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„Tragisch, dass Ralph das nicht mehr erleben durfte“

Ein persönlicher Nachruf auf den mit dem Nobelpreis ausgezeichneten FAU-Ehrendoktor Ralph M. Steinman

Der am Montag mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnete kanadische Immunforscher Prof. Dr. Ralph M. Steinman starb am vergangenen Freitag wenige Stunden, bevor ihn die Nachricht erreicht hätte nach viereinhalb Jahren Leidens an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Am 22. Juli 2006 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) durch die Medizinische Fakultät verliehen.

Der 1943 in Montréal geborene Immunologe entdeckte 1973 die dendritischen Zellen, die den T-Immunzellen Hinweise etwa auf Keime oder Krebszellen geben, damit diese sie bekämpfen und beim nächsten Angriff schneller identifizieren können. Ralph Steinman war mit dem immuntherapeutischen Verfahren dendritischer Zellvakzine behandelt worden, die wahrscheinlich für ihn selbst lebensverlängernd war.

Es folgt ein persönlicher Nachruf von Prof. Dr. Gerold Schuler, der den Lehrstuhl für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Medizinischen Fakultät der FAU innehat:

Prof-Steinman / Foto: privat

Prof. Dr. Ralph M. Steinman (l.) und Prof. Dr.

Gerold Schuler mit seiner Frau beim Hasumi

International Cancer Vaccine Symposium in

London, 2004.

Foto: privat

Mein Freund und Kollege – unser Ehrendoktor Ralph Steinman – hat am Montag verdientermaßen den Medizin-Nobelpreis erhalten für seine Entdeckung der Dendritischen Zellen und deren Rolle im Rahmen der Immunantwort.

Diesen Tag werde ich nie vergessen, da ich noch nie Freude und Trauer so kurz hintereinander verspürt habe. Innerhalb einer halben Stunde erfuhr ich zuerst durch den Anruf eines Freundes von der lang erhofften und auch erwarteten Verleihung des Nobelpreises, und Minuten danach durch einen Anruf von Ralphs Frau von seinem – ebenfalls befürchteten – Tod. Es fehlten nur Stunden und Ralph hätte die Nachricht von der Verleihung des Nobelpreises noch vernehmen können. Es ist tragisch, dass Ralph das nicht mehr erleben durfte, aber er wusste, dass er in den engeren Kreis der Anwärter auf diese höchste aller Auszeichnungen aufgerückt war.

Wirklich wichtig war ihm, dass er die Bedeutung der Dendritischen Zellen für das Verständnis und die Bekämpfung von Krankheiten vermitteln konnte. Dies durfte er zum Glück erleben, er hatte in den letzten Jahren viele Ehrungen und Preise erhalten. Bis zu dieser Anerkennung war es aber ein langer und über die ersten 15 Jahre sehr steiniger Weg. Die größte Leistung Ralph Steinmans ist in meinen Augen, dass er sich nicht entmutigen ließ und mit seinem scharfen Verstand und seiner Beharrlichkeit seine Arbeit unbeirrt fortsetzte, obwohl er sich anfangs gegen teils verächtliche Kritiker durchsetzen musste. Die Dendritischen Zellen hatte er ja schon 1973 entdeckt, aber viele Jahre glaubten die meisten, dass die Zellen entweder gar nicht existierten oder nicht besonders wichtig waren, wogegen Ralph Steinman felsenfest davon überzeugt war, dass das Immunsystem ohne diese Zellen gar nicht funktionieren könne. In den Jahren 1983 bis 1985 war ich als Postdoc das erste Mal bei ihm an der Rockefeller University in New York und wir scharten uns um ihn wie seine Jünger. Eine eingeschworene Gemeinschaft, die von der Wichtigkeit dieser damals noch verlachten Zellen überzeugt war. Es war eine wunderbare und besondere Zeit, die uns vergönnt war, denn wir waren eine eingefleischte, wissenschaftliche, fast kriegerische community, die eine Botschaft hatte, die wir in die Welt tragen wollten. Wir hatten täglich Diskussionen mit Ralph, sahen gemeinsam Zellen im Mikroskop an und planten die nächsten Experimente.

Auch nach meiner Rückkehr nach Österreich und später nach Erlangen blieb ich mit Ralph und seiner Familie über all die Jahre in engem Kontakt, und er wurde von einem Mentor zu meinem besten Freund. Er hat mein Leben sehr stark beeinflusst und geprägt, nicht nur beruflich, sondern auch persönlich. Er war trotz seines messerscharfen Verstandes ein sehr einfühlsamer, hilfsbereiter und hingebungsvoller Mensch, und seine Familie hat ihm enorm viel bedeutet. Meine Frau meinte, er sei der purste Mensch, den sie kannte, womit sie sagen wollte, dass hinter allem, was Ralph wichtig war – seine Arbeit, seine Familie, seine Freunde – sehr viel Leidenschaft steckte, während ihn andere Aspekte des täglichen Lebens wenig tangierten. Wir besuchten die Steinmans noch im April dieses Jahres in New York und meiner ganzen Familie wird dieses Wiedersehen in wertvoller Erinnerung bleiben. Im Mai kam er noch ein letztes Mal nach Europa und sprach im Rahmen der Joachim-Kalden-Lecture am Universitätsklinikum Erlangen vor einem sehr kleinen Publikum. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihm in anderen Sphären.

Dear Ralph, thank you so much for everything you gave me. Take care, Gerold.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Gerold Schuler

Tel.: 09131-85-33661

chefsekretariat.de@uk-erlangen.de

uni | mediendienst | aktuell Nr. 246/2011 vom 5.10.2011

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