Neue
Wege multifunktioneller Diagnostik:
Europas modernstes Epilepsie-Zentrum steht in Erlangen
Zum 10-jährigen Bestehen des Epilepsie-Zentrums am Universitätsklinikum
Erlangen (ZEE) wird am Samstag, 24. Juli 2004, eines der modernsten
Diagnostik-Systeme Europas eingeweiht. Das rund 1,2 Millionen Euro
teure System erlaubt es, epileptische Anfälle von Patienten
umfassend und - für Patient und Klinik - besonders komfortabel
zu analysieren. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kunst hat das neue System als Pilotprojekt an Bayerischen
Universitäten gefördert.
Eine Besonderheit
des neuen Erlanger Systems ist, dass sich die Patienten während
der Diagnostik in Gruppen- und Schlafräumen frei bewegen können.
Bislang mussten Patienten mit einem festen Kabel am Überwachungssystem
angeschlossen werden. Die Befunddaten werden in Erlangen digital
erfasst und in das zentrale Kliniknetzwerk eingespeist. „Diese
neue Diagnosetechnik macht uns zusammen mit neuesten Messanlagen
für Gehirnströme und der intraoperativen Neuronavigation
zum modernsten Epilepsie-Zentrums Europas“, sagte ZEE-Leiter
Prof. Dr. Hermann Stefan. Epilepsie sei eine der häufigsten
Erkrankungen des Zentralen Nervensystems. Rund ein Prozent der Bevölkerung
würde während ihres Lebens an Epilepsie erkranken. Das
Epilepsie-Zentrum in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums
Erlangen (Direktor Prof. Dr. Bernhard Neundörfer) ist eines
von bundesweit vier Zentren, denen das Bundesgesundheitsministerium
1994 mit dem Grad IV-Status die höchste Versorgungsstufe zugeteilt
hat. Hier werden Patienten mit schweren Epilepsien aus ganz Europa
behandelt.
Bei Patienten
ist es zunächst sehr wichtig, die Areale im Gehirn zu lokalisieren,
in denen die epileptischen Anfälle ausgelöst werden. „Diese
Anfälle sind wie ein Gewitter im Gehirn, bei dem Blitze durch
den Körper zucken“, erläuterte Prof. Stefan. Mit
einem Vielkanal-Magneto-Encephalographen (MEG) steht in Erlangen
ein strahlungsfreies Untersuchungsverfahren zur Verfügung,
mit dem diese „Blitze“ als winzige Magnetfelder des
Gehirns gemessen werden können. „Mit dem MEG können
wir den Patienten berührungsfrei beim Denken zusehen. Im Hinblick
auf die klinische Erprobung dieses diagnostischen Verfahrens leistet
Erlangen Pionierarbeit“, sagte Prof. Stefan. Vergleichbare
Diagnose-Geräte seien nur in wenigen Kliniken Europas verfügbar.
Mit den Messergebnissen
wird der Anfallsherd im Gehirn des Patienten präzise bestimmt
und zum Beispiel vom Sprach- oder Sehzentrum abgegrenzt. Sollte
eine Operation des Patienten notwendig sein, werden die Messergebnisse
im Operationsmikroskop des Neurochirurgen dargestellt. „Damit
ist sichergestellt, dass der Chirurg keine funktionalen Gehirnareale
verletzt, sondern präzise den Epilepsieherd ausschaltet“,
erklärt Prof. Stefan. Diese Neuronavigation mit intra-operativem
MRT/MEG/EEG ist eine weitere Besonderheit des Erlanger Epilepsie-Zentrums,
das neben der Klinik für Neurochirurgie auch mit der Nuklearmedizin,
Neuroradiologie und Neuropsychologie eng zusammenarbeitet. Eine
Operation ist allerdings das äußerste Mittel bei schweren
Formen der Epilepsie. In 75 Prozent der Fälle kann Patienten
ambulant oder teilstationär mit einer medikamentösen Therapie
geholfen werden. Auch in diesem Bereich gehört Erlangen zu
den führenden Zentren. „Wir können im Rahmen von
sorgsam abgesicherten klinischen Studien neueste Medikamente einsetzen,
die in anderen Kliniken noch nicht verfügbar sind“, so
Stefan.
Seit 17 Jahren
werden in der Neurologischen Klinik in Erlangen Epilepsie-Patienten
diagnostisch und therapeutisch betreut, davon seit zehn Jahren im
Epilepsie-Zentrum. Das interdisziplinäre Ärzteteam behandelt
jährlich rund 2.500 Patienten, davon über 2.000 ambulant.
Ziel einer jeden Therapie ist die Anfallsfreiheit, um Verletzungen
und Folgeschäden zu vermeiden, damit der Patient ohne berufliche
und soziale Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben führen
kann.
Der Begriff
„Epilepsie2 stammt vom griechischen Wort "epilambánein"
(überwältigt werden im Sinne eines Überraschungsangriffs)
und weist auf das bekannteste Symptom der Erkrankung hin: den epileptischen
Anfall. Dieses für Außenstehende sehr dramatische Geschehen
hat schon in der Antike die Menschen erschüttert. Epilepsie-Kranke
galten als Besessene, aber auch als Menschen mit einer „heiligen
Krankheit“. Erst durch die wissenschaftliche Arbeit des vergangenen
Jahrhunderts wurde deutlich, dass Epilepsie keine Erkrankung der
Psyche ist, sondern eine Erkrankung des Gehirns, die den ganzen
Menschen betrifft. Viele Betroffene sind nur während der wenigen
Minuten eines Anfalls „erkrankt“, ansonsten aber völlig
gesund.
Eine Patienten-Hotline
unter Tel.: 09131 / 85-36928 ist ab sofort von Montag bis Freitag
von 9.00 bis 16.00 Uhr (danach Anrufbeantworter) für Patienten
und deren Angehörigen eingerichtet worden. Weitere Informationen
über das Epilepsie-Zentrum Erlangen unter www.epilepsiezentrum-erlangen.de.
Weitere Informationen
Johannes Eissing
Tel.: 09131 / 85-36102
presse@kv.med.uni-erlangen.de |