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Stiftung fördert Chirurgen mit 183.000 Euro

FAU-Forschungsprojekt untersucht, wie die Ausbildung von Blutgefäßen gesteuert werden kann

Über 180.000 Euro stellt die Else Kröner-Fresenius-Stiftung dem Forscherteam um Prof. Dr. Raymund E. Horch, Direktor der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik am Universitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung, um die Steuerung der Blutgefäßneubildung in künstlichem Gewebe in vivo – also im lebenden Organismus – zu untersuchen. Hauptantragsteller und Projektleiter Dr. Oliver Bleiziffer, ebenfalls von der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik, ist zuversichtlich, dass diese Forschung einen Grundstein legen könnte, um ein zentrales Problem der regenerativen Medizin zu lösen: die mangelhafte Durchblutung von künstlichem Gewebe.

„Es ist heutzutage kein Problem, bioartifizielle Gewebe in der Petrischale in Kultur zu nehmen. Das Knochen-, Haut- oder Muskelgewebe wird dort mit Nährlösung und Wachstumsfaktoren versorgt und gedeiht gut“, erklärt Bleiziffer. Doch künstliche Gewebe in klinisch relevantem Umfang in einen lebenden Organismus zu verpflanzen, stellt die „Gewebe-Ingenieure“ vor größte Herausforderungen. Wenn das neue Gewebe im Körper nicht durchblutet werden kann, stirbt es ab, und alles war umsonst. Voraussetzung für eine ausreichende Durchblutung des Gewebes ist die Durchdringung mit genügend Blutgefäßen und Kapillaren. Und genau hier setzt die Forschung der Erlanger Chirurgen an.

AV-Loop / Abbildung: Dr. Oliver Bleiziffer

Abbildung 1: Die künstliche
Gefäßschleife verbindet Ar-
terie und Vene (daher AV
-Loop) mit Hilfe eines Über-
brückungsstücks aus einer
natürlichen Vene. Der AV
-Loop selbst ist eingebettet
in eine Fibrinmatrix, in die
die neu gebildeten Blutge-
fäße einwachsen sollen.

Durch die Anlage einer so genannten Arteriovenösen Gefäßschleife (AV-Loop) konnte in der Vergangenheit bereits die Ausbildung von Blutgefäßen in künstlichem Gewebe erfolgreich angeregt werden. „Das von uns weiterentwickelte Modell des AV-Loops ist in Erlangen seit Jahren etabliert“, informiert Mitantragsteller PD Dr. Ulrich Kneser. Die Gefäßschleife ist eingebettet in einer Matrix aus dem „Klebeprotein“ Fibrin, die dem künstlichen Gewebe Gestalt und Form geben wird. Die Fibrin-Matrix wiederum ist angereichert mit so genannten endothelialen Vorläuferzellen (engl. EPC), die bei der Gefäßbildung eine Schlüsselrolle spielen (Abbildung 1).

Umfasst werden Matrix und Gefäßschleife von einer verschließbaren Trennkammer aus Teflon, die – eingepflanzt in einen lebenden Organismus – über die beiden Enden des AV-Loops an den natürlichen Blutkreislauf angeschlossen sind. Das künstliche Gewebe wächst also abgekapselt in einer Art Bio-Reaktor und wird über das eine Schleifenende an eine Arterie angeschlossen und das andere an eine Vene – daher der Begriff „AV-Loop“ (Abbildung 2).

AV-Loop / Abbildung: Dr. Bleiziffer

Abbildung 2: Umschlossen sind Gefäßschleife und
Matrix von einer Trennkammer aus Teflon, sodass
das Gebilde nach der Implantation nur über die
Blutgefäßschleife mit dem lebenden Organismus
verbunden ist.

Die Forscher nehmen nun in ihrem Projekt die Rolle der erwähnten endothelialen Vorläuferzellen (EPC) bei der Gefäßneubildung in bioartifiziellem Gewebe genauer unter die Lupe. Diese Zellen stammen ursprünglich aus dem Knochenmark und zirkulieren im Blut. Als differenzierte Endothelzellen kleiden sie die Innenwände der Blutgefäße aus. Ihre Bedeutung für das „Tissue Engineering“ verdanken die EPCs ihrem Gefäßbildungspotential. Sowohl bei der Aussprossung aus einem bereits bestehenden Kapillarsystem (Angiogenese) als auch bei der Gefäßneubildung (Vaskulogenese) spielen Endotheliale Vorläuferzellen eine tragende Rolle. Und das besondere: Die Gefäßwand-Vorläuferzellen werden bei Mangeldurchblutung an den Ort des Sauerstoffmangels rekrutiert. Dort setzen sie wiederum Wachstumsfaktoren und Botenstoffe frei, die die Gefäßaussprossung auslösen. Sie differenzieren bei Sauerstoffunterversorgung aber auch zu reifen Endothelzellen und beteiligen sich so an der Neubildung von Gefäßen – sozusagen aus dem Nichts heraus.

Gefäßausgusspräparat / Abb.: Dr. Bleiziffer

Abbildung 3: Die makroskopische (links) und rasterelektro-
nische (rechts) Aufnahme eines Gefäßausgusspräparates
zeigt Blutgefäße, die in die Matrix-Umgebung aussprossen.
Abbildungen (alle): Dr. Oliver Bleiziffer

Dr. Oliver Bleiziffer hat sich nun vorgenommen, durch die Transplantation von EPCs die Ausbildung von neuen Blutgefäßen zu modulieren. Diese EPCs können mit einem so genannten proangiogenen, also gefäßbildungsfördernden, Transgen versehen werden, um die Ausbildung eines Blutgefäßsystems zu forcieren. In den Vorarbeiten war es den Forschern bereits gelungen, ein wachstumshemmendes Transgen einzusetzen und so die Gefäßbildung zu stören.

Eine weitere forschungsleitende Frage dreht sich um die Rolle der Hypoxie als Stimulans für Gefäßbildungsprozesse. Diese Sauerstoffunterversorgung führt zur Expression eines speziellen Transkriptionsfaktors (Hypoxia Inducible Factor (HIF) – 1 alpha), der wiederum eine ganze Palette von gefäßbildungsfördernden Wachstumsfaktoren aktiviert. So versucht der Körper, Sauerstoffmangelzustände zu kompensieren. Durch gezielt ausgelöste Hypoxie soll die Blutgefäßneubildung im künstlichen Gewebe experimentell stimuliert werden.

Modernste Bildgebungs- und Analyseverfahren sollen schließlich Ausmaß und Dichte der Gefäßneubildung evaluieren. Zum Einsatz kommen dabei Fluoreszenzmikroskopie, Histochemie, Morphometrie, Gefäßausgüsse, Mikro-CT und nicht zuletzt die Elektronenmikroskopie.

Sollten die Erlanger Forscher von der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik erfolgreich sein, wäre dies nicht nur ein bedeutender Beitrag zum Tissue Engineering. „Auch für die Krebsforschung könnten unsere Erkenntnisse hilfreich sein, da die Blutgefäßbildung nicht nur das gesunde Gewebe am Leben hält, sondern auch für das Tumorwachstum ganz entscheidend ist“, sagt Bleiziffer.

Weitere Informationen für die Medien:

Dr. Oliver Bleiziffer
Tel.: 09131/85-33277
oliver.bleiziffer@uk-erlangen.de

uni | mediendienst | forschung Nr. 2/2012 vom 11.1.2012

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