Das Herz in vier Dimensionen
- Nur 30 bis 40 Sekunden Untersuchungszeit
sind mit modernen Computertomographie-Geräten nötig,
um eine qualitativ hochwertige, dreidimensionale Abbildung von
Herz und Herzkranzgefäßen aufzubauen. Da das Herz
in allen Bewegungsphasen dargestellt wird, kommt zu den drei
Raumrichtungen sogar noch eine vierte Dimension hinzu: die Zeit.
Das Institut für Medizinische Physik an der Universität
Erlangen-Nürnberg hat mit der 4D-Bildgebung einen Weg für
frühzeitige Untersuchungen am Herzen eröffnet, der
geeignet ist, die bisher übliche, für Patienten sehr
belastende invasive Koronarangiographie zu ersetzen. Die Arbeitsgruppe
unter der Leitung von Prof. Dr. Willi Kalender konzentriert sich
unter anderem darauf, die Strahlendosis beim Einsatz der Computertomographie
zu reduzieren.
-
- Die theoretischen Grundlagen für die
vierdimensionale Darstellung des Herzens, die durch den Pulsschlag
kaum noch verzerrt wird und deshalb Abbildungen in zuvor ungekannter
Qualität liefert, hatte das Institut für Medizinische
Physik als weltweit erste Arbeitsgruppe bereits 1996 gelegt.
Es wurden Rekonstruktionsalgorithmen entwickelt, Berechnungsmethoden,
welche die Schichtbilder, die während der Drehung des Messapparats
um den Körper entstehen, zu einer möglichst exakten
räumlichen Abbildung zusammensetzen und überflüssige
Daten ausblenden. Erste Patienten-
studien fanden in Zusammenarbeit mit der Klinik für Innere
Medizin II (Direktor: Prof. Dr. Werner G. Daniel) und dem Institut
für Diagnostische Radiologie (Direktor: Prof. Dr. Werner
Bautz) der Universität Erlangen-Nürnberg statt. Die
American Association of Physicists in Medicine zeichnete die
Veröffentlichung der Erfahrungen und Ergebnisse mit dem
"Greenfield Award" für den besten Artikel in der
weltweit führenden Fachzeitschrift "Medical Physics"
im Jahr 1998 aus.
-
- Todfeind Nr 1: Die Koronare Herzkrankheit
- Durchblutungsstörungen bei eingeengten
oder verschlossenen Herzkranzgefäßen führen dazu,
dass es dem Herzmuskel an Energiezufuhr und an Sauerstoff mangelt.
Die medizinische Diagnostik ist darum bemüht, die koronare
Herzkrankheit - in den westlichen Industrieländern noch
immer Todesursache Nr. 1 - im Anfangsstadium zu erkennen oder
bereits entstandene Schäden und Risikobereiche genau abzugrenzen,
um sie gezielt behandeln zu können. Eine Röntgenkontrastdarstellung
der Koronararterien gilt derzeit als Standard für solche
Untersuchungen. Sie ermöglicht den Blick ins Innere der
Gefäße; Verengungen werden damit sichtbar.
-
- Diese invasive Methode macht allerdings eine
Anästhesie erforderlich. Ein Katheter muss eingeführt
werden, der Kontrastmittel in relativ hoher Dosis bis in die
Arterien bringt, und auch die Strahlendosis, die zur Durchleuchtung
nötig ist, ist vergleichsweise groß. Eine nicht-invasive
Alternative, die den Patienten derartige Unannehmlichkeiten und
Risiken erspart, steht im Prinzip mit der sogenannten Elektronenstrahltomographie
seit zehn Jahren zur Verfügung. Diese Geräte sind allerdings
teuer und auf den Einsatz am Organ Herz beschränkt, so dass
sie sich nicht durchsetzen konnten.
Konventionelle Computertomographen sind dagegen wesentlich vielseitiger
und wurden ständig weiterentwickelt. Vor allem konnte die
Rotationszeit stark gesenkt werden, und Mehrzeilendetektoren
ermöglichen es, mehrere Schichten gleichzeitig zu erfassen.
