- Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe Quanteninformationstheorie
Signale aus der Superposition
Quantencomputer gibt es nicht. Vielleicht können solche
Rechner, die an Stelle von elektrischer Leitfähigkeit auf
nicht-klassische Eigenschaften der Materie bauen, bald hergestellt
werden, vielleicht bleibt das noch lang ein Wunschtraum. Dagegen
ist die Quanteninformationstheorie weit fortgeschritten, und
das Teilgebiet der Quantenkommunikation kommt auch ohne die neuartigen
Computer aus. "Wir wollen herausfinden, was man heute schon
machen kann und machen sollte", umreißt Dr. Norbert
Lütkenhaus das Programm, dem er und seine zwei Mitarbeiter
sich verschrieben haben. Das Arbeitsgebiet mag fantastisch wirken;
der Ansatz der Gruppe am Physikalischen Institut der FAU ist
pragmatisch.
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- Ansatz, Vorgehensweise und die Richtung,
die seine Forschungen einschlagen, kann Dr. Lütkenhaus bestimmen.
Seine Teammitglieder - den Doktoranden Marcos Curty und Dr. Peter
van Loock als Postdoc - hat er selbst ausgesucht. Das Emmy-Noether-Programm
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das die Einrichtung
der Nachwuchsgruppe Quanteninformationstheorie im September 2001
ermöglichte, lässt sorgfältig ausgewählten
jungen Wissenschaftlern große Freiräume.
- Eben diese Unabhängigkeit hat Norbert
Lütkenhaus dazu bewogen, eine gut dotierte Stelle in einem
Technologieunternehmen in den USA aufzugeben und nach Deutschland
zurückzukehren, um ein auf höchstens vier Jahre begrenztes
Projekt zu übernehmen. Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht,
doch er hatte erlebt, dass die Arbeit in einem Unternehmen mehr
und mehr "ins Management führt". Ein sehr junges
Feld der Forschung ganz nach eigenen Vorstellungen zu beackern,
war von größerem Reiz. Am Lehrstuhl für Optik
von Prof. Dr. Gerd Leuchs, der das Drei-Mann-Team unterstützt,
findet sich in der Arbeitsgruppe zur Quanteninformationsverarbeitung
unter Leitung von Dr. Natalia Korolkova die ideale thematische
Ergänzung.
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- Mehr als alle Zeit des Universums
Wenn sie gebaut werden könnten, würden Quantencomputer
bestimmte Aufgaben unvergleichlich schneller und effektiver lösen
als die ausgeklügeltsten Hochleistungsrechner vom konventionellen
Typus. Deren Arbeits- und Speicherkapazität kann erstaunlich
rasch überfordert sein. Manche Probleme sind heute für
eine bestimmte Eingabelänge innerhalb einer Sekunde lösbar.
Für eine doppelt so lange Eingabe sind bereits Rechenzeiten
erforderlich, die weit über der Lebensdauer unseres Universums
liegen. Wo ein geringfügiger Anstieg der Problemgröße
die Anzahl der Schritte zur Lösung derart vermehrt, hilft
der Zuwachs an Leistung und Geschwindigkeit, den der technische
Fortschritt bei klassischen Rechensystemen liefert, nicht weiter.
- Ein Beispiel für ein solches Problem
ist die Zerlegung großer Zahlen in die Primzahlen, durch
die sie geteilt werden können. Die abhörsichere Übertragung
von Daten ist darauf gegründet, dass kein Weg bekannt ist,
diese Aufgabe mit konventionellen Rechnern zu bewältigen
- allerdings nur, weil sie dafür viel zu lange brauchen.
So wird der Begrenztheit ein nützlicher Effekt abgewonnen.
Bewiesen ist außerdem, dass Quantencomputer an dieser Hürde
nicht scheitern würden und gebräuchliche Codes knacken
könnten. Mit der Geheimhaltung von Botschaften, die auf
elektronischem Weg versendet werden, wäre es dann vorbei.
- Die Theorie, die den wunden Punkt der gängigen
Verschlüsselungssysteme offenlegt, liefert zugleich die
Basis für eine neue, sichere Verteidigungslinie. Werden
quantenmechanische Signale eingesetzt, ist die Abhörsicherheit
der Datenübertragung durch die Naturgesetze garantiert.
Der Lauscher, der sich in die Kommunikation einzuschalten versucht,
verrät sich, weil er dabei die Signale verändert. Allerdings
sind die hier benötigten Quantenzustände recht empfindlich
gegen Verluste und Rauschen in der Übertragung, so dass
zwei Kommunikationspartner - von den Informationstheoretikern
stets "Alice" und "Bob" genannt - nicht genau
wissen können, ob "Eve" als Dritte mithört
oder andere Fehler aufgetreten sind. Daher muss sichergestellt
werden, dass jeder Abhörversuch misslingt.
