Zum 80. Geburtstag von Prof. Wolf-Dieter Keidel

"Objektive Audiometrie" untersucht Hörvermögen bei Kleinstkindern

 
Prof. Dr. Wolf-Dieter Keidel, von 1961 bis 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Physiologie und Direktor des bis 1965 einzigen Erlanger Physiologischen Instituts, dann des Instituts für Physiologie und Biokybernetik, vollendet am Sonntag, 14. Dezember 1997, sein 80. Lebensjahr. Das von ihm verfaßte "Kurzgefaßte Lehrbuch der Physiologie" hat sich als "der Keidel" Generationen von Studierenden eingeprägt. Auch heute noch verbringt der Jubilar, Erfinder der "Objektiven Audiometrie", täglich viele Stunden am Schreibtisch oder im Labor an seinen Computern.
 
Bereits im und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Wolf-Dieter Keidel in der Physiologie und in ihren Nachbargebieten, vor allem der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der biophysikalischen Technik und der späteren Biokybernetik Aufsehen erregt durch damals völlig neuartige wissenschaftliche Arbeitsmethoden und -ergebnisse. Früheste Publikationen aus den 40er Jahren beschäftigten sich bereits erfolgreich mit dem Ultraschall in der klinischen Diagnostik und dem Bau von Extremitäten- und Sehprothesen, denen sich Apparate zur rechnergestützten Sprachübertragung über Hautsensoren anschlossen. Hörprothesen durch Cochleaimplantate folgten in den 70er und 80er Jahren. Bei alledem handelte es sich um Pionierarbeiten, von denen manche erst Jahrzehnte später in der Luft- und Raumfahrtmedizin, in der medizinischen Spektrophotometrie und in der Ultraschallanwendung aufgegriffen und ausgebaut wurden.
 
Die wissenschaftlich bedeutendste Leistung Prof. Keidels ist jedoch die Entwicklung der "Objektiven Audiometrie", die er auf der Basis einer umfassenden "Objektiven Sinnesphysiologie" erstmals 1961 vorstellte. Sie nutzt "auditorisch evozierte Potentiale" aus dem EEG des wachen Menschen als einfache Wahrnehmungskorrelate, mit denen - vor allem bei Kleinst- und Kleinkindern - nachzuweisen ist, ob normales oder vermindertes Hörvermögen vorliegt. Weiterentwickelt wurde diese Methode zur "Brainstem Evoked Response Audiometry (BERA)"; beide sind seit annähernd 40 Jahren an so gut wie allen otologischen und neurologischen Kliniken des In- und Auslandes im Einsatz. Prof. Keidel war der erste in Europa, der aufgrund seiner 1957 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/USA an Großcomputern der ersten Generation gemachten Erfahrungen Laborcomputer in physiologischen Laboratorien nutzte und ihren Einsatz empfahl. Diese von ihm mit angestoßene Entwicklung - Prof. Keidel war 1963 Gründungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik - hat der Biokybernetik weltweit Geltung verschafft.
 
Mit seinem umfangreichen wissenschaftlichen Werk, das sich in rund 300 Publikationen niederschlug, hat er das Erlanger Institut für Physiologie und Biokybernetik (heute umbenannt in Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie) zu einer hochattraktiven, von vielen ausländischen Gastprofessoren gern besuchten Forschungsstätte vor allem der Biokybernetik und der physiologischen Akustik gemacht. Frühzeitig wurde er mit hohen, seltenen Auszeichnungen geehrt: als "Fellow of the Acoustic Society of America", Fellow des "MIT" und Mitglied der Academia Leopoldina 1965 sowie als o. Professur h.c. an der "Universidad de Concepcion/Chile" 1982; er erhielt den Haymann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde 1969 und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse sowie zahlreiche Ehrenmitgliedschaften, darunter die im Collegium Oto-Rhino-Laryngologicum Amicitiae Sacrum (Collegium ORLAS, 1963 / 1987) und 1985 in der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik.
 
Sein in sechs Auflagen erschienenes, auch ins Japanische und Spanische übersetztes "Kurzgefaßtes Lehrbuch der Physiologie" hat seinen Namen als "der Keidel" und damit den Inhalt seines Faches Generationen von Studierenden eingeprägt. Der Deutschen Physiologischen Gesellschaft hat Professor Keidel als ständiger Sekretär von 1957 bis 1963, als Vorsitzender 1969/1970 und als Ausrichter bedeutender Kongresse in besonderer Weise gedient; er war Dekan seiner Erlanger Medizinischen Fakultät 1964/65.
 
· Kontakt:
Prof. Dr. Karl-Heinz Plattig, Institut für Physiologie I,
Universitätsstraße 17, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -22296
 
 
Mediendienst AKTUELL Nr. 1589 vom 9.12.1997

Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle) pressestelle@zuv.uni-erlangen.de
Stand: 9.12.1997