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zu hause bleiben muss nicht sein
 

Europäisches Forschungsprojekt zur Mobilität im Alter
Zu Hause bleiben muss nicht sein

Bedürfnisse und Probleme älterer Menschen gewinnen in Europa an Bedeutung. Zur Lebensqualität im Alter gehört es, so lang wie möglich ohne Hindernisse mobil zu sein und am Straßenverkehr teilnehmen zu können, denn reduzierte Mobilität erschwert es älteren Menschen, am sozialen Leben teilzunehmen, und dies kann zu Immobilität führen - ein Teufelskreis. Um Probleme in diesem Bereich zu identifizieren und auszuschalten, hat die Europäische Union das Forschungsprojekt SIZE (Life Quality of Senior Citizens in Relation to Mobility Conditions) eingerichtet, an dem acht Länder beteiligt sind. Für Deutschland arbeitet das Institut für Psychogerontologie unter Leitung von Prof. Dr. Heinz Jürgen Kaiser und Dipl. Päd. Bertram Kraus mit an den Untersuchungen. Die Ergebnisse von qualitativen Interviews aus einer ersten Projektphase liegen nun vor.

Genauso unterschiedlich wie Lebensumstände, Gesundheitsstatus, Wohnsituation oder finanzielle Mittel sind die Erfahrungen von Seniorinnen und Senioren mit Mobilität und Verkehrsbedingungen. Menschen, die gesund und mit einem ausreichenden finanziellen Polster alt geworden sind, haben meist keine oder geringe Schwierigkeiten, mobil zu bleiben. Betroffene und Experten sind sich darin einig.

Dennoch gibt es aus beider Sicht eine Reihe von Kritikpunkten. Technische Mängel werden dabei ebenso genannt wie Verkehrsabläufe, die für ältere Menschen schwer zu meistern sind, oder ungünstige infrastrukturelle Bedingungen. Geklagt wird vor allem über negative Erfahrungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Linienführung und Fahrpläne sind hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Berufstätigen und Schülern zugeschnitten. Auch die technische Ausstattung der Fahrzeuge wird in vieler Hinsicht als verbesserungsfähig angesehen.

In Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur wurden die städtischen Ballungszentren relativ gut bewertet, Randlagen oder ländliche Gebiete eher schlecht. Überraschenderweise beurteilen aber die Interviewpartner, die auf dem Land leben, die dortigen Mobilitätsbedingungen besser als erwartet. Mängel der Infrastruktur würden kompensiert durch nachbarschaftliche Unterstützung, wie etwa durch Fahrgemeinschaften. Überhaupt erscheinen den Senioren die Lebensbedingungen auf dem Land in einem besseren Licht als vermutet. Dort sind Verwahrlosungssignale (schmuddelige Straßen und Plätze, Grafittis, herumlungernde Jugendliche etc.) weniger verbreitet als in den Großstädten. Solche Signale wirken auf ältere Menschen bedrohlich und bewegen sie dazu, sich seltener aus dem Haus zu wagen.

Fahrkartenautomaten sind nicht nur für ältere
Fahrkartenautomaten sind nicht nur für ältere
Menschen oft unübersichtlich.
Foto: Pressestelle/M. Schübel

Generell betonten die Gesprächspartner die Bedeutung von sozialen Bedingungen auf die Mobilität älterer Menschen. Das diskriminierende, unter Umständen bedrohlich wirkende Sozialverhalten vieler Verkehrsteilnehmer, insbesondere der jüngeren, wird hier ebenso genannt wie mangelnde Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. An Dienstleistung fehlt es ebenfalls.

Personal im ÖPNV wurde abgebaut, und Apparate können kompetente Ansprechpartner nicht ersetzen. Besonders die Fahrkartenautomaten, die oft auch Jüngere verwirren, schneiden schlecht ab. Auf Bahnhöfen befremdet die Computer-Ansage, und unverständliches „Denglisch“ erschwert die Orientierung der Senioren.

Generell betonten die Gesprächspartner die Bedeutung von sozialen Bedingungen auf die Mobilität älterer Menschen. Das diskriminierende, unter Umständen bedrohlich wirkende Sozialverhalten vieler Verkehrsteilnehmer, insbesondere der jüngeren, wird hier ebenso genannt wie mangelnde Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. An Dienstleistung fehlt es ebenfalls. Personal im ÖPNV wurde abgebaut, und Apparate können kompetente Ansprechpartner nicht ersetzen. Besonders die Fahrkartenautomaten, die oft auch Jüngere verwirren, schneiden schlecht ab. Auf Bahnhöfen befremdet die Computer-Ansage, und unverständliches „Denglisch“ erschwert die Orientierung der Senioren.

Etwa die Hälfte der Befragten verfügt über einen Führerschein und eigenen PKW. Allerdings nutzen einige die Fahrerlaubnis kaum oder gar nicht. Behalten wollen sie die meisten dennoch so lange wie möglich. Das Auto ist für sie nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern Ausdruck ihrer Individualität und bis zu einem gewissen Grad Schutz vor zu enger Tuchfühlung mit anderