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- Ukrainer und Chinese sind die ersten IT-Spezialisten
Mit der Green Card zum Traumjob an der Uni
Sie sind zwei von rund 8000. Deutschland war ihr Traumziel.
Jetzt haben sie es geschafft. Ihor Mys und Ruiping Shi sind die
ersten beiden Mitarbeiter der Universität Erlangen-Nürnberg
mit einer Green Card. Der IT- und Laserspezialist Ihor Mys arbeitet
seit Anfang Mai am Lehrstuhl für Fertigungstechnologie von
Prof. Dr. Manfred Geiger. Ruiping Shi hat sein Büro im Wolfgang-Händler-Hochhaus
am Lehrstuhl für Mustererkennung von Prof. Dr. Heinrich
Niemann bereits im Februar 2000 bezogen.
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- Hell und modern präsentieren sich die
Arbeitsräume auf dem Röthelheim-Campus in Erlangen,
wo die Arbeitsgruppe Mikrotechnik des Lehrstuhls für Fertigungstechnologie
angesiedelt ist. In den ehemaligen Kasernengebäuden sind
Computerräume und Versuchshallen dicht aneinandergereiht.
Alles dreht sich hier um Laser. Auch Ihor Mys ist längst
der Faszination des hochenergetischen Strahls verfallen. Er arbeitet
in einem Projekt zum Mikrolöten und Mikro-schweißen
mit Festkörperlasern, so genannten Nd:YaG-Lasern. "Schon
im Studium an der Staatlichen Technischen Hochschule L'viv habe
ich mich intensiv damit beschäftigt", erzählt
Mys. "Durch die Hochschulpartnerschaft zwischen L'viv und
der Nürnberger Fachhochschule konnte ich meine Diplomarbeit
in Deutschland anfertigen." Drei Monate war er 1999 in Nürnberg,
um sich mit Festkörperlasern zu befassen. Auch sein nächster
Aufenthalt in Deutschland führte den Ingenieur nach Nürnberg:
"In war von August 2000 bis Ende März 2001 an einem
Industrieprojekt an der Fachhochschule beschäftigt."
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- Spätestens nach der halbjährigen
Praxiserfahrung mit der deutschen Arbeitswelt war klar, dass
er noch einige Zeit in Deutschland arbeiten wollte. "Die
Green Card-Initiative der Bundesregierung hat mich ermutigt,
es mit einer Bewerbung zu versuchen", erklärt Mys.
Ohne die im Jahr 2000 eingeführte Neuerung wäre es
für ihn schwierig gewesen, eine Aufenthaltserlaubnis in
Deutschland zu bekommen. So schrieb der IT- und Laserspezialist
jedoch rund ein Dutzend Bewerbungen und freute sich über
die positive Resonanz. "Ich konnte schließlich auswählen,
wo ich arbeiten wollte." Den Ausschlag für die Universität
Erlangen-Nürnberg hat schließlich die Promotionsmöglichkeit
gegeben. Auch Prof. Dr. Manfred Geiger, Lehrstuhlinhaber für
Fertigungstechnologie, und Gerd Eßer, der Geschäftsführer
des Bayerischen Laserzentrums, waren nach dem Vorstellungsgespräch
vom jungen Ukrainer angetan. "Er bringt viel Spezialwissen
mit, hat bereits Einblick in die deutsche Hochschullandschaft
gehabt und braucht daher weniger Einarbeitungszeit. Außerdem
spricht er sehr gut deutsch", lobt Prof. Geiger seinen neuen
Mitarbeiter.
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- Lernhilfen von der Deutschen Welle
Überwiegend im Selbststudium hat sich Mys die Sprachkenntnisse
angeeignet. "Fünf Jahre Schulunterricht waren umsonst
gewesen. Ich hatte alles vergessen". Ein zweimonatiger Sprachkurs
in Zwickau im Rahmen des Tempus/Lingua-Programmes schuf wieder
eine Grundlage. "Schon davor und auch danach hörte
ich Radio Deutsche Welle aus Kiew. Und als ich nicht mehr weiter
wusste, habe ich die Redakteure um Hilfe gebeten. Sie schickten
mir dann vier Lehrbücher", erzählt Ihor Mys über
sein Sprachstudium.
