Einstimmige Entscheidung des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultäten I und II

Entziehung des Doktorgrades nicht zu vertreten

Weder vor noch nach seiner Promotion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sind Dr. Hans Schwerte alias Hans Schneider Tatsachen nachgewiesen worden, die einen Entzug der Doktorwürde rechtfertigen. Zu dieser Auffassung kam der Promotionsausschuß der beiden Philosophischen Fakultäten der FAU, der nach ausführlichen Beratungen einstimmig beschlossen hat, Schwerte/Schneider die im Jahr 1948 erworbene Doktorwürde nicht abzuerkennen. "Die Entziehung des Doktorgrades ist aus heutiger Sicht nicht zu vertreten", sagte der Ausschußvorsitzende, Prof. Dr. Helmut Neuhaus, bei einem Pressegespräch. Auch Rektor Prof. Dr. Gotthard Jasper stellte sich hinter diese Entscheidung.

Der Germanist Schwerte, von 1970 bis 1973 Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, hatte im April 1995 zugegeben, daß sein richtiger Name Hans Ernst Schneider sei und daß er während des Nazi-Regimes als Hauptsturmführer in der SS-Organisation "Ahnenerbe" tätig gewesen sei. Drei Mitglieder der Erlanger Philosophischen Fakultäten hatten daraufhin verlangt, die Verleihung des Doktortitels an Hans Schwerte zu widerrufen oder für ungültig zu erklären. In mehreren Sitzungen befaßte sich der Promotionsausschuß mit diesen Forderungen, hörte Gegner und Befürworter einer Entziehung des Doktorgrades, bezog auch die Meinungen studentischer Vertreter in seine Beratungen ein und griff auf eine juristische Stellungnahme der Universitätsverwaltung zurück.

In der Würdigung aller dabei vorgebrachten Argumente und aller bekannten Tatsachen stellten die Ausschußmitglieder fest, daß das Verhalten von Schwerte/ Schneider bis zur Promotion ebensowenig wie sein Verhalten ab 1948 eine Aberkennung des Doktortitels rechtfertigt. Ausschlaggebend war dabei, daß keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt ist. Zwar bejahte der Promotionsausschuß das Vorliegen eines Täuschungsdeliktes, stufte aber die Täuschung über Namen und Lebenslauf als nachgeordnet ein - anders als eine Täuschung über Prüfungsleistungen, die auch nach fast fünfzig Jahren ein ausreichender Grund für eine Entziehung des Doktorgrades gewesen wäre.

Berücksichtigt hat der Promotionsausschuß außerdem den Lebensweg des Germanisten Hans Schwerte nach 1948, insbesondere "sein Ansehen als Gelehrter, seine Verdienste in der akademischen Selbstverwaltung und sein im übrigen untadeliges Verhalten als Bürger", einen Wandel in den Auffassungen zur Würde eines Promovierten, die heute - anders als vor einem halben Jahrhundert - das Schwergewicht mehr auf wissenschaftliche Leistung als auf eine "besondere Würdigkeit" der Inhaber von Doktortiteln legen sowie den Umstand, daß unter dem Gedanken der Resozialisierung ein entzogener Doktortitel nach Verbüßung der Strafe und angemessener Frist wieder zuerkannt werden muß.

Hier der volle Wortlaut der Begründung, die der Promotionsausschuß für seine Entscheidung formulierte.

Kontakt:
Prof. Dr. Helmut Neuhaus, Vorsitzender des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultäten I und II, Lehrstuhl Neuere Geschichte I, Kochstraße 4, 91054 Erlangen,
Tel.: 09131/85 -29369


Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
Stand 14 .08.96
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