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Prophylaxe
von Katheter-assoziierten Infektionen
Silberionen als erfolgreiche Keimjäger
Zuzeiten
sorgen sie für Schlagzeilen, dann wieder verschwinden sie aus
der öffentlichen Diskussion, doch die Gefahr bleibt bestehen:
Multiresistente Krankheitserreger, die sich gegen viele Medikamente
abschotten können, sind in Krankenhäusern nicht auszumerzen.
Besonders hoch ist die Infektionsgefahr, wenn Mikroorganismen sich
auf Kathetern ansiedeln und in die Blutbahn gelangen. Prof. Dr.
Josef-Peter Guggenbichler, der an der Klinik für Kinder und
Jugendliche der Universität Erlangen-Nürnberg für
die Vermeidung und Behandlung von Infekten zuständig ist, hat
mit Silberpartikeln versetzte Kunststoffe seit langem als Material
für Katheter getestet, die keine Keimbesiedlung dulden. Mit
der neuesten Entwicklung ließ sich die Wirksamkeit deutlich
steigern: ein dauerhafter Strom von Silberionen wehrt die Eindringlinge
ab.
Strenge Hygiene,
ausgeübt von gut ausgebildetem Pflegepersonal bei nicht zu
knapper Besetzung, bleibt die wichtigste Voraussetzung dafür,
dass Patienten beim Klinikaufenthalt keine zusätzliche Krankheit
davontragen. Auch die penibelsten Vorkehrungen können jedoch
nicht alle Erreger aufhalten. Bakterien und Pilze treffen bei den
Erkrankten auf geschwächte körpereigene Abwehrkräfte.
Auf der Oberfläche und in den Hohlräumen von Kathetern
finden die Keime zusätzlich ideale Bedingungen, um sich zu
vermehren und einen Biofilm zu bilden, der sie schützt. Nicht
nur multiresistente Mikroorganismen sind dann schwer angreifbar.
Weil die Erfahrung gezeigt hat, dass Medikamente die Infektion oft
nicht stoppen können, wird zumeist der Katheter entfernt -
eine Notmaßnahme, die kostensteigernd, unangenehm und nicht
ohne Risiko ist.
Katheterbeschichtungen
und Imprägnierungen mit Antibiotika oder Desinfektionsmitteln
boten bisher keinen befriedigenden Ausweg. Metallisches Silber und
Silbersalze mit ihrer seit langem bekannten, breit gespannten antimikrobiellen
Wirksamkeit, die zudem keine Resistenzen erzeugt, sind zum Beschichten
von Kunststoffkathetern ungeeignet. Anders verhält es sich
jedoch, wenn kleinste Silberteilchen in den Hohlräumen der
Molekülketten von Polymeren verteilt werden. Die Elastizität
der Katheter wird hierbei nicht beeinträchtigt, die biologische
Verträglichkeit des Materials ist gewahrt, und die Fähigkeit,
Keime abzutöten, bleibt über viele Monate erhalten.
Ausschlaggebend
für diese Wirkung ist die Zahl der freigesetzten Silberionen.
Sie blockieren Enzyme, die den bakteriellen Energiestoffwechsel
in Gang halten, greifen in die Atmungskette von Mikroorganismen
und in genetische Prozesse ein. Dementsprechend ist es wesentlich,
für eine hohe, konstante und dauerhafte Freisetzung solcher
Ionen zu sorgen. Mit steigender Oberfläche von Silber-Nanopartikeln
im Kunststoff konnte die antimikrobielle Wirkung deutlich erhöht
werden. Noch effektiver wirkt die Kombination von Silber mit Platin,
das die Katheter allerdings zu steif macht, oder mit Ionenaustauschern
wie Zeolithen, deren Verarbeitung in Kunststoff-Kathetern jedoch
problematisch ist.
Abbildung:
Klinik für Kinder und Jugendliche
Ausrollkulturen
von drei Kathetertypen beweisen (im zeitlichen Verlauf von rechts
nach links), wie unterschiedlich sich eine Besiedlung mit Mikroorganismen
entwickeln kann. Alle drei Typen enthielten Nanosilber; die mittlere
Reihe zeigt Ergebnisse für einen Katheter mit aktiviertem Nanosilber.
Bei dreistündigen Messabständen findet sich hier bereits
nach sechs Stunden eine deutliche Keimreduktion, nach zwölf
Stunden ist das Material keimfrei.
Batterie
für aktiviertes Nanosilber
Keines dieser Probleme tritt bei der zugleich kostengünstigen
neuesten Materialentwicklung für Silberkatheter auf, die außerdem
den Mikroben so gut wie keine Chance mehr lässt. Während
das Nanosilber durch Zugabe von Säuren und Elektrolyten gebildet
wird, entstehen auf den Silberpartikeln schwer wasserlösliche
Silbersalze, die wie eine Batterie mit dem metallischen Silber reagieren
und effektiv Silberionen freisetzen. Ein mit Keimen verseuchter
Katheter mit aktiviertem Nanosilber reinigt sich selbst in kürzester
Zeit: nach zwölf Stunden ist er keimfrei. Dabei bleibt die
Abgabe von Silberionen um das 1000fache unter dem Ausmaß,
das für Menschen schädlich wäre, auch bei monatelanger
Liegedauer. Verschiedene Typen von Kathetern dieser Bauart, die
Prof. Guggenbichler gemeinsam mit Dr. Christoph Cichos aus Freiberg
entwickelt hat, sind bereits klinisch geprüft und werden von
drei Firmen in Hamburg und Düsseldorf vertrieben.
Wie häufig
in deutschen Krankenhäusern Infekte von den heutzutage prinzipiell
unverzichtbaren Kathetern ausgehen, ist umstritten. Die Zahlen schwanken
stark, nicht zuletzt deshalb, weil die Erhebungsmethoden uneinheitlich
sind. Zeigt ein Patient auf der Intensivstation anhaltend hohes
Fieber, Schüttelfrost oder einen Abfall des Blutdrucks, wird
oft vorsichtshalber der Katheter gezogen, und nicht immer folgt
eine eingehende Untersuchung auf Keimbesiedlung.
Mit Blick auf
eigene Studien und internationale Datensammlungen geht Prof. Guggenbichler
davon aus, dass mindestens 25.000, eher sogar 50.000 bis 75.000
Blutvergiftungen hierzulande jährlich auf Venenkatheter zurückzuführen
sind, die von Mikroben besiedelt wurden. Pro Fall verlängert
sich der Krankenhausaufenthalt um zehn Tage, die Kosten steigen
um 10.000 Euro, und auch bei sehr zurückhaltender Einschätzung
bedeutet dies allein in diesem Bereich mindestens 1.500 Todesfälle.
„Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen“, ist Prof.
Guggenbichler überzeugt. Frühgeborene, die er an der Erlanger
Kinderklinik häufig zu betreuen hat, gehören ebenso wie
Menschen höheren Alters zu den am stärksten betroffenen
Risikogruppen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. J.-P.
Guggenbichler
Klinik für Kinder und Jugendliche
Tel.: 09131/85-33726
prof.guggenbichler@gmx.de |