- Amerikaner rettete wichtige Quelle zur
Universitätsgeschichte aus dem Müll
Erlanger Stammbuch kehrte zurück
- Per Zufall ist die Universitätsbibliothek
seit Mitte Dezember um ein Stammbuch aus dem Jahr 1801 reicher
geworden. Das Buch ist eine wichtige Quelle zur Universitätsgeschichte
Erlangens.
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- Im November 2000 erreichte die Pressestelle
der Universität Erlangen-Nürnberg eine E-Mail aus Salem,
New Hamshire, USA, von einem Chemiker namens Dr. Daniel Zavisza.
Dr. Zavisza hatte dort vor 15 Jahren beim Abriß eines Hauses
in einer Schachtel mit alten Büchern und verschiedenem Plunder,
der wohl weggeworfen werden sollte, ein Erlanger Stammbuch aus
dem Jahre 1801 entdeckt. Dr. Zavisza zog das Buch aus dem Abfallhaufen
und nahm es an sich. Die Pressestelle informierte das Universitätsarchiv
und dieses wandte sich an die Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek.
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- Die Bibliothek nahm Kontakt mit Dr. Zavisza
auf, der anbot, das Stammbuch der Universität Erlangen-Nürnberg
zu schenken. Drei Wochen nach der ersten Kontaktaufnahme kam
das Stammbuch Mitte Dezember in Erlangen an. Dieses Stammbuch
aus dem Jahre 1801 gehörte dem Erlanger Jurastudenten Gottlieb
Friedrich Ferdinand Keim, dem Gründer des Corps Baruthia,
der zweitältesten, bis heute bestehenden Studentenverbindung
Deutschlands. Nur das Corps Onoldia, gegründet 1798, kann
auf eine noch längere Geschichte zurückblicken.
- Keim wurde am 10. März 1783 in Kulmbach,
damals Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, als Sohn eines Justizkommissärs
geboren. Nach dem Besuch des Lyzeums in Kulmbach immatrikulierte
sich Keim im Jahre 1801 als Student der Rechtswissenschaft an
der damals preußischen Universität Erlangen. In Erlangen
waren zu dieser Zeit nur vier Korporationen zugelassen: die Ansbacher,
die Berliner, die Westfalen und die Franken. Keim, zuerst Mitglied
bei den Ansbachern, trat wegen Reibereien zwischen Ansbachern
und Bayreuthern dort wieder aus und gründete im Jahre 1803,
als sich durch die Auflösung der Fränkischen Gesellschaft
die Möglichkeit dazu bot, eine eigene bayreuthische Landsmannschaft,
das spätere Corps Baruthia.
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- Bereits 1803 schloß Keim sein Studium
ab und war seit 1806 als Justizkommissar und Regierungsassessor
in Bayreuth tätig. Nach dem Übergang Bayreuths an Bayern,
lehnte Keim die Übernahme in den Bayerischen Staatsdienst
ab und war von da an als niedergelassener Anwalt und Notar tätig.
1848 wurde der bereits 65jährige Keim bei der Wahl zur Nationalversammlung
in der Frankfurter Paulskirche von Stadt und Umland Bayreuth
als Abgeordneter aufgestellt. In Frankfurt spielte er als Mitglied
im Ausschuß für Rechtspflege eine nicht unerhebliche
Rolle. Nach der Auflösung der Paulskirche war Keim noch
bis 1850 als Appellationsgerichtsadvokat und Wechselnotar in
Bayreuth tätig, wo er im Jahre 1868 verstarb.
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- Das Stammbuch ist außerordentlich gut
erhalten. Es enthält neben 275 Seiten mit Einträgen
auch acht kolorierte Radierungen bzw. Farbzeichnungen, darunter
eine Erlangen-Ansicht. Das Stammbuch wurde sehr sorgfältig
geführt - es hat sogar ein Namensregister - und ist fast
bis auf das letzte Blatt beschrieben. Einträge aus den Jahren
1801 bis 1803 finden sich aus Kulmbach, zum Beispiel von Professor
Fikenscher, sonst aus Erlangen. Die Eintragenden waren fast alle
Studenten, z. T. aus Polen, Graubünden, Westfalen usw. Vermutlich
repräsentierten sie den größten Teil der damals
in Erlangen Studierenden. Viele verwendeten die Zirkel ihrer
Studentenverbindungen. Häufig sind stichpunktartig Erinnerungen
an gemeinsame Fahrten, Bekanntschaften etc. aufgeführt.
Keim scheint viele Bekanntschaften bis ins hohe Alter gepflegt
zu haben, denn er trug Sterbekreuze ein, wenn der Betroffene
verstorben war.
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- Weitere Informationen:
Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Dr. Christina
Hofmann-Randall
Universitätsstraße 4, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -22158
Christina.Hofmann@bib.uni-erlangen.de
- Mediendienst aktuell Nr.2247 vom 20.12.2000
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