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- Technisch-Wissenschaftliches Hochleistungsrechnen
im Bauingenieurwesen
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- Wenn der Wind um die Dächer pfeift...
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- Das Zeltdach des Münchener Olympiastadions
ist auf Grund seiner kühnen Konstruktion weltberühmt.
Nicht nur wegen der Diskussion um einen Stadionneubau in München
bläst ein rauher Wind um das dreißig Jahre alte Baudenkmal.
Auch sonst ist es mit seiner exponierten Lage Witterungseinflüssen
ausgesetzt. Für Ingenieure der Universität Erlangen-Nürnberg
ist es vor allem als numerisches Problem von Interesse.
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- "Zeltdachkonstruktionen wie in München
sind in hohem Maße windbelastet. Die Untersuchung ihrer
Standfestigkeit ist eine klassische Aufgabe des technisch-wissenschaftlichen
Hochleistungsrechnens", erläutert Dr.-Ing. Michael
Breuer vom Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Universität
Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Franz Durst). Durch die starke
Windbelastung entstehen an der Ober- und Unterseite des Zeltdaches
jeweils unterschiedlich hohe Drücke, die bei der Auslegung
derartiger Bauwerke zu berücksichtigen sind. Die Probleme
hierbei sind vielfältig und komplex. Eine derartige Koppelung
von verschiedenden Teilproblemen macht die Anwendung von Simulationsverfahren
des technisch-wissenschaftlichen Hochleistungsrechnens sinnvoll.
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- Im Rahmen des bayerischen Forschungsverbundes
für Technisch-Wissenschaftliches Hochleistungsrechnen (FORTWIHR)
wurden in Erlangen in der dritten Förderperiode von September
1998 bis Februar 2001 Simulationswerkzeuge zur Berechnung der
Fluid-Struktur-Interaktion bei windbelasteten leichten Flächentragwerken
entwickelt. An diesem Projekt waren innerhalb des Forschungsverbundes
neben dem Erlanger Lehrstuhl für Strömungsmechanik
die Technische Universität München (Lehrstuhl für
Bauinformatik und Lehrstuhl für Informatik IV) sowie die
Firmen SOFiSTiK AG und Siemens Nixdorf AG beteiligt. Erst durch
die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen und den
Einsatz von leistungsstärksten Rechnern (u.a. des neuen
Bundesrechners HITACHI SR8000-F1) konnten die aufwendigen numerischen
Simulationen für die Fluid-Struktur-Wechselwirkungsproblematik
durchgeführt werden.
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- Die eigentliche Simulation erfolgt durch
Koppelung des am Lehrstuhl für Strömungsmechanik entwickelten
CFD (Computer Fluid Dynamics)-Programms FASTEST-3D mit dem von
der SOFiSTiK AG zur Verfügung gestellten Strukturmechanik-Code
ASE. Ausgehend vom geometrischen Modell wurde eine modulare Systemarchitektur
entwickelt. Der iterative Lösungsprozess selbst wird mit
einem geeigneten Rahmenalgorithmus gesteuert. "Bei der Ermittlung
der maßgeblichen Winddruckverteilung müssen die Auswirkungen
verschiedener Anströmrichtungen und auch der Einfluss der
Umgebungsbebauung berücksichtigt werden", beschreibt
Dipl.-Ing. Markus Glück, Mitarbeiter der Numerikgruppe am
Lehrstuhl für Strömungsmechanik, die Vorzüge der
numerischen Simulation. "Die einzelnen Teilprobleme werden
bei der Simulation zu einer Gesamtaufgabe gekoppelt." Mit
diesen Ergebnissen kann dann die ingenieurmäßige Konstruktion
und Dimensionierung des Bauwerkes beginnen.
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- Bevor die entwickelte Software in der Praxis
an einer Zeltdachkonstruktion erprobt wurde, musste sie zahlreiche
Testverfahren durchlaufen. So wurde insbesondere die Konvergenz
und Stabilität des verwendeten Lösungsansatzes an einfachen
Beispielen einer Prüfung unterzogen. Ihre Feuertaufe bestand
die Neuentwicklung dann bei der Auslegung einer Zeltdach-Konstruktion,
die zur Zeit am Max-Planck-Institut in Dresden realisiert wird.
Hierfür wurden Fluid-Struktur-Simulationen bei turbulenter
Anströmung durchgeführt (Abb.1). Exemplarisch für
die stationären Ergebnisse ist in Abb. 2 die berechnete
Druckverteilung auf der Oberseite des Membrandaches dargestellt.
Die Summe aus den Druckverteilungen der Ober- und Unterseite
sowie den ebenfalls berechneten Schubspannungen ergeben nach
einer Interpolation die entsprechenden Knotenlasten für
die Struktursimulation. Abb. 3 zeigt die für das Tragwerk
aus der Struktur-Berechnung erhaltenen Strukturverschiebungen
in z-Richtung. Weiterhin wurden mit Hilfe der entwickelten Software
die im Material auftretenden Spannungen analysiert.
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- Ein Blick in die Technikgeschichte zeigt
die Bedeutung, die dem technisch-wissenschaftlichen Hochleistungsrechnen
als Schlüsseltechnologie zugestanden werden muss. Katastrophen
wie der Einsturz der Kraftwerkskühltürme 1965 in Ferrybridge,
England, (Abb. 4) lassen sich durch die numerische Simulation
weitestgehend ausschließen.
- Gut "beschirmt" dürfen sich
daher Pilger rund um die Kaaba-Moschee in Mekka fühlen.
Derartige Schirmstrukturen wurden von der Firma SOFiSTiK AG bisher
ohne genaue Kenntnis der Windlasten ausgelegt. Mit der in FORTWIHR
entwickelten Software können sie jetzt statisch oder dynamisch
gekoppelt berechnet werden. Dadurch ist eine genauere und zuverlässigere
Auslegung von Leichtbaukonstruktionen möglich geworden.
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- · Kontakt:
Dr.-Ing. Michael Breuer, Lehrstuhl für Strömungsmehanik
Cauerstr. 4, 91058 Erlangen
Tel.: 09131/ 761 -246, Fax: 09131/ 761 -275
breuer@lstm.uni-erlangen.de
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Abb. 1 |
Abb. 2 |
Abb. 3 |
Abb. 4 |
Abb. 5 |
- Abb. 1: Modell eines Zeltdaches, wie es in
leicht modifizierter Form vor dem Max-Planck- Institut in Dresden
realisiert wird.
- Abb. 2: Druckverteilung auf der Zeltoberseite
als Ergebnis der CFD-Simulation (Werte in Pa, relativ zum Luftdruck.;
CFD = Computational Fluid Dynamics).
Abb. 3: Verteilung der berechneten Verschiebungen in z-Richtung
aus der CSD-Simulation (in mm; CSD = Computational Simulation
Dynamics).
- Abb. 4: Zerstörte Kühltürme
1965 in Ferrybridge (England).
- Abb. 5: Schirmstrukturen in Mekka (Sonderkonstruktionen
und Leichtbau GmbH: The Work of SL, 1993).
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 593 vom 6.4.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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