-
- Einsatz der Strahlentherapie bei der Behandlung
verengter Koronararterien
Strahlenquelle im Herzkranzgefäß
-
- Die Operation war erfolgreich: Engstellen
in den Herzkranzgefäßen sind beseitigt, die akute
Gefahr eines Infarkts ist gebannt. Doch einige Monate oder auch
ein Jahr später wird die Blutzufuhr an genau denselben Stellen
wieder abgeschnürt. Neue Risikofaktoren entstehen zugleich
mit dem Eingriff, der Abhilfe schafft. Bis zur Hälfte der
Patienten haben deshalb mit einem Rückfall zu rechnen, wenn
Koronararterien geweitet werden müssen. Eine Strahlenquelle,
die in die Blutgefäße eingeführt werden kann
und intensive, auf geringe Distanz wirksame Strahlung abgibt,
könnte diesen Prozentsatz erheblich verringern. Am Klinikum
der Universität Erlangen-Nürnberg wird der Einsatz
eines solchen Systems erprobt - bisher durchgängig mit ermutigenden
Ergebnissen.
Aus USA wurden bereits Erfolge der Therapie gemeldet, die eine
Gefäßerweiterung (Koronarangioplastie) mit einer Bestrahlung
kombiniert. Dagegen gibt es in Deutschland nicht viele Erfahrungen
mit dieser neuen Behandlungsmethode. In Erlangen begann die Kooperation
der Medizinischen Klinik II und der Klinik für Strahlentherapie
mit einer Verlaufsbeobachtung. "Unter 15 Patienten, die
wir auf diese Weise behandelt haben, gab es zwölf Monate
später keinen einzigen Fall, bei dem die Herzarterien wieder
verengt waren", berichtet Priv.-Doz. Dr. Vratislav Strnad,
der zusammen mit Priv.-Doz. Dr. Josef Ludwig eine Studiengruppe
zu der neuen Therapie leitet. Nun beginnt eine weitere, umfassendere
Untersuchung, die zufallsbedingte Verfälschungen der Ergebnisse
ausschließen soll.
-
- Als Strahlentherapeut ist Dr. Strnad in der
Forschungskooperation für den Teil der Behandlung zuständig,
der den Namen "Brachytherapie" erhalten hat, abgeleitet
vom griechischen Wort für "kurz", da die eingesetzte
Strahlung nur sehr begrenzte Reichweite hat. Am Universitätsklinikum
wird dazu ein neues technisches System der Firma Novoste verwendet,
eine Strahlenquelle, die hydraulisch in einem Katheter an den
Zielort in der Arterie gebracht und ebenso wieder entfernt wird.
Sie enthält Strontium-90 oder Yttrium-90, Substanzen, die
Beta-Strahlung abgeben.
- Nur wenige Minuten lang wirkt die Strahlung
von der Innenseite auf das eben erweiterte Gefäß ein.
Diese kurze Zeit genügt, um einen Prozess zu unterbinden
oder zumindest zu bremsen, der zur Rezidiv-Stenose, der neuerlichen
Verengung, wesentlich beiträgt. Beim Erweitern der Arterien
kann die innerste Schicht der Gefäßwand leicht verletzt
werden. Winzige Risse entstehen, und der Organismus versucht
gegenzusteuern - zunächst durch Blutgerinnung, dann durch
neugebildete Zellen, die aus den äußeren Schichten
einwandern. Der Selbstheilungsmechanismus baut damit erneut eine
Engstelle auf. Die Strahlendosis soll deshalb den umliegenden
Zellen die Fähigkeit zu übermäßigem Wachstum
nehmen.
-
- Ballons und stützende Röhren
- Das Ziel der Koronarangioplastie, die dauerhafte
Versorgung des Herzmuskels mit sauerstoffhaltigem Blut zu sichern,
kann auch durch andere Vorgänge vereitelt werden. Nach der
Ballondilatation, bei der ein kleiner, zylindisch geformter Ballon
an den rechten Ort gebracht und aufgeblasen wird, fällt
das Gefäß manchmal an der behandelten Stelle spontan
in sich zusammen. In anderen Fällen vernarbt das Gewebe,
die Arterie verhärtet sich und schrumpft.
-
- Um dem vorzubeugen, sichern Kardiologen die
Aufweitung immer häufiger durch röhrenförmige
Gefäßstützen ab, sogenannte Stents. Sie verhindern,
dass die Arterie kollabiert, und halten die Gefäßschrumpfung
auf. Die Quote der Rückfälle kann damit auf 25 bis
30 Prozent gesenkt werden, wenn auch nur bei ausreichend großen
Gefäßen und deutlich abgegrenzten Engstellen. Gegen
unerwünschtes Zellwachstum helfen Stents allerdings nicht;
im Gegenteil verstärken sie sogar die Neubildung von Gewebe,
wachsen ein und komplizieren dadurch möglicherweise notwendige
Nachfolge-Eingriffe.
-
- Beta-Strahlung bevorzugt
- Stents werden in den Studien am Erlanger
Universitätsklinikum ebenfalls eingesetzt, doch nun durch
die Bestrahlungstherapie ergänzt, die das "Zuwachsen"
der Herzarterien abblocken soll. Hochenergetische Beta-Strahler
mit niedriger Eindringtiefe wurden wegen mehrerer Vorteile anderen
Möglichkeiten vorgezogen. Die Strahlen wirken örtlich
begrenzt, dort, wo sie wirksam sein sollen, und die Behandlungsprozedur
wird nur um eine kurze Frist verlängert. Das medizinische
Personal muss nicht entweder riskieren, eine Dosis der Strahlung
aufzufangen, oder größtenteils vorsichtshalber den
Raum verlassen.
-
- Schätzungsweise 350.000 Patienten mit
schweren Durchblutungsstörungen könnte die Koronarangioplastie
mit Brachytherapie in Deutschland jährlich vor dem Herzinfarkt
bewahren. Wenn die Wirksamkeit der Brachytherapie sich bestätigt,
steigt für viele von ihnen die Chance, dass das Herz noch
jahrelang zuverlässig weiterarbeiten wird. Für Dr.
Strnad ist auch die Behandlung von Dialysepatienten oder von
verengten Blutgefäßen in den Beinen mit diesem Verfahren
denkbar: "Das Indikationsspektrum ließe sich noch
erweitern." Solcher Zuversicht stehen allerdings hohe Kosten
entgegen. Jede Kurzzeit-Beta-Bestrahlung verbraucht Material
im Wert von mehr als 2.000 Euro.
-
- Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. Vratislav Strnad, Klinik und Poliklinik für
Strahlentherapie
Universitätsstraße 27, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -33419, Fax: 09131/85 -39335
E-Mail: vratislav.strnad@strahlen.med.uni-erlangen.de
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 604 vom 09.07.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de