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Optischer Prüfstand simuliert Verbrennungsvorgänge in Dieselmotoren

Fünf Fenster mit Blick auf Feuersäulen

Eine der weltweit modernsten Anlagen zur Prüfung von Diesel-Einspritzsystemen steht seit kurzem an der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Lehrstuhl für Technische Thermodynamik (LTT) von Prof. Dr. Alfred Leipertz untersucht die Wirkkette der motorischen Verbrennung mit dem Ziel, die Effizienz moderner Verbrennungsmotoren zu verbessern und den Schadstoffausstoß zu minimieren. Bis Ende Januar 2006 kann die Anlage in Erlangen-Tennenlohe, Am Weichselgarten 8 von Interessenten besichtigt werden.

In der Vergrößerung auf dem Bildschirm wirken die „Flammenkeulen“ nach
der Zündung besonders eindrucksvoll. Für eine effektive Verbrennung
ist eine gleichmäßige Ausbreitung des Kraftstoffsprays wichtig.
Foto: Kurt Fuchs, ESYTEC/LTT

Vom Fahrersitz aus gesehen ist das Geschehen völlig undramatisch. Der Zündschlüssel wird gedreht, ein leichter Druck mit dem Fuß aufs Gaspedal, und das vertraute rhythmische Geräusch meldet, dass der Wagen läuft. In den Zylindern des Dieselmotors verdichten dabei Kolben die Luft, die dadurch auch aufgeheizt wird. Durch Mehrlochdüsen wird leicht entzündlicher Kraftstoff in das heiße Gas eingespritzt und verbrennt in feurigen Strah-len. Wenn dieses Schauspiel sichtbar gemacht wird, dann nicht aus reiner Freude am Spiel mit dem Feuer. Produzenten und Verfahrensentwickler sind an Details wie der Zerstäubung und Ausbreitung des Kraftstoff-Sprays oder dem Zündverhalten interessiert. Sie wollen die Zusammenhänge besser verstehen, um Motorleistung, Emissionen und Verbrauch zu optimieren.

Der LTT-Erlangen ist international führend in der Entwicklung von optischen Messmethoden, insbesondere laseroptischen Verfahren, zur Analyse von Kraftstoffsprays und motorischen Verbrennungsvorgängen. Hier wurden in den vergangenen Jahren auch „gläserne“ Motoren dazu eingesetzt, die Vorgänge im Brennraum besser in den Blick und damit in den Griff zu bekommen. Einspritzkammern haben gegenüber Motoren mit optischen Zugängen den Vorteil, dass die motorrelevanten Bedingungen je nach Bedarf konstant gehalten und unabhängig voneinander gezielt variiert werden können.

Der vollautomatische optische Prüfstand ist in Kooperation mit der Firma ESYTEC, Energie- und Systemtechnik GmbH, in Erlangen aufgebaut worden. Die Ingenieure von ESYTEC haben zusammen mit den Wissenschaftlern des LTT bereits mehrere Anlagen für unterschiedliche Drücke und Temperaturen für die Automobilindustrie und Hersteller von Einspritzdüsen konzipiert und umgesetzt. Dabei wurden die Systeme speziell an die Wünsche der Kunden angepasst und kontinuierlich verbessert.

Belastbar und kompakt
Die neue Anlage erlaubt es, die Bedingungen zum Zeitpunkt der Einspritzung im modernen Dieselmotor einzustellen. Das bedeutet, dass der Kraftstoff mit bis zu 2500 bar in eine Umgebung mit einem Druck von 100 bar bei etwa 700°C eingebracht werden kann. Bis zu fünf Fenster mit einem Durchmesser von jeweils 15 cm gestatten es, Einspritzung, Gemischbildung und die Verbrennung aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Da zuvor nicht bekannt war, wie Schaugläser ausgelegt sein müssen, damit sie diesen hohen Betriebstemperaturen standhalten, wurden die erforderlichen Materialwerte zusammen mit dem TÜV Süddeutschland im Vorfeld ermittelt. Nun ist gewährleistet, dass die verwendeten Fenster einer Kraft von ca. 40 t standhalten - und das bei Temperaturen von bis zu 800°C.

Die Besonderheit der Anlage liegt im durchströmten Betrieb, der es erlaubt, im Sekundentakt Einspritzungen abzusetzen und zu analysieren. Der Kraftstoff wird dabei nach der Messung entfernt, um reproduzierbare Bedingungen zu gewährleisten. Dafür mussten Hochdruck-Strömungserhitzer für Luft bzw. Stickstoff entwickelt werden. Mit einer elektrischen Leistung von etwa 6,5 kW können diese in einem nur 30 cm langen Rohr das komprimierte Gas auf 800 °C erhitzen. Auch ein Wärmeübertrager, der das heiße Spülmedium unter Druck wieder abkühlt, wurde von den Thermodynamikern unter Prof. Leipertz neu entwickelt - derartige Hochdruckapparate waren bisher nicht am Markt verfügbar.

Trotz der extremen Randbedingungen konnte der neue Prüfstand sehr viel kompakter als die bisherigen Anlagen ausgeführt werden. Damit wird dem Kundenwunsch nach komfortabler Handhabung und schnellen Rüstzeiten Rechnung getragen. Zusammen mit seinen Kooperationspartnern ist der LTT-Erlangen in der Lage, auch die komplette Messtechnik und Software für einen automatischen Betrieb inklusive der Auswertung zu liefern.

Künftig wird der Prüfstand, der bis Ende des kommenden Monats am LTT zu sehen ist, in der Brennverfahrensentwicklung bei einem deutschen Automobilhersteller eingesetzt. Nach Einschätzung der Entwickler steht eine Anwendung in der Qualitätskontrolle zu Überprüfung von Einspritzsystemen unmittelbar bevor.

Weitere Informationen für die Medien:

Dipl.-Ing. Ralf Lindner
Lehrstuhl für Technische Thermodynamik
Tel.: 09131/85-29772
rl@ltt.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.774 vom 23.12.2005


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- zuletzt aktualisiert am 12.11.2007