Das 4D-Bildungsverfahren des Erlanger Instituts für Medizinische
Physik wurde noch an einem CT-Scanner mit 0,75 Sekunden Rotationszeit
und Einzeilendetektor entworfen; mittlerweile wurde es in Kooperation
mit Siemens Medical Systems auf aktuelle Systeme erweitert, die
Rotationszeiten von 0,5 Sekunden bei gleichzeitiger Erfassung
von vier Schichten aufweisen. Für die kardiale Bildgebung
mit Computertomographie bedeutete dies einen Quantensprung. Vierdimensionale
Darstellungen des Herzens sind nun mit den weit verbreiteten
CT-Scannern möglich geworden, die durchaus das Potential
besitzen, die invasiven Angiographien abzulösen.
-
- Bis zur Hälfte der Strahlendosis
kann eingespart werden
- Die umfassenden diagnostischen Möglichkeiten
und der unbestrittene Nutzen der Computertomographie haben dazu
geführt, dass die Zahl der CT-Geräte und der CT-Untersuchungen
in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Ein Nachteil
dieser Art der Röntgendiagnostik ist jedoch, dass die Patienten,
bedingt durch das Aufnahmeverfahren, einer vergleichsweise hohen
Strahlendosis ausgesetzt sind. Obwohl in Deutschland nur etwa
jede zwanzigste Untersuchung mit Röntgenstrahlen eine CT
ist, macht ihr Anteil an der medizinischen Exposition der Bevölkerung
fast 40 Prozent aus, und der Einsatz solcher Geräte wird
mit Sicherheit noch steigen. Die Strahlendosis in der Computertomographie
zu verringern, ist also eine wichtige Aufgabe.
-
- Technische Maßnahmen zur Dosisreduktion
könnten - neben gesetzlichen Vorgaben, wie der Einführung
von Referenzdosiswerten für CT-Untersuchungen - die Strahlenbelastung
niedriger halten. Ihr Ziel ist es, eine diagnostisch minimal
notwendige Zahl von Röntgenquanten einzusetzen und das Signal
optimal auszunutzen, die Strahlung also abzuschwächen, ohne
die Bildqualität zu beeinträchtigen. Dafür bietet
sich eine Vielzahl von Möglichkeiten an.
-
- Potentiell dosisreduzierende Maßnahmen
werden am Erlanger Institut für Medizinische Physik zunächst
am Rechner simuliert, im erfolgversprechenden Fall dann am CT-Gerät
implementiert und im Einsatz überprüft. Ein Beispiel
für signifikante Dosisreduktion ohne negativen Einfluß
auf die Bildqualität bietet die anatomieabhängige Röhrenstrommodulation,
die ebenfalls in Kooperation mit Siemens Medical Systems durchgeführt
wurde. Wie stark die Strahlung im Körper des Patienten geschwächt
wird - wie groß also der Rauschbeitrag zum Bild ist - ist
davon abhängig, ob die Strahlen seitlich oder von vorn nach
hinten einfallen. Diese Unterschiede machen es möglich,
den Röhrenstrom während einer Rotation je nach Lage
zu regeln und anzupassen. Bis zu 50 Prozent der Dosis können
auf diese Weise eingespart werden - für die Patienten eine
erhebliche Begrenzung des Risikos.
-
- Kontakt:
Prof. Dr. Willi A. Kalender PhD, Dr. Theobald Fuchs
Institut für Medizinische Physik
Krankenhausstraße 12, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -22310, Fax: 09131/85 -22824
E-Mail: willi.kalender@imp.uni-erlangen.de, theo@imp.uni-erlangen.de
Informationen im Internet:
http://www.imp.uni-erlangen.de/d/forschung/bildgebung/frm_bildmed.htm
- Mediendienst FORSCHUNG Nr. 591 vom 01.03.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de