FAU-Rektor Herrigel schrieb vor 50 Jahren Zen-Klassiker

Die Kunst des Bogenschießens

 
Ein FAU-Rektor als Autor eines Zen-Textes, das Weltruhm erlangte: Vor 50 Jahren schrieb Eugen Herrigel, von 1929 bis 1948 Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Philosophie, Dekan, Prorektor und Rektor der FAU, den Klassiker der westlichen Zen-Literatur. An ihn und sein Werk erinnert Hans Julius Schneider, von 1983 bis 1996/97 Professor am Interdisziplinären Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte und jetzt Lehrstuhlinhaber für Systematische Philosophie in Potsdam, am Sonntag, 27. April 1997, bei seinem Abschiedsvortrag im Erlanger Stadtmuseum. Der Vortrag mit dem Titel "Der Zen-Weg. Westliche Worte zu einer östlichen Praxis" beginnt um 11.00 Uhr.
 
Eugen Herrigel (1884-1955) wurde 1929 nach Erlangen als Nachfolger von Paul Hensel auf den Lehrstuhl für Systematische Philosophie berufen. Zuvor war er fünf Jahre lang ordentlicher Professor an der Kaiserlichen Japanischen Tohuku-Universität in Sendai und wurde mit der Würde eines japanischen Ehrendoktors ausgezeichnet. Die meisten seiner in Deutschland nach 1929 verfaßten Schriften befassen sich mit Kultur und Mentalität der Japaner.
 
Nicht eindeutig läßt sich Prof. Herrigels Rolle während des Dritten Reiches beurteilen. Seit Sommersemester 1938 war er Prorektor der FAU. Rektor Prof. Hermann Wintz überließ ihm jedoch weitgehend die Rektoratsgeschäfte. Zu Beginn des Wintersemesters 1944/45 wurde er Rektor und amtierte bis April 1945. Von der amerikanischen Militärregierung wurde er am 31. Mai erneut als Prorektor eingesetzt. Gemeinsam mit Prof. Wintz unterstützte er Oberst Lorleberg, die Stadt kampflos zu übergeben. Im Januar 1946 wurde Herrigel von der Militärregierung aus der Universität entlassen. 1948 wurde er wieder ordentlicher Professor und gleichzeitig in den Ruhestand versetzt. Im Sommer 1954 erhielt er auch die Rechte als Emeritus wieder.
 
Weltweites Ansehen erlangte Eugen Herrigel mit seinem 1948 herausgegebenen Buch "Zen in der Kunst des Bogenschießens", das inzwischen in der 36. Auflage erschienen ist und in 13 Sprachen übersetzt wurde.
 
Zen ist, wie es der 788 gestorbene Zen-Meister Baso Matsu ausdrückt, "das tägliche Bewußtsein. Dieses Bewußtsein ist nichts anderes als schlafen, wenn man müde ist, essen, wenn man hungrig ist."
 
Prof. Herrigel gilt nach Meinung verschiedener japanischer Zen-Meister noch heute als einer der wenigen Nicht-Japaner, die das Wesen des Zen begriffen haben. So schreibt er in seinem Buch beispielsweise: "Nun haben wir doch wohl das Schlimmste hinter uns", sagte ich zum Meister, als er eines Tages den Übergang zu neuen Übungen ankündigte. "Bei uns rät man", erwiderte er, "wer 100 Meilen zu laufen hat, solle 90 als die Hälfte ansehen."


Mediendienst Aktuell Nr. 1477 vom 23.4.1997

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Stand 18.3.1997