Professor
Siegfried Trotnow erlag Krebserkrankung
Der „Vater“ des ersten deutschen Retortenbabys
ist tot
Der „Vater“ des ersten deutschen Retortenbabys ist tot:
Knapp 22 Jahre nach seinem größten wissenschaftlichen
Erfolg erlag der Frauenarzt und Reproduktionsmediziner Prof. Dr.
Siegfried Trotnow in Erlangen einer Krebserkrankung. Er hat mit
seiner Arbeit entscheidend dazu beigetragen, die In-vitro-Fertilisation
(IVF) als neue Behandlungsmethode für Paare mit unerfülltem
Kinderwunsch in Deutschland zu etablieren. Der angesehene Gelehrte
und beliebte Arzt verstarb bereits am 5. April. Er wurde nur 63
Jahre alt. Seinen eigenen Wünschen entsprechend fand die Beisetzung
in aller Stille im engsten Familienkreis statt.
Die Geburt des
ersten deutschen Retortenbabys am 16. April 1982 in der Erlanger
Universitätsfrauenklinik hatte einen damals noch ungewohnten
Medienrummel ausgelöst. Reporter belagerten tagelang die Klinik,
wenig später zierte der 4150 Gramm schwere Knabe das Titelbild
einer Illustrierten. Die öffentliche Debatte über die
ethische Vertretbarkeit der In-vitro-Fertilisation (IVF) flammte
neu auf. Sie hatte sich bereits 1978 entzündet, nach der Geburt
von Louise Brown in England, dem weltweit ersten IVF-Kind überhaupt.
Intensive Vorbereitung
durch Tierversuche
Trotnows Pionierleistung für den deutschsprachigen Raum wurde
durch mehrere Umstände begünstigt. Zum einen stellten
ihm die Ärzte des Royal Women-Hospitals in Melbourne Ende 1980
nach der Geburt des ersten australischen IVF-Kindes ihr Know-how
zur Verfügung. Die wissenschaftlichen Väter von Louise
Brown in England hatten bis dahin nämlich im Gegensatz zu den
Gepflogenheiten in der Forschung keine Details ihrer Methode veröffentlicht.
Zum anderen
gelang es Trotnow in Erlangen, für sein Projekt ein hoch motiviertes
Team unterschiedlich spezialisierter Fachleute zu gewinnen. Dazu
gehörten neben Ärzten der Universitätsfrauenklinik
auch der Tiermediziner Safaa Al-Hasani und die Biologin Tatjana
Kniewald, die eine Schlüsselrolle spielte. Die intensive Vorbereitung
der IVF bei Menschen durch Tierversuche, so Trotnow später,
habe seinem Team den entscheidenden Vorsprung vor allen anderen
Arbeitsgruppen verschafft, die damals in Deutschland ebenfalls an
dem Verfahren arbeiteten.
Schrittmacherfunktion
auch in der Kältekonservierung
Die rasche Verfeinerung der Methodik ließ dem ersten deutschen
Retortenbaby schnell weitere folgen. Bis zum Juli 1983 wurden in
Erlangen elf und bis zum März 1984 bereits 27 IVF-Kinder geboren.
Das Verfahren war damit als weitgehend etabliert zu betrachten.
Trotnow kommentierte dies damals mit dem Hinweis, die Tage, in denen
nur gelegentlich eine Schwangerschaft erzielt werden konnte, seien
nun „glücklicherweise überwunden“.
Der Erlanger Erfolg von 1982 hat sicherlich erheblich dazu beigetragen,
dass sich die Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches durch
die IVF in Deutschland rasch durchsetzen konnte, zumal die Ärzte
aus der Frauenklinik zusammen mit Technikern der Universität
in den folgenden Jahren weitere wichtige Detailverbesserungen erzielten.
So übten sie auch bei der Kältekonservierung von Eizellen
und Embryonen eine Schrittmacherfunktion aus.
1987 gab es
in Deutschland bereits 36 IVF-Teams, und bis Ende 1988 wurden 1.500
Kinder geboren. 1998, zum 20. Geburtstag von Louise Brown, zählte
man weltweit bereits über 300.000 IVF-Kinder. Heute wird die
IVF in Deutschland in 113 speziellen Zentren angeboten.
Bei ihrer Forschung
konnten Trotnow und sein Team auch auf umfangreichen Vorarbeiten
in der Erlanger Klinik aufbauen. Hier hatte der Gynäkologe
Klaus-Georg Bregulla auf Anregung des damaligen Klinikchefs Karl
Günther Ober bereits in den sechziger Jahren mit Untersuchungen
zur IVF begonnen - rund ein Jahrzehnt vor der Geburt von Louise
Brown. Bregulla stand damals allerdings nur ein relativ kleines
Forscherteam zur Verfügung. Trotnow übernahm die Arbeitsgruppe
1978 und gewann 1979 Tatjana Kniewald als erste neue Mitarbeiterin.
In den Anfängen
der Erlanger IVF-Forschung mussten viele Widerstände überwunden
werden. So lehnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zwischen
1969 und 1981 sämtliche Anträge auf finanzielle Förderung
des Projektes ab. „Kontraproduktiv waren sicherlich auch einige
Kollegen in der Klinik, die uns für verrückt hielten,
und das gelegentlich die jüngeren Team-Mitglieder spüren
ließen“, erinnerte sich Trotnow später.
Aus Oberschlesien
nach Erlangen
Der Wissenschaftler und Arzt wurde am 25. Januar 1941 in Skrzeczon
(Oderberg/ Oberschlesien) geboren. Das Gymnasium absolvierte Trotnow
in Bad Segeberg, Medizin studierte er in Kiel, Marburg und Erlangen.
Nach Medizinalassistentenzeit und Wehrdienst trat er 1970 in die
Erlanger Frauenklinik ein, wurde 1974 Facharzt, habilitierte sich
1977 und erhielt schließlich 1980 seine Ernennung zum Professor.
Ende 1985 verließ Trotnow Erlangen, um den Chefarztposten
an der Frauenklinik im Krankenhaus Nordwest in Frankfurt zu übernehmen.
Er kehrte jedoch immer wieder gerne besuchsweise zurück und
wählte Erlangen schließlich als Altersruhesitz.
Im vergangenen
Jahr nahm Trotnow noch als prominenter Gast an den Jubiläumsveranstaltungen
zum 175-jährigen Bestehen der Erlanger Frauenklinik teil. Dabei
fand die wissenschaftliche Aufarbeitung wichtiger Teilaspekte der
Klinikgeschichte in einer Ausstellung im Stadtmuseum sein besonderes
Interesse: Unter dem Titel „Von Gebärhaus und Retortenbaby“
war dort der Reproduktionsmedizin ein eigener Raum gewidmet.
Weitere Informationen
Dr. Wolfgang
Frobenius Universitätsfrauenklinik
Tel.: 09131 / 85-36191
Johannes Eissing
Pressestelle Universitätsklinikum Erlangen
Tel.: 09131 / 85-36102,
presse@kv.med.uni-erlangen.de
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