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juristen lernen prozesse vermeiden
 

Mediation als neue Veranstaltung im Rechtswissenschaftsstudium
Juristen lernen Prozesse vermeiden

Die neutrale Position ist es, die weiterführen kann, wenn Streitigkeiten aus dem Ruder zu laufen drohen. Akzeptieren feindliche Nachbarn, uneinige Erben oder zerstrittene Vertragspartner einen sachkundigen Vermittler, so lassen sich teure und an den Nerven zerrende Gerichtsprozesse vielleicht vermeiden. Für angehende Juristinnen und Juristen ist das aus den USA stammende Verfahren der Mediation, das eine freiwillige und eigenverantwortliche Lösung von Streitfragen anstrebt, ebenfalls von Interesse. Im Wintersemester 2003/04 haben Studierende der Rechtswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg erstmals Gelegenheit, die außergerichtliche Streitbeilegung in einer Lehrveranstaltung ausführlich kennenzulernen.

Der Mann ist ein schwieriger Gesprächspartner. Er hat zugesagt, seine jüngere Schwester nicht persönlich anzugreifen oder zu beleidigen, doch er kann sich nicht beherrschen. "Da sehen Sie's, der geht es bloß ums Geld! So war sie schon immer, denkt nur an sich. Ein Glück, dass deine Söhne nach ihrem Vater geraten und nicht nach dir!" Die Schwester, an seinen Umgangston gewohnt, nimmt solche Vorwürfe schweigend hin, bis ihr die Geduld platzt. Es fehlt nicht viel, damit der Streit eskaliert.

Keine einfache Situation für die Mediatorin, die weder Ausfälligkeiten dulden darf noch Partei ergreifen soll. Sie muss das Gespräch auf eine sachliche Ebene zurückführen, ohne das Vertrauen eines oder beider Kontrahenten zu verlieren.


Dr. Frank Schmidt (im Hintergrund) leitet die Studierenden beim Mediationsgespräch an. Foto: Pressestelle

Da ist es gut, dass sie sich notfalls an den erfahrenen Praktiker, der die Szene beobachtet, um Rat wenden kann: was ist das Sinnvollste in diesem Moment? Zumal sich kaum ein besserer Berater finden lässt, denn der Nürnberger Rechtsanwalt Dr. Frank Schmidt ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mediation und seit
langem geübt darin, festgefahrene Streitfälle zu entwirren und eine einvernehmliche Regelung anzusteuern.

Das Beispiel der verzankten Geschwister stammt aus der Mediationspraxis von Dr. Schmidt. Sie konnten nicht entscheiden, was mit dem vom Vater ererbten Haus geschehen sollte, weil alte und neue gegenseitige Verletzungen, Missverständnisse, vermeintliche oder tatsächliche Beleidigungen sie in einen Wirrwarr heftiger Gefühle verstrickt hatten. "Das war ein extremer Fall, so etwas kommt nicht häufig vor", gibt der Anwalt und Mediator zu. Um so besser eignet sich die Ausgangssituation für ein Rollenspiel. Drei Studierende haben sich in die Rollen von Bruder, Schwester und Mediatorin eingelebt. Wenn den Bruder wieder einmal der Jähzorn packt, hat die Vermittlerin ihre Mühe und das Auditorium seinen Spaß.

Was also ist in dieser verzwickten Lage zu tun? Die Mediatorin braucht sich nicht allein auf ihr Geschick zu verlassen; es gibt erprobte Regeln. Sind die Streitpunkte benannt und konkretisiert, sollen die Beteiligten angeben, was sie erreichen möchten. Als dies an der Tafel notiert ist und jeder zu den Zielen des anderen Stellung nimmt, taucht überraschend oft das Pluszeichen auf, das Übereinstimmung signalisiert. Allerdings bleiben nun Sachfragen, wie der mögliche Verkaufspreis des Hauses, und Entscheidungen, die auch andere Familienmitglieder angehen. Bis zum nächsten Treffen soll das geklärt sein.

Prof. Dr. Reinhard Greger, der Dekan der Juristischen Fakultät, ist froh darüber, dass Frank Schmidt dafür gewonnen werden konnte, die Lehrveranstaltung "Mediation für Juristen" zu leiten. Der juristische Nachwuchs in Erlangen erhält damit eine Einführung aus erster Hand. Bevor er die Präsidentschaft der deutschen Mediatorenvereinigung übernahm, war Dr. Schmidt bereits Gründer und Vorsitzender der Nürnberger Gesellschaft für Mediation. Organisiert wird der Kurs vom neu gegründeten Institut für Anwaltsrecht und Anwaltspraxis. Besonders wichtig: bei den Studierenden kommt die Veranstaltung sehr gut an, wie Prof. Greger bestätigt. "Sie ist stark praxisbezogen, was beim Studium der Rechtswissenschaft oft vermisst wird." Mediatoren sind die Teilnehmer nach Abschluss des Seminars allerdings noch keineswegs; dafür gibt es eine eigenständige Ausbildung.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Reinhard Greger
Dekan der Juristischen Fakultät
Tel.: 09131/85-22251
reinhard.greger@jura.uni-erlangen.de

 

Mediendienst FAU-Aktuell Nr.3465 vom 27.01.2004

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