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- BMBF-Forschungsverbund Personal Health
Monitoring
Sensoren als stete Begleiter
Die Messwerte geben Anlass zu Besorgnis: in den letzten Wochen
schwankte der Blutzuckerspiegel mehrmals bedenklich. Diese Informationen
hat der Arzt über einen Internetanschluss abgerufen. Der
Patient ging im Untersuchungszeitraum seinen alltäglichen
Beschäftigungen nach; über seinen Zustand wachten Sensoren,
die ihn ständig begleiten. So werden nach dem Plan eines
Forschungsverbunds, an dem die Klinik für Anästhesiologie
der Universität Erlangen-Nürnberg (Vorstand: Prof.
Dr. Jürgen Schüttler) wesentlichen Anteil hat, künftig
Patienten betreut und Gesundheitsrisiken begrenzt. Die Federführung
im Projekt "Personal Health Monitoring" liegt beim
Institut für Informationsverarbeitung der Universität
Karlsruhe.
Neben den zwei Hochschuleinrichtungen
sind zahlreiche Industriepartner an dem Vorhaben beteiligt. Das
Bundesforschungsministerium steuert annähernd 3,4 Millionen
Euro (das entspricht einer Förderquote von 45 Prozent) zur
Entwicklung eines tragbaren Systems bei, das Messwerte sammeln
und auswerten soll, die für das menschliche Befinden von
Belang sind. Über eine patientennahe Basisstation sollen
die Patientendaten an eine Datenbank gesendet werden, auf die
behandelnde Mediziner Zugriff haben. Steigt der Zuckergehalt
im Blut eines Diabetikers bedrohlich an, kann die adäquate
Therapie rechtzeitig in Gang gesetzt werden. Das Ziel ist es,
Notfälle zu vermeiden. Symptome, die zumeist nicht auffallen,
sollen frühzeitig erkannt werden, um im Einzelfall bestmöglich
und ereignisnah reagieren zu können.
Zugleich soll das Monitoring-System die Patienten nicht in ihrer
Bewegungsfreiheit einschränken. Eine langfristige oder auch
durchgehende Überwachung wäre möglich, ohne dass
ein Krankenhausaufenthalt nötig wird. "Zu Hause ist
das sehr viel preiswerter als stationär", führt
Dr. Norbert Lutter, der in Erlangen für das Projekt zuständig
ist, als eines der Motive der Verbundpartner an. Um ärztliche
Kompetenz in Anspruch zu nehmen, müsste nicht mehr unbedingt
eine Arztpraxis aufgesucht werden. Außerdem könnte
die "Direktverbindung" rund um die Uhr bestehen bleiben
und alle Auffälligkeiten registrieren, die im Tagesablauf
vorkommen. So ergibt sich eine Vielzahl zusätzlicher Informationen,
die für die Behandlung nutzbar sind. Die meisten Monitoringsysteme
in Kliniken für die dauerhafte Überwachung von Patienten
erfordern dagegen hohen Personaleinsatz und sind zumeist lebensbedrohlichen
Zuständen vorbehalten.
- Vier Parameter, die über den Gesundheitszustand
Auskunft geben, sind derzeit für das Personal Health Monitoring
ins Auge gefasst. Am weitesten gediehen sind die belastungsfreie
Messung des Blutdrucks und und die berührungsfreie Bestimmung
des Augeninnendrucks. Mehr Entwicklungsarbeit erfordern Sensoren,
die den Blutglukosegehalt nicht-invasiv bestimmen, die Haut also
unversehrt lassen. Schließlich sollen Atemgeräusche
diagnostisch nutzbar gemacht werden, beispielsweise um drohende
Asthmaanfälle möglichst frühzeitig zu erkennen.
- Bei einer kontinuierlichen, womöglich
in Echtzeit realisierten Überwachung entstehen enorme Datenmengen,
die sehr viel teure Übertragungszeit in Anspruch nehmen
würden. Außerdem wären die Informationen unaufbereitet
wenig geeignet, die ärztlichen Entscheidung zu unterstützen.
Das tragbare digitale System soll deshalb die Daten komprimieren
und so bearbeiten, dass sie für eine rasche medizinische
Diagnostik brauchbar sind. Für den Patienten ist dazu eine
Kombination aus einem PDA, einem persönlichen digitalen
Assistenten, und einem Mobiltelefon vorgesehen, das die vorverarbeiteten
Daten in ein Patientendaten-Managementsystem exportiert. Ein
Prototyp, der Signale von Elektrokardiogrammen verwaltet, ist
auf der letztjährigen Medica vorgestellt worden.
- Damit verbunden ist eine Reihe von Anforderungen.
Der Energiebedarf muss möglichst gering gehalten werden,
um Batterien oder Akkus nicht allzu schnell zu leeren. Die auf
dem zentralen Datenbankrechner eintreffenden Informationen müssen
eindeutig bestimmten Patienten zuzuordnen sein, und der Zugang
soll Berechtigten offen stehen, aber allen Unbefugten versperrt
bleiben. Im Projektverbund werden deshalb unter anderem Schnittstellen
auf der Grundlage des "Blue Tooth Protokolls" entwickelt.
- Der Kooperationspartner Deutsches Gesundheitsnetz
(DGN) in Düsseldorf bringt die Sicherheitstechnologie ein,
die für die Kommunikation über Web-Browser erforderlich
ist, und betreibt den Datenbankserver. Das Patientendaten-Managementsystem
nutzt die Applikation "Visiomedic" der Visionet GmbH
in Erlangen. "In unserer Klinik gibt es bereits ein digitales
Patientenverwaltungssystem, das kontinuierliche Monitordaten
übernimmt", berichtet Dr. Lutter. Der Firewall, der
die Datenverarbeitungsysteme der Universität schützt,
erschwert jedoch die sichere Kommunikation von schutzwürdigen
Patientendaten nach außen erheblich.
- Die in der Anästhesie vorhandene ärztliche
Kompetenz am Klinikum der Universität Eröangen-Nürnberg
fließt in das Verbundprojekt ein, und die verschiedenen
Entwicklungsstufen des geplanten Systems werden hier klinisch
getestet. Das Monitoring von gefährdeten Patienten ist das
ureigenste Betätigungsfeld von Anästhesisten, da ihnen
bei jeder Narkose die Überwachung und gegebenenfalls die
Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Körperfunktionen
anvertraut ist. Dieses Fachwissen wird nun aus dem Operationssaal
und der Intensivstation auf weite Bereiche der Gesundheitskontrolle
übertragen.
Weitere Informationen
- Dr. Norbert Lutter
Klinik für Anästhesiologie
Tel.: 09131/85 -36142, -34022
Norbert.Lutter@kfa.imed.uni-erlangen.de
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- Um zur Bestimmung des Blutdrucks die Pulstransitzeit
messen zu können, ist es nötig, zur Ermittlung von
Start- und Zielzeitpunkt einer Pulswelle zwei kardiovaskuläre
Parameter simultan zu erfassen: Entweder zwei Pulswellen (Handgelenk
- Finger) oder Elektrokardiogramm und Pulswelle für die
mittlere Transitzeit.
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Mediendienst FORSCHUNG Nr. 624 vom 20.03.2002
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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