- Die Forschungsgruppe sucht nach Verschlüsselungsmethoden,
die optimalen Schutz bieten und praktikabel sind. Zum Test neuer
Ideen für die Quantenkryptographie treten die Teammitglieder
manchmal als Verteidiger der Privatsphäre und Spion gegeneinander
an. "Die Rolle der Eve mag ich am liebsten", verrät
Norbert Lütkenhaus. "Es macht Spaß, den Hebel
zu finden, mit dem man einbrechen kann, und dann die Schwachstelle
zu minimieren." Wenn Signalzustände geschickt gewählt
werden, so dass sie einfach zu verwirklichen sind und ein tolerierbares
Maß an Empfindlichkeit aufweisen, sind außer der
Geheimhaltung von Nachrichten weitere Anwendungen denkbar, die
Probleme der heutigen Kommunikationstheorie überwinden können.
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- Unbegrenzte Möglichkeiten
Wie lassen sich diese Zustände kennzeichnen, die zumindest
in der Theorie kontrollierbar sind, was würde Quantencomputern
ihre Überlegenheit verleihen? Die Schwierigkeit, dies begreiflich
zu machen, liegt darin, dass es in unserem Alltag nichts Vergleichbares
gibt. Menschliches Verstehen beruht auf Analogien zu Bekanntem.
Wir gehen davon aus, dass ein bestimmter Tatbestand jede Alternative
ausschließt. Superposition bedeutet dagegen ein Nebeneinander
mehrerer Möglichkeiten, das so lange bestehen bleibt, bis
eine davon bei der Messung an einem System real wird. Zuvor jedoch
lassen sich Superpositionen ausnutzen, um globale, für alle
Möglichkeiten gültige Eigenschaften auszulesen und
zu bestimmen.
- Dass Licht als Teilchen und als Welle betrachtet
werden kann, dass Lichtwellen einander ähnlich wie die Wellen
einer Meeresoberfläche auf komplizierte Weise überlagern,
öffnet eine Hintertür zu Bildern aus der Erfahrung.
Überlagerungszustände in prinzipiell unbegrenzter Zahl
kennt nicht nur das Licht, sie sind im atomaren Bereich der Normalfall.
Seit den Anfängen der Quantenphysik versuchen Wissenschaftler
zu verstehen, auf welche Weise eine Messung zur Auswahl einer
Möglichkeit führt. Weitergekommen ist man eigentlich
nicht. Das ist jedoch kein Hindernis für moderne Forschung.
"Ich muss das nicht verstehen, ich muss damit umgehen können",
sagt Dr. Lütkenhaus.
- Lichtstrahlen machen es heute schon möglich,
einiges von dem zu verwirklichen, was die Quanteninformationstheorie
an Vorschlägen bietet. Licht lässt sich manipulieren,
beispielsweise über teildurchlässige Spiegel. Es kann
polarisiert werden und hält dann eine bestimmte, erkennbare
Schwingungsrichtung ein. Damit sind Verfahren der Quantenkryptographie
realisierbar.
- Einige Probleme begrenzen allerdings bisher
die Reichweite der Methode: Glasfaserkabel, die Licht weiterleiten,
drehen die Polarisation und verlieren unterwegs an "Fracht".
Um die extrem schwachen Signale nachzuweisen, sind aufwändige
Technologien erforderlich. Trotzdem können Distanzen von
etwa zehn Kilometern in Glasfasern oder, wie eine Münchner
Arbeitsgruppe demonstriert hat, auf direktem Weg durch die Luft
mittels schwacher Laserpulse überwunden werden. Diese Technik
ließe sich zum Beispiel zwischen Hochhäusern in Ballungsgebieten
oder vom Erdboden zu Satelliten einsetzen.
- Obwohl heute noch keine universelle Maschine
mit Quantenzuständen arbeitet, fehlt es also nicht an Techniken,
die jetzt schon Bausteine dazu heranschaffen. Manche Puzzleteile
greifen so weit ineinander, dass einzelne Umsetzungen der Informationstheorie
möglich sind. Die Nachwuchsgruppe in Erlangen orientiert
sich am Anwendbaren und behält dabei das Gesamtbild im Auge,
dessen Konturen sich allmählich abzeichnen. Ein weitgehend
solides und erprobtes theoretisches Fundament wartet auf seinen
Einsatz. Dr. Lütkenhaus schildert die Situation so: "Bisher
wurden noch nicht einmal Quanten-Taschenrechner gebaut, aber
die Programme für den Quantencomputer stehen schon bereit!"
- Informationen über das Emmy-Noether-Programm
der DFG sind im Internet unter www.dfg.de/aufgaben/emmy_noether_programm.html
zu finden. Die Nachwuchsgruppe Quanteninformationstheorie präsentiert
sich unter www.optik.uni-erlangen.de/leuchs/qit/.
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- Weitere Informationen
- Dr. Norbert Lütkenhaus
Tel.: 09131/85 -28375
luetkenhaus@physik.uni-erlangen.de
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- Kann "Eve" den Datenaustausch
von "Bob" und "Alice" belauschen? Dr. Norbert
Lütkenhaus (rechts) diskutiert Methoden der Geheimhaltung
durch den Einsatz der Quantenkommunikation mit seinen Mitarbeitern
Marcos Curty und Dr. Peter van Look.
- Foto: FAU
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Mediendienst FORSCHUNG Nr. 623 vom 13.03.2002
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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