9. Onkologie-Symposium in Rothenburg
Wegweisende Studienergebnisse für
Tumortherapie
Die international mit großer Spannung erwarteten ersten Ergebnisse
der Erlanger Studie über die wirkungsvolle Behandlung von Patienten
mit Enddarm-Tumor wurden am vergangenen Wochenende (4./5. April
03) auf dem 9. Symposium "Interdisziplinäre Onkologie"
in Rothenburg vorgestellt. Außerdem wurden erste Arbeitsergebnisse
mit dem am Universitätsklinikum Erlangen neu installierten
Bestrahlungssystems "Novalis Shaped Beam Surgery" erläutert,
das eine präzise und effektive Behandlung von Tumoren ohne
offene Operation ermöglicht.
Prof. Dr. Rolf Sauer, Direktor der Universitäts-Strahlenklinik
Erlangen und Leiter des Symposiums, hat auf dem Symposium die
ersten Ergebnisse einer Studie über die Behandlung von Patienten
mit fortgeschrittenem Enddarm-Tumor (Rektum-Karzinom) vorgestellt.
Danach konnte jetzt bewiesen werden, dass Patienten mit einem Enddarm-Tumor
erfolgreicher vor einer Tumoroperation mit einer Kombination aus
Chemotherapie und Bestrahlung behandelt werden, als - wie bisher
üblich - nach einer Operation. Eine erste Analyse der Daten
von 823 Patienten, die von 1995 bis Ende 2002 in der Studie berücksichtigt
wurden, zeigt: Durch die neue Behandlungsmethode hat sich die Zahl
der Patienten mit tiefsitzendem Enddarm-Tumor, bei denen der Schließmuskel
erhalten werden konnte, verdoppelt. Die Zahl der Patienten, bei
denen erneut ein Enddarm-Tumor nach der Behandlung auftrat (Lokalrezidivrate),
hat sich halbiert. Nach Ansicht der Erlanger Wissenschaftler können
Chemotherapie und Bestrahlung vor einer Operation über intakte
Blutgefäße im und um den Tumor herum effektiver wirken,
als nach einer Operation. Prof. Sauer ist überzeugt: "Unsere
Studienergebnisse werden die Behandlung von Enddarm-Tumoren weltweit
grundlegend verändern." Die endgültigen Ergebnisse
der Studie sollen ab Mai 2003 international veröffentlicht
werden.
Der Enddarm-Tumor ist die dritthäufigste Tumorform in Deutschland.
Er tritt vor allem zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr, häufiger
bei Frauen als bei Männern auf. Ein wesentlicher Auslösefaktor
ist eine fettreiche, ballaststoffarme Ernährung.
Neues Radiochirurgie-Systems ermöglicht unblutige Tumoroperationen
Als erstes Klinikum in Deutschland kann das Universitätsklinikum
Erlangen seit Januar 2003 die neue, nicht-operative Behandlungsform
"Novalis Shaped Beam Surgery" einsetzen. Prof. Dr. Gerhard
Grabenbauer (Klinik für Strahlentherapie) und Privat-Dozent
Dr. Oliver Ganslandt (Neurochirurgische Klinik) stellten in Rothenburg
erste Behandlungsergebnisse vor. Mit dem neuen Bestrahlungssystem
können Patienten, z.B. mit Hirntumoren und Gefäßmissbildungen,
aber auch anderen Tumoren in verschiedenen Körperregionen,
mit höherer Sicherheit und Effizienz als bisher behandelt werden.
Im Unterschied zur klassischen Chirurgie gibt es bei dieser Radiochirurgie
keine Operationen im eigentlichen Sinn. Ihr wesentlichstes Merkmal
ist die Zielgenauigkeit der Strahlung mit weniger als ein Millimeter
Abweichung. Bislang wurde in der konventionellen Strahlentherapie
eine Genauigkeit von max. 3 bis 5 mm erreicht. Durch das neue Bestrahlungssystem
wird gesundes Körpergewebe hervorragend geschützt. Die
Behandlung kann unter Umständen auch ambulant durchgeführt
werden. Je nach Tumor reicht eine einzige, hochdosierte Strahlendosis.
Ist der Tumor in unmittelbarer Nachbarschaft zu hochempfindlichen
Hirnstrukturen (z.B. Sehnerven), kann die Dosis auch in kleinen
Fraktionen, über mehrere Tage verteilt, eingestrahlt werden
(stereotaktische Radiotherapie).
Durch die Radiochirurgie wird der Tumor entweder komplett vernichtet,
verkleinert oder zumindest in seinem Wachstum gestoppt. Dabei tötet
die Strahlung Tumorzellen ab und verhindert eine weitere Vermehrung.
Bei Gefäß- missbildungen bewirkt die Strahlung eine Verdickung
der Gefäßwände und damit in den meisten Fällen
einen Verschluss der Missbildung, die dann "eintrocknet".
Patienten können jetzt so behandelt werden, dass nahezu aus-
schließlich der Tumor mit der gewünschten Strahlendosis
getroffen wird. Umliegendes, gesundes Gewebe bleibt weitestgehend
verschont. Die hohe Effizienz der Methode wird durch ein neuartiges
Bestrahlungssystem und röntgenbasiertes Patienten-Positionierungssystem
erreicht.
Das Bestrahlungszentrum des Universitätsklinikums Erlangen
wird von der Strahlenklinik und der Neurochirurgischen Klinik zusammen
betrieben. Die offizielle Einweihung des Systems findet am Mittwoch,
9. April 2003 statt. Das "Novalis Shaped Beam Surgery"-System
wurde von der Firma BrainLAB
AG (Hauptsitz Heimstetten bei München) entwickelt.
Das Symposium für Interdisziplinäre Onkologie unter der
Leitung von Prof. Dr. Rolf Sauer findet alle zwei Jahre in Rothenburg
statt. Ziel des internationalen Symposiums ist es, allen Facharztrichtungen,
die Patienten mit Tumoren behandeln, eine Plattform für den
wissenschaftlichen Austausch zu bieten.
Über die neue Therapiemöglichkeit können sich Patienten
beim Tumorzentrum des Universitätsklinikums Erlangen informieren:
Telefon: 09131/85- 39000, http://www.tumorzentrum.med.uni-erlangen.de
Weitere Informationen
Pressestelle Universitätsklinikum Erlangen
Johannes Eissing
Tel.: 09131/85 -36102