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Zellen reagieren auf Nanostrukturen

Erlanger Forscher deckten Einflüsse von Oberflächen auf

Unterschiede im Bereich von einigen tausendstel Mikrometern bei einer Oberflächenbeschichtung können darüber entscheiden, ob Implantate sich ihrer organischen Umgebung mehr oder weniger gut anpassen. Die Ursache dafür haben Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg jetzt herausgefunden. Es gelang ihnen zu zeigen, dass Oberflächengeometrien von Substraten im Nanometerskalenbereich einen dramatischen Einfluss auf das Verhalten von Stammzellen haben: Die Zellen können zum Absterben oder aber im Gegenteil zu erhöhter Aktivität veranlasst werden.

Mittels intensiver Arbeiten am Lehrstuhl für Korrosion und Oberflächentechnik war es zunächst gelungen, auf Titan und einigen geeigneten Legierungen hoch definierte Titanoxid-Nanoröhrenschichten aufzuwachsen. Diese Oberflächen erlauben eine selbstorganisierte Strukturierung von biomedizinischen Implantatmaterialien mit einer Nanometer(nm)-Ortsauflösung. Durch mehrjährige Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Experimentelle Medizin I am Nikolaus-Fiebiger-Zentrum für Molekulare Medizin und der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen konnte nun die Relevanz dieser Nanoskalenmorphologie auf die lebende Materie nachgewiesen werden. An den Forschungen waren Dipl.-Ing. Sebastian Bauer, Prof. Dr. Patrik Schmuki, Dr. Jung Park, Prof. Dr. Klaus von der Mark, Dr. Cornelius von Wilmowsky, PD Dr. Karl Andreas Schlegel und Prof Dr. Friedrich W. Neukam beteiligt.

Besonders spektakuläre Resultate wurden bei der Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen der Nanoröhren-Geometrie und den Zellen erzielt. Die Ergebnisse belegen, dass nanoskalige Strukturierungen im Bereich von 15 - 100 nm das Verhalten von Stammzellen aus dem Knochenmark erheblich beeinflussen. Geometrien von 100 nm induzieren einen gezielten programmierten Zelltod (Apoptose); im Gegensatz dazu ist auf 15 nm-Strukturen eine deutlich erhöhte Zell­aktivität zu beobachten.

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit konnte die Annahme bekräftigt werden, dass das Zellverhalten nicht vorwiegend von der chemischen Zusammensetzung der Oberflächen abhängt. Der strukturelle Einfluss der Oberflächengeometrien im Nanometerskalenbereich hat eindeutig den Vorrang. Diese Arbeiten finden großen internationalen Widerhall. So hat Matthew Dalby von der Universität Glasgow, ein weltweit führender Experte auf dem Gebiet der Stammzellinteraktion, die weitreichende Bedeutung der publizierten Arbeit anerkannt. "Es ist eine Frage von Topographie gegen Oberflächenchemie", kommentierte er. "Diese Arbeit zeigt auf, dass die Topographie gewinnt!"

Mesenchymale Stammzellen

Einfluss von Oberflächengeometrien im
Nanometerskalenbereich auf Mesenchymale Stammzellen
Abbildung: Stefan Bauer

Der nächste Schritt besteht, wie die Erlanger Forscher ankündigen, in der Untersuchung des Differenzierungsverhaltens von Stammzellen. Zu diesem Thema wird derzeit die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen aus dem Knochenmark und zusätzlich von hämatopoetischen Stammzellen - auch als Blutstammzellen bekannt - auf solchen Nanoröhrenschichten erforscht. Auch als Träger für pharmazeutische Wirkstoffe und zur Anbindung von biologisch relevanten Faktoren kommen die Nanoröhrenschichten in Frage; dazu sind ebenfalls Untersuchungen angelaufen.

Prof. Schmuki und seine Mitarbeiter sehen das Potential derartiger Nanoröhrenschichten zum einen im Bereich von Implantatbeschichtungen. Implantate, welche im Mikrometerskalenbereich bereits eine dem Gewebe angepasste Strukturierung aufweisen, könnten sich durch eine zusätzliche Verbesserung der Oberflächen im Nanometerskalenbereich noch besser und schneller in das Knochengewebe integrieren. Darüber hinaus bietet sich ein geradezu ideales Anwendungsgebiet im stark wachsenden Feld des Tissue Engineering, der Züchtung von Gewebe, wo es einen großen Bedarf an Oberflächen zur Steuerung von Zellreaktionen gibt.

Weitere Informationen für die Medien:

Dipl.-Ing. Sebastian Bauer
Tel.: 09131/85-27591
Sebastian.Bauer@ww.uni-erlangen.de

uni | mediendienst | forschung Nr. 36/2009 vom 20.07.2009

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