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Mittagsvorträge „Jenseits des Tellerands“

Meldungen und Termine

ab 2. Mai 2012, jeweils Mittwoch, 12.15 bis 13.00 Uhr, Senatssaal im Erlanger Kollegienhaus (Raum 1.011), Universitätsstraße 15

Über den Tellerrand des medizinischen Mainstreams hinwegschauen, um die historischen und ethischen Aspekte der Medizin in den Blick zu nehmen: Seit mehreren Jahren geben Forscherinnen und Forscher des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in den Mittagsvorträgen „Jenseits des Tellerands“ Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Die Themen zielen auf eine breite Öffentlichkeit. Interessierte aus Stadt und Universität sind eingeladen, an den Vorträgen teilzunehmen und mit zu diskutieren. Der Eintritt ist frei.

Die einzelnen Vorträge im Überblick:

2. Mai. 2012: Schmerz. Anthropologische und historische Perspektiven

Prof. Dr. Karl-Heinz Leven, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg

„Die eigentliche Dimension des Lebens wird im Schmerz erahnbar“, so formulierte der Philosoph Hans-Georg Gadamer (1900-2002) in seinen späten Jahren. Schmerzen sind allgegenwärtig, oft unbeherrschbar und zugleich von anderen nicht direkt wahrnehmbar. Die Schmerzbekämpfung ist schon immer ein Kerngebiet der praktischen Medizin gewesen und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Prof. Dr. Karl-Heinz Leven, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg, beleuchtet im Eröffnungsvortrag der Vorlesungsreihe am 2. Mai 2012 das Phänomen Schmerz als anthropologische Grunderfahrung des Menschen in ihren verschiedenen Facetten und in sich wandelnden historischen Deutungszusammenhängen.

9. Mai 2012: Der Semmelweis-Effekt. Hygiene ohne Bakterien

PD Dr. Fritz Dross, Lehrstuhl für Geschichte der Medizin

Um den ungarisch-österreichischen Arzt Ignaz Philip Semmelweis (1818-1865) rankt sich ein dichtes Geflecht von Mythen und Geschichten. Dabei werden die Details seiner Entdeckung von den „todbringenden Händen der Ärzte“ oft verkannt. Dr. Fritz Dross, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der FAU, widmet sich dem „Retter der Mütter“ und richtet in seinem Vortrag am 9. Mai den Blick auf die Geschichte und die Umstände der Entdeckung von Ignaz Semmelweis.

16. Mai 2012: Medizin als Erziehung. Einwände gegen Habermas‘ Ausführungen zur liberalen Eugenik

Dr. Stefan Lorenz Sorgner, Professur für Ethik in der Medizin

Die jüngst entwickelten humanbiotechnologischen Möglichkeiten genetischer Eingriffe lassen die Frage aufkommen, ob es moralisch vertretbar ist, die Erbanlagen eines Menschen zu verbessern. Nicht auf der Grundlage von politisch regulierten Idealvorstellungen, sondern vielmehr auf der Basis, dass Eltern dies für ihre Kinder entscheiden, so wie es bereits bei der Erziehung der Fall ist. Der Philosoph Jürgen Habermas lehnt diese Vorstellung entschieden ab. Dr. Stefan Lorenz Sorgner, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Ethik in der Medizin an der FAU, hält dagegen. Er möchte in seinem Vortrag am 16. Mai einzelne Argumente von Habermas entkräften und stellt dabei die Frage, ob genetische Veränderungen nicht doch legitim sein können, auch um nicht-therapeutische Wahlmöglichkeiten realisieren zu können.

23. Mai 2012: Eisenbahner und Hysterikerinnen. Die Posttraumatische Belastungsstörung in historischer Perspektive

Dr. Nadine Metzger, Lehrstuhl für Geschichte der Medizin

Schlimme Erlebnisse können schwere psychologische Folgen hervorrufen. Diese nennt man dann „traumatisch“. Das Konzept des psychologischen Traumas ist heute so vertraut, dass es schwierig ist, sich eine Zeit vorzustellen, in der es gänzlich unbekannt war. Tatsächlich aber gibt es dieses Konzept erst seit etwas über hundert Jahren. Heißt das, dass Menschen davor nicht unter diesem Phänomen litten? Oder litten sie anders? Dr. Nadine Metzger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichte der Medizin der FAU, beleuchtet in ihrem Vortrag am 23. Mai die Konzeptgeschichte des psychologischen Traumas. Eisenbahnarbeiter und Hysterikerinnen spielten dabei am Ende des 19. Jahrhunderts eine besondere Rolle.

6. Juni 2012: „Die Kreuzelschreiber“. Die medizinischen Gutachter der NS-„Euthanasie“

Philipp Rauh, M.A., Lehrstuhl für Geschichte der Medizin

In den Jahren 1940/41 wurde die deutsche Psychiatrie zum Schauplatz eines einzigartigen Massenmordes. Während der „Euthanasieaktion T4“ wurden insgesamt 70.000 geistig behinderte und psychisch kranke Menschen getötet. Über das Schicksal der Anstaltspatienten entschied eine Gruppe größtenteils renommierter Anstalts- und Universitätspsychiater. Ihre Gutachten richteten über Leben und Tod. Philipp Rauh, M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte der Medizin der FAU, widmet sich am 6. Juni der kollektivbiographischen Analyse der T4-Psychiater. Sein Vortrag über „Die Kreuzelschreiber. Die medizinischen Gutachter der NS-Euthanasie“ zeigt Mentalität, Motivation und Handlungsspielräume dieser NS-Täter auf.

13. Juni 2012: Migration und Gesundheit. Kulturelle Vielfalt als Herausforderung der medizinischen Versorgung

Leyla Fröhlich-Güzelsoy, Professur für Ethik in der Medizin

Unter dem Titel „Kulturelle Vielfalt als Herausforderung der medizinischen Versorgung“ berichtet Leyla Fröhlich-Güzelsoy, Ärztin und Mitarbeiterin der Professur für Ethik in der Medizin der FAU, am 13. Juni zum Abschluss der Vorlesungsreihe über medizinethische Aspekte von kulturellen und religiösen Wertvorstellungen im deutschen Gesundheitswesen. Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland rund 15,6 Millionen Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund. Der Vortrag thematisiert die zentralen Spannungsfelder, die aus dieser Situation resultieren, zeigt gleichzeitig aber auch Verbesserungsoptionen auf.

Karl- Heinz Leven, Tel.: 09131/85-22094, karl-heinz.leven@gesch.med.uni-erlangen.de

uni | mediendienst | aktuell Nr. 76/2012 vom 25.4.2012

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