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Der deutsche Wettskandal und die Grenzen zwischen Sport und Staat

Macht und Ohnmacht der Fußballverbände

Das kürzlich abgeschlossene Verfahren gegen Angeklagte im deutschen Fußball-Wettskandal hat die Aufmerksamkeit erneut auf die Frage gelenkt, was Verbandsfunktionäre gegen Betrügereien im Grenzgebiet von Sport und Vermarktung unternehmen können. „In ihrem Bemühen, alles zu regeln, was mit dem Fußball zu tun hat, stoßen die Fußballverbände in Bereiche vor, die durch Gesetze bereits ausreichend geregelt sind. Sie verlassen damit den Boden ihres Satzungszwecks“, kritisiert Dr. Stephanie Jungheim, Dozentin an der WiSo-Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Rechtswissenschaftlerin bewegt sich damit auf vertrautem Boden. Für ihre Promotion am Lehrstuhl für Öffentliches Recht von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider hatte sie das Thema „Berufsregelungen des Weltfußballverbands für Spielervermittler“ gewählt.

Am 18. Oktober 2005 begann der Prozess im Berliner Landgericht, am 17. November entschied die Richterin Gerti Kremer: über zwei Jahre Gefängnis für den ehemaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer ebenso wie für den Wett-Profi und Cafébetreiber Ante Sapina, Bewährungsstrafen für drei andere Beteiligte. In einem abgetrennten Verfahren wurde der Chemnitzer Ex-Fußballer Steffen Karl am 8. Dezember zu neun Monaten mit Bewährung verurteilt. Die Justiz hat vergleichsweise schnell reagiert, und so ist der im Januar 2005 bekannt gewordene „Fall Hoyzer“ noch innerhalb dieses Jahres zu einem vorläufigen Ende gekommen.

Ebenfalls reagiert hat der Deutsche Fußballbund (DFB), nicht nur durch eigene Ermittlungs- und Sportgerichtsverfahren, Berufsverbote, Kündigungen und Sperren, Entschädigungszahlungen und Spielwiederholungen, sondern auch durch Maßnahmen, die künftig die Machenschaften von Betrügern erschweren sollen. Seit Ende April gilt ein Wettverbot für Trainer, Spieler und Schiedsrichter. Mehrere europäische Wettanbieter schlossen sich einem Frühwarnsystem an, das der DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) beim Informationsdienst Betradar installiert haben. Seit Beginn der Spielzeit 2005/06 werden hier Auffälligkeiten im Wettverhalten registriert, die bei möglichen Manipulationsversuchen in Spielen der ersten drei Ligen und im DFB-Pokal Alarm auslösen.

„Es bleibt zu hoffen, dass künftig sämtlichen Hinweisen auf Spielmanipulationen zügig nachgegangen wird - im Interesse des Sports“, kommentiert Stephanie Jungheim. Dies weist die Rechtswissenschaftlerin dem sporttypischen Bereich zu, dem Zweck solcher Verbände, der ein eigenständiges Regelwerk ebenso erforderlich macht wie Sanktionsmöglichkeiten, um diese Regeln durchzusetzen. Zugleich besteht sie darauf, dass die Befugnisse eines Verbands auf diesen Bereich begrenzt bleiben müssen.

Das Handeln im Sport wirkt sich in vielfacher Weise, vor allem in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht, außerhalb des Sports aus. Dem DFB wie dem Weltfußballverband FIFA kann deshalb ein Ausweitungsinteresse in sportuntypischen Bereichen attestiert werden. Kritisch wird es dann, wenn die Regelungen der Fußballverbände auf Personenkreise ausgedehnt werden, die weder Mitglied sind noch Verträge mit den Verbänden abgeschlossen haben, beispielsweise die Spielervermittler. Wenn Spieler und Vereine, die mit Vermittlern ohne FIFA-Lizenz zusammenarbeiten, mit Sperren, Geldstrafen und dem Ausschluss von internationalen Wettbewerben rechnen müssen, wird die innere Logik der Sanktionen im Sportbereich unterbrochen. Die Vermittlung eines Profi-Fußballers an einen neuen Arbeitgeber ist nichts anderes als Arbeitsvermittlung, und dafür gibt es in Deutschland und in der Europäischen Union schon genügend Gesetze.

„Wenn bereits die Durchsetzung des ureigenen Regelwerks solche Schwierigkeiten bereitet, sollten die Fußballverbände doch besser davon Abstand nehmen, immer neue Felder in ihrem Einflussbereich regeln zu wollen, und sich auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren“, empfiehlt Dr. Jungheim mit Blick auf den deutschen Wettskandal von 2004/05. Dafür könnte es noch zusätzliche Gründe geben. In Südosteuropa soll der europäische Fußballverband Uefa, wie die Süddeutsche Zeitung meldet*), Nachforschungen nach Wettmanipulationen gestoppt haben, weil die Warnsignale der Gegenseite allzu bedrohlich wurden.

*vgl. sueddeutsche.de/Sport vom 19.08.2005

 

 

Das UniKurier-Magazin Nr. 106 vom Juni 2005 enthält im Schwerpunktthema „Flanke, Kopfball, Tor! Wissenschaft rund um den Fußball“ einen umfassenden Bericht über die hier kurz dargestellte Untersuchung. Die Publikation der Universität Erlangen-Nürnberg ist im Internet unter http://www.uni-erlangen.de/infocenter/presse/publikationen/unikurier_magazin/index.shtml einzusehen.

 

 

Weitere Informationen

Dr. Stephanie Jungheim
Lehrstuhl für Öffentliches Recht
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Tel.: 030/30100274
StJungheim@aol.com

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.772 vom 13.12.2005


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