwarb sie die Lehrbefähigung für Germanische und Deutsche Philologie. Ihre Biographie zeigt, daß sie zu den ganz wenigen Wissenschaftlerinnen gehört, die sich dem mühseligen Prozeß des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands mit Mut und Können gestellt haben und souverän zum Erfolg gekommen sind.
In ihrer Habilitationsschrift hat Dr. Uta Störmer-Caysa die wenig interpretierte geistliche Prosa des 13. bis 15 Jahrhunderts als eine wichtige Quelle für das Deutsch der Lutherzeit untersucht. Frau Störmer-Caysa hat mit ihrer Arbeit einen originellen und weit gespannten Entwurf gewagt, der wegen der Verbindung von philologischen und philosophisch-theologischen Komponenten schwierig zu realisieren war, dessen Tragfähigkeit nun aber imponierend bewiesen ist. Sie legt die Grundlage für eine Literaturgeschichte der Ethik. Die Gutachter zeigten sich beeindruckt vom großen Sprachvermögen der Verfasserin, rühmten ihre Abstraktionsfähigkeit, ihre Formulierungskunst, die Stringenz ihrer Sprach- und Gedankenführung und bezeichneten das Buch als einen Markstein für die Spätmittelalterforschung. Zwei renommierte Publikationsreihen wetteifern derzeit um die Veröffentlichung.
 
 
Naturwissenschaftliche Fakultäten
Emmy-Noether-Preis 1997
 
Den Emmy-Noether-Preis der naturwissenschaftlichen Fakultäten erhält Dr. rer. nat., Dr. rer. nat. habil. Martin Keller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geologie und Mineralogie, für seine Habilitationsschrift "Die argentinische Präkordillere - Sedimentäre und plattentektonische Geschichte eines Laurentischen Krustenfragments in Südamerika".
300 Kilometer lang, 70 Kilometer breit und über 300 Millionen Jahre alt, gilt die Argentinische Präkordillere heute als Fremdkörper im südamerikanischen Kontinent, als "exotic terrane". Über die Entstehungsgeschichte gibt es grundsätzlich unterschiedliche Hypothesen: Eine geht davon aus, daß die Argentinische Präkordillere Teil des südamerikanischen Kontinents ist und durch Seitenverschiebung in die heutige Position gebracht wurde. Eine andere, daß die Argentinische Präkordillere ursprünglich zu Nordamerika gehörte.
Dr. Martin Keller hat über viele Jahre zahlreiche Profile in der Argentinischen Präkordillere aufgenommen. Darüber hinaus hat er mit argentinischen Wissenschaftlern und Doktoranden aus San Juan und Cordoba zusammengearbeitet. Er kann daher als einer der besten Kenner der Region gelten. Neben hervorragenden Geländekenntnissen hat Herr Keller die umfangreiche, zumeist spanisch und englische Literatur durchgearbeitet. Wesentliche Erkenntnisse konnte er dadurch gewinnen, daß er die Eigenschaften der Kalkgesteine im Dünnschliff unter dem Mikroskop untersuchte. Auf diese Weise ist es Dr. Martin Keller gelungen, die Dynamik des Ablagerungsraumes der Argentinischen Präkordillere tektonisch und sequenzstratigraphisch zu erhellen.
 
 
WiSo-Fakultät
Den Preis der WiSo-Fakultät erhält Privatdozent Dr. Klaus Georg Binder für seine Habilitationsschrift "Entwicklungspolitik und Umwelt - Analyse entwicklungs- und umweltpolitischer Strategien mit Blick auf Lateinamerika".
 
In seiner facettenreichen und sehr umfassend angelegten Arbeit führt Herr Dr. Binder für wichtige Entwicklungsländer den Nachweis, daß zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Umweltschutz kein zwangsläufiger Gegensatz besteht. Dabei mußte die These bewiesen werden, daß bei geeigneter Wahl der entwicklungspolitischen Strategie in Verbindung mit einer effizient ausgestalteten Umweltpolitik wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz miteinander harmonieren.
Neben der Würdigung der allgemeinen Problemlage hinsichtlich der externen Effekte, der Kollektivgutproblematik und des Gefangenendilemmas untersuchte Dr. Binder auf Lateinamerika spezifisch ausgerichtet zunächst vier große Ursachenbereiche: Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum und Strukturwandel, Urbanisierung sowie Armutsbedingungen.
Eine entscheidende Folgerung aus seinen theoretischen Überlegungen ist, daß sich fast alle untersuchten Entwicklungsstrategien als konditional umweltverträglich erweisen. Die meisten der untersuchten Entwicklungsstrategien ermöglichen eine nachhaltige Entwicklung unter der Voraussetzung, daß ihnen eine effiziente Umweltpolitik zur Seite gestellt wird.
Das Gesamtergebnis der Arbeit ist zunächst theoretisch von großem Interesse. Insgesamt handelt es sich aber vor allem um eine für die Entwicklungs- und für die Umweltpolitik gleichermaßen bedeutsame Untersuchung. Dr. Binder konnte nachweisen, daß wichtige strategische Korrekturen gegenüber bisher herrschenden Meinungen erforderlich sind.
 
 
Technische Fakultät
Wolfgang Finkelnburg-Preis 1997
 
Den Wolfgang Finkelnburg-Preis der Technischen Fakultät erhält Privatdozent Dr.-Ing. Dr. Ing. habil. Frank Vollertsen für seine Habilitationsschrift "Laserstrahlumformen - lasergestützte Formgebung: Verfahren, Mechanismen, Modellierung".
Die Arbeit von Herrn Vollertsen, die in Buchform im Meisenbach Verlag in Bamberg erschienen ist, ist eine erste Gesamtdarstellung der neuen Verfahren des Laserstrahlumformens und anderer lasergestützter generativer Fertigungsverfahren. Seine Arbeit ist in ihrer wissenschaftlichen Analyse und Bewertung für die Weiterentwicklung dieser Techniken in Wissenschaft und Praxis von hohem Wert. Das Laserstrahlumformen, ein Verfahren zur gezielten Formgebung von Blechteilen durch laserinduzierte Eigenspannungen, wird von Dr. Vollertsen mit besonderer Tiefe behandelt, seine Überlegungen zu den Formgebungsmechanismen fördern erheblich das Verständnis der Vorgänge und zeigen Anwendungsmöglichkeiten auf. Dies gelingt vor allem durch eine beispielhafte systematische Darstellung der Prozeßmodellierung.
Die Habilitationsschrift von Herrn Vollertsen ist eine Pionierleistung für das Verständnis und die Weiterentwicklung einer neuen lasergestützten Fertigungstechnik.
 
 
Mediendienst AKTUELL Nr. 1561 vom 30.10.1997

Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle) pressestelle@zuv.uni-erlangen.de
Stand: 30.10.1997