Sein größter Wunsch ist jetzt, dass seine Frau bei
ihm sein kann. Sie war noch bis Ende Juni als Laborantin an der
Universität in L'viv beschäftigt. "Dann",
so ist er sich sicher, "lässt sich auch das größte
Problem lösen: eine eigene Wohnung zu finden." Bislang
wohnt der Ukrainer noch bei einem Freund in Nürnberg, der,
ebenfalls mit einer Green Card ausgestattet, als Programmierer
bei einer Softwarefirma arbeitet. Kontakte zu vielen anderen
Studienfreunden kann er hingegen nur per E-mail pflegen. "Die
meisten von ihnen arbeiten in England oder den USA - wegen der
Sprache". Für ihn jedoch hat sich die mühevolle
Beschäftigung mit der deutschen Sprache gelohnt. "Es
ist einfach wunderbar hier", lautet sein knappes Fazit.
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- Das findet auch Ruipeng Shi, wenn er aus
seinem Büro im sechsten Stock des Wolfgang-Händler-Hochhauses
den Blick über die Technische Fakultät in Erlangen
und die umliegenden Wälder schweifen lässt. Doch dazu
hat der Chinese aus Shanghai nur selten Zeit. Meistens sitzt
er vor seinen drei Arbeitsplatzrechnern und gestikuliert. Was
nach Nervosität aussieht, ist hochkonzentrierte Arbeit.
Denn das Arbeitsgebiet von Shi ist die Gestikerkennung am Computer.
Im Rahmen eines Verbundprojektes zur Interaktion von Mensch und
Technik entwickelt er seit Februar 2000 Module, die Gesten sprachlichen
Äußerungen zuordnen und gemeinsam interpretieren.
An einem Kinoauskunftssystem kann das bereits exemplarisch erprobt
werden. Unklare oder unvollständige sprachliche Eingaben
werden durch die Verbindung mit den dazugehörigen Zeigegesten
richtig interpretiert. "Das ist für mich als Nicht-Muttersprachler
natürlich sehr wichtig", witzelt der dreißigjährige
Ruipeng Shi, der zur Verständigung nicht auf seine technische
Entwicklung zurückgreifen muss.
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- "Fränkisch" und Latein
als Fremdsprachen
Eloquent und mit deutlich fränkischem Einschlag erzählt
er über sich und sein Studium: Zunächst Elektrotechnikstudium
in Shanghai, dann Arbeit als Ingenieur in einem chinesischen
Stromversorgungsunternehmen. "Über eine deutsche Bekannte
meiner Eltern hatte ich schon viel über Deutschland und
die deutsche Kultur erfahren. Es war klar: ich muss dorthin.
Außerdem wollte ich mich noch weiter qualifizieren",
beschreibt er seine Motivation. Ende 1996 stieß er im Internet
zufällig auf den internationalen Studiengang Computational
Engineering der Universität, bewarb sich und wurde ausgewählt.
Nach einem zweimonatigen Deutschkurs waren seine Sprachkenntnisse
bereits so weit fortgeschritten, dass er mit dem Studium 1997
beginnen konnte. "Sprachenlernen ist mein Hobby. Es fällt
mir sehr leicht", lautet seine Erklärung für das
rasante Lerntempo. Auch das Masterstudium absolvierte er in der
Regelstudienzeit mit sehr gutem Erfolg.
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- Grund genug für Prof. Dr. Heinrich Niemann,
Inhaber des Lehrstuhls für Mustererkennung, ihm eine Promotionsstelle
anzubieten. Besonders schätzt er die ungebändigte Neugierde
seines Mitarbeiters, der aus Interesse an europäischer Kultur
in Shanghai auch schon Latein gelernt hatte. Aber das war keine
Bedingung für die Beantragung der Green Card, die er als
Wissenschaftler streng genommen auch gar nicht gebraucht hätte.
Während der Projektlaufzeit ist der Aufenthalt eigentlich
gesichert. Shi: "Ich wollte unabhängig sein und auf
jeden Fall ein paar Jahre hier arbeiten können". Zumindest
so lange, wie seine Frau an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Fakultät "International Business" studiert. Vielleicht
werden sie dann wie viele der Absolventen der internationalen
Studiengänge einem verlockenden Stellenangebot aus den USA
folgen. Eine "Verlängerung" in Erlangen ist aber
nicht ausgeschlossen. Shi: "In der Region gibt es hochinteressante
Arbeitsplätze. Im Vergleich zu Shanghai oder anderen Riesenstädten
ist das Leben hier jedoch beschaulich. Das weiß ich sehr
zu schätzen".
Mediendienst Aktuell Nr. 2475vom 23.7.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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