Collegium Alexandrinum
Das "Wurstgift" als Heilmittel
Im Rahmen der Vortragsreihe des Collegium Alexandrinum der Universität
Erlangen-Nürnberg spricht am Donnerstag, 7. Februar 2002,
um 20.15 Uhr im Hörsaal des Instituts für Biochemie
(Fahrstraße 17, 91054 Erlangen) Prof. Dr. Frank Erbguth,
Chefarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum Nürnberg,
über "Botulinumtoxin: Vom gefürchteten Gift zum
Heilmittel". Der Eintritt ist frei.
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- Das als Medikament zugelassene
Botulinumtoxin Typ A hat in den letzten Jahren die lokale Therapie
krankhaft gesteigerter Muskelaktivität revolutioniert. Neuerdings
sorgt das Gift auch als Therapiealternative bei vermehrtem Schwitzen,
bei Kopf- und Rückenschmerzen und sogar bei der Behandlung
von Gesichtsfalten für Aufsehen.
- Es war lange Zeit bekannt,
dass der Verzehr verdorbener Lebensmittel zur Erkrankung "Botulismus"
(lat. botulus = Wurst) mit oft tödlichen Muskellähmungen
führen kann. Der schwäbische Arzt und Dichter Justinus
Kerner hatte bereits Anfang des 19. Jahrhunderts die Idee, das
in den Lebensmittels vermutete "Wurstgift" zur Behandlung
von "krankhaften Übererregungen" der Nerven. zu
verwenden. 1895 wurde entdeckt, dass das Gift vom Bakterium
Clostridium botulinum gebildet wird. Mit einem Milligramm dieses
stärksten natürlichen Giftes, das auch für die
biologische Kriegführung präpariert wurde, könnte
man Tausende von Menschen töten. Erst 1973 kam der amerikanische
Augenarzt Alan Scott erneut auf die Idee, Botulinumtoxin zu Heilzwecken
einzusetzten.
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- In den 80er Jahren erprobte
man die Wirkung des Toxins bei der Gruppe der Dystonie-Erkrankungen
bei denen es durch Fehlsteuerungen des Gehirns zu willkürlich
nicht beeinflussbaren Muskelverkrampfungen kommt. Je nach befallener
Körperregion leiden die Betroffenen an krampfartig zugekniffenen
Augenlidern, an Fehlhaltungen des Kopfes, an Verkrampfungen der
Kiefermuskulatur oder an Verkrampfungen des Unterarms, der Hand
oder einzelner Finger beim Schreiben oder Spielen eines Instruments.
Auch krankhaft angespannte Schließmuskeln des Magen-Darm-
oder Urogenital-Trakts können durch Injektionen behandelt
werden.
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- Nach lokaler Injektion kann
Botulinumtoxin vermehrtes Schwitzen an den Händen und in
den Achselhöhlen für einige Monate bremsen Selbst
gegen die ständig laufende Nase bei der Rhinitis wurde das
Gift erfolgreich lokal verabreicht. Die durch Anspannung der
Gesichtsmuskeln entstehenden "Hyperaktivitätsfalten"
an Stirn und Schläfe kann man ebenfalls durch Unterspritzung
mit kleinen Mengen von Botulinumtoxin zum vorübergehenden
Verschwinden bringen. In den USA ist diese Anwendung bereits
ein "Renner".
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- Botulinumtoxin erschließt
auch in der Forschung neue Perspektiven: so können Neurologen
bei Dystoniepatienten aus der Veränderungen der Hirnaktivierung
vor und nach der Behandlung Erkenntnisse über die Fehl-Programmierung
der Gehirn-"Software" gewinnen. Die molekulare Forschung
interessiert sich für die Fähigkeit des Toxin-Moleküls,
in die Nervenzelle einzudringen.
Weitere Informationen
- Prof. Dr. Frank Erbguth
Klinik für Neurologie,
Klinikum Süd Nürnberg
- Tel.: 0911/ 398 -2491
Frank.Erbguth@rzmail.uni-erlangen.de
Mediendienst Aktuell Nr. 2690 vom
4.2.2002
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