- Besucherbefragung im Auftrag des Nürnberger
Verkehrsmuseums
Dampflok und E-Mail:
Alte Liebe, neuer Kontakt
Wahre Leidenschaft schwindet nicht mit der Zeit. Eisenbahnen behalten
ihre Anziehungskraft für den, der einmal ihrer Faszination erlegen ist. Von
der Treue der Eisenbahnliebhaber profitiert das Verkehrsmuseum in Nürnberg: eine
große Gruppe von Eisenbahnfans lässt sich immer wieder dort blicken. Knapp
die Hälfte aller Besucher kommt zumindest ein zweites Mal, ein rundes
Drittel findet sich im Zeitraum von fünf Jahren häufiger ein. Wird der
“Dinosaurier des Industriezeitalters” die Konkurrenz mit einer wachsenden
Zahl von Themenausstellungen und interaktiven Angeboten der Museen bestehen?
Sozialwissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg unter der Leitung
von Prof. Dr. Gert Schmidt suchen nach Charakteristika der Besucherschar,
sondieren ihre Interessenslage, sammeln Kritik und Anregungen. Schon die
ersten bisher gewonnenen Antworten sind nützlich für die Umgestaltung des DB
Museums.
Dass auffallende viele junge Eltern das Museum als Ziel für einen
Familienausflug wählen, darf beispielsweise nicht außer Acht gelassen
werden. Rund 42 Prozent der Eintrittskarten sind für Kinder bestimmt.
Jugendliche und junge Erwachsene dagegen lassen sich unter den Besucherinnen
und Besuchern selten ausmachen. “Es ist typisch, ein Museum, das man als
Kind kennen gelernt hat, erst wieder mit den eigenen Kindern zu besuchen”,
erläutert Dr. Aida Bosch, die gemeinsam mit Thilo Heyder, Dr. Markus
Promberger und Stefan Breuer an der Studie arbeitet. Die Altersgruppe
zwischen 14 und 25 Jahren in das Museum zu locken, gelingt meist nur mit
Sonderveranstaltungen, etwa musikalischen “Events”.
Zugleich ist diese Gruppe ein Hoffnungsträger für die Sparte des Museums,
die nicht auf ein Stammpublikum bauen kann. Im Nürnberger Verkehrsmuseum
sind das Deutsche Bahn-Museum und das Museum für Kommunikation vereint, die
auf unterschiedliche Art Aufmerksamkeit beanspruchen. Schwarz und rot
lackierte Prachtstücke mit Heizkessel, robustem Gestänge und Dampfpfeife,
die man begeistert oder gerührt betrachten und sogar anfassen kann, oder
eine Fahrt im Lokomotivführerstand hat das Kommunikationsmuseum nicht zu
bieten. Für die nachindustrielle Gesellschaft jedoch ist “Kommunikation”
eine Schlüsselkategorie, ein Thema, das gerade Heranwachsende beschäftigt.
Da eben begonnen wurde, dieses Museum zu modernisieren, ist die Chance
gegeben, Besucher im Alter um die zwanzig Jahre hinzu zu gewinnen.
Ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung des Publikums wird sich nicht so
schnell ändern: fast zwei Drittel der Schaulustigen im Verkehrsmuseum sind
männlich. Die Technik, die hier im Mittelpunkt steht, wirkt auf Männer
weitaus anziehender. Das neue Konzept soll nicht nur Technikfreaks, sondern
ein geschichtlich interessiertes Publikum ins Haus bringen. Mit der Schulbildung wächst das Interesse an den
Verkehrs- und Kommunikationsstrukturen der Vergangenheit. Das Erweitern und
Vertiefen von Wissen nimmt den zweiten Rang unter den am häufigsten
genannten Motiven ein; an erster Stelle steht der Wunsch, “mit der Familie
etwas zu unternehmen”.
800 Museumsbesucherinnen und -besucher haben standardisierte Fragebögen für
die Studie ausgefüllt, die vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum
Nürnberg und dem Institut für Soziologie in Erlangen gemeinsam getragen
wird. Studierende der Universität Erlangen-Nürnberg führten außerdem offene
Interviews, koordinierten Gruppendiskussionen und waren als Beobachter vor
Ort, etwa um per Stoppuhr festzuhalten, wie lange bestimmte Exponate zum
Verweilen einladen, oder um zu prüfen, ob und wie neue Medien in der
Ausstellung genutzt werden. Nach der Auswertung der Ergebnisse ergaben sich
in der Diskussion mit Vertretern beider Museen neue Fragen, die eine zweite
Phase der Studie einleiteten.
Besondere Interessen von Kindern und Jugendlichen und die spezielle
Situation von Schulklassen im Museum werden die Vorgehensweise der
Sozialwissenschaftler diesmal stärker bestimmen. Die Antworten sollen
helfen, Museumspräsentationen für junge Besucher erlebnisreich zu gestalten.
Wenn der erste Ausflug ins Verkehrsmuseum als “Super-Trip” im Gedächtnis
bleibt, ist nicht zu befürchten, dass die Eisenbahnbegeisterung demnächst
ausstirbt.
Weitere Informationen
Dr. Aida Bosch
Institut für Soziologie
Tel.: 09131/85 -22088
aabosch@phil.uni-erlangen.de

Der Triebkopf des TEE steht in der Fahrzeughalle II des Deutsche Bahn
Museums.

Im Ausstellungsbereich “Auf getrennten Gleisen - Die Reichsbahn und die
Bundesbahn 1945 - 1989” hat das Goggo-VT 98 einen Platz gefunden.
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 638 vom 10.10.2002
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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