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Institut
für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin kooperiert mit Medizintechnik-Firma
Titan soll den Weichmachern Grenzen setzen
Für Infusionen müssen Schlauch und Beutel elastisch sein,
und Kunststoffprodukte erfüllen diese Bedingung bestens, weil
sie Weichmacher enthalten. Phtalate erweisen sich hier wie in anderen
Bereichen der Medizintechnik als äußerst nützlich,
doch zugleich bedeutet der Kontakt mit diesen Substanzen ein Gesundheitsrisiko,
vor allem wegen ihrer hormonähnlichen Wirkungen. So kommen
ausgerechnet kranke Menschen während der Behandlung verstärkt
mit potentiell schädlichen Stoffen in Berührung. Ein Forschungsvorhaben
unter dem Namen „MigraStop“, das von der Bayerischen
Forschungsstiftung gefördert wird, soll nun Abhilfe schaffen.
Prof. Dr. Jürgen Angerer vom Institut für Arbeits-, Sozial-
und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg kooperiert
dabei mit der GfE Medizintechnik
GmbH, die ein neues Beschichtungsverfahren entwickelt hat.
Phthalate werden
weltweit in riesigen Mengen produziert und hauptsächlich als
Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt. Besondere Bedeutung
kommt dabei dem Diethylhexylphthalat (DEHP) zu, das im Polyvinylchlorid
(PVC) in Anteilen bis zu 40 Prozent enthalten ist. Weil das DEHP
in diesen Kunststoffen nicht chemisch gebunden ist, wird es leicht
daraus freigesetzt. So gelangt es in die Luft, ins Wasser, in Lebensmittel
und zuletzt auch in den menschlichen Körper.
Untersuchungen
am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin haben gezeigt,
dass die Allgemeinbevölkerung mehr DEHP aufnimmt, als man bis
vor kurzem angenommen hatte. Das ist gesundheitlich deshalb bedenklich,
weil sich diese Substanz im Tierversuch als schädlich für
die Fortpflanzungsfähigkeit erwiesen hat. Unter anderem wurden
eine Verminderung der Spermienzahlen, eine Verminderung der Hodengewichte
und auch Hodenkrebs beobachtet. Es wird vermutet, dass beim Menschen
ähnliche Wirkungen zu befürchten sind.
Als besonders
problematisch erweist sich, dass viele Medizinprodukte wie Schläuche,
Beutel, Spritzen, Implantate etc. aus PVC und damit zum erheblichen
Teil auch aus DEHP bestehen. Mit diesem medizinischen Zubehör
kommen verschiedene Gruppen der Bevölkerung in besonders intensiven
Kontakt, beispielsweise Blutspender, Transfusionspatienten, Dialysepatienten
oder Frühgeborene. Dass solche Personen verglichen mit der
Allgemeinbevölkerung ein Vielfaches der DEHP-Mengen aufnehmen,
zeigen allerneueste Publikationen, auch solche aus dem Erlanger
Institut.
Die in Nürnberg
ansässige Firma GfE Medizintechnik hat kürzlich ein Verfahren
entwickelt und patentiert, mit dem es gelingt, Kunststoffe mit ultrafeinen
Schichten inerter Materialien, wie z.B. Titan, zu versiegeln. Wie
erste Untersuchungen zeigen, verhindert eine solche Titan-Schicht
das Ausbluten von Kunststoffbestandteilen und damit den Übertritt
unerwünschter Substanzen in den menschlichen Körper. Damit
könnte eine Gesundheitsgefährdung von Patienten und Probanden
durch die Aufnahme von DEHP wirksam verhindert werden. Wegen der
Verbreitung solcher Kunststoffprodukte in der Medizin eröffnet
dies der GfE Medizintechnik einen weltweiten Markt, was dem Standort
Bayern zu Gute kommt, wie es den Zielen der Bayerischen Forschungsstiftung
entspricht.
Die Kooperation
mit dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin kam
zustande, weil Hanngörg Zimmermann, Geschäftsführer
der GfE Medizintechnik Nürnberg, auf die Forschungen der Erlanger
Arbeitsgruppe über die Belastung des Menschen durch Phthalate
aufmerksam wurde und den Rahmen für das Gemeinschaftsprojekt
vorbereitete. Auf die am Institut erarbeiteten Methoden und Erfahrungen
kann „MigraStop“ jetzt aufbauen. Dabei ist zunächst
experimentell zu prüfen, ob eine Titanbeschichtung von PVC
die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt und als Migrationsbarriere
den Austritt von DEHP verhindert. In einem zweiten Schritt werden
Personengruppen wie Blutspender oder Frühgeborene untersucht,
die mit den bisher üblichen Kunststoffprodukten in Berührung
kamen, und mit solchen verglichen, die mit dem Titan beschichteten
medizinischen Zubehör behandelt worden sind.
Die im Rahmen
des Gesamtprojektes geförderten Untersuchungen im Bereich der
Blutspende erfolgen in Zusammenarbeit mit Priv.-Doz. Dr. Volker
Weisbach aus der Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie
(Leiter: Prof. Dr. Reinhold Eckstein) des Universitätsklinikums
Erlangen. Am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
übernimmt der Lebensmittelchemiker Holger Koch die Bearbeitung,
von Seiten der GfE Medizintechnik betreut Johannes Buttstädt
das Projekt.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Jürgen
Angerer
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Tel.: 09131/85 -22374
angerer@asumed.med.uni-erlangen.de
PD Dr. Volker
Weisbach
Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie
Universitätsklinikum Erlangen
http://www.transfusion.med.uni-erlangen.de/
Hanngörg
Zimmermann
Geschäftsführer
GfE Medizintechnik GmbH
Höfener Straße 45
90431 Nürnberg
www.gfe-online.de |