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Dichter an der Katastrophe mit Ines Geipel

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Dichter am Text“ ist Ines Geipel in Erlangen zu Gast. Am Dienstag, 27. April 2004, 20.00 Uhr liest sie im Theater Erlangen aus ihrem neuen Buch „Für heute reicht’s. Amok in Erfurt“. Am Mittwoch, 28. April 2004, 10.15 Uhr, hält sie an der Universität eine Vorlesung über „Notwendige Wahrheit. Amok in Erfurt zwischen Fakt und Fiktion“. (Raum 0.020, Kollegienhaus, Universitätsstraße 15).

Auf ganz verschiedene Weise sind die Bücher von Ines Geipel sperrig, etwa so wie das Wort ruhestörerisch. Ihr erster Roman „Das Heft“ trug ein Motto von Peter Weiss, das lautete: „Darf es schön sein?“ und enthielt einen Satz, der ihren weiteren Büchern gut voranstehen kann: „Sie suchten nicht den Wahnsinn, sondern mussten ihren Alltag überstehen.“ Hier sind die beiden Momente benannt, aus deren Zusammenprall sich die Eigenart der Bücher von Ines Geipel ergibt: der schöne Schein und der Wahnsinn des Alltags.

Der Roman verfolgt Lebensläufe im Osten Deutschlands kurz nach dem Krieg, er beobachtet jene am Rande der schweigenden Normalität, die sprechen wollen. Es folgten eine Biographie über Inge Müller und die Textsammlung „Die Welt ist eine Schachtel. Vier Autorinnen in der frühen DDR“. Die Anthologie ist mehr als nur ein Lesebuch, sie ist zugleich ein Bericht über den Alltag der Zensur und ein Hinweis auf jenes „Archiv der in der DDR unveröffentlichten Literatur“, an dem Ines Geipel mitarbeitet. Sie hat auch Gedichte veröffentlicht („Diktate“), die zusätzlich interessant werden, wenn man weiß, welcher scheinbar bürgerlichen Beschäftigung Ines Geipel im Hauptberuf nachgeht: Sie ist Professorin für Verssprache und Versgeschichte an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin.

Auch ihr eigener Lebenslauf bietet Stoff für ein Buch, wie Ines Geipel sie schreibt: vom Mitglied der Partei und DDR Nationalmannschaft zur widerspenstigen Studentin, zum Republikflüchtling (und zwar 1989, vor Öffnung der Grenze), zur Nebenklägerin im Dopingprozess gegen die ehemaligen Sport-Funktionäre Ewald und Höppner. Über dieses Kapitel der sozialistischen Errungenschaften hat sie in „Verlorene Spiele“ (2001) geschrieben. Der Band dokumentiert den Prozess und berichtet über den Alltag der Spitzensportler zwischen Privilegien und Staatssicherheit.

In ihrem neuem Buch „Für heute reicht’s. Amok in Erfurt“ rekonstruiert Ines Geipel nicht nur die Ereignisse am Erfurter Gutenberg-Gymnasium vom 26. April 2002, sondern auch ihre Vorgeschichte und ihr zum Teil beschämendes Nachspiel: wie der schöne Schein schon wieder über den hässlichen Alltag gelogen wird. „Für heute reicht's“ ist eine als Erzählung getarnte Recherche, berührend und schonungslos im Bemühen, aufrichtig zu sein und zumindest zu versuchen zu verstehen, was sich ereignet hat. Und in diesem Fall wissen Spiegel-Leser tatsächlich mehr: Jana Hensel hat in der Ausgabe vom 26. Januar 2004 beschrieben, welche Unruhe das Buch in Erfurt stiftete.

Weitere Informationen

PD Dr. Holger Helbig
Institut für Germanistik
Tel.: 09131/85 -22421
hrhelbig@phil.uni-erlangen.de

 

Mediendienst FAU-Aktuell Nr.3593 vom 26.04.2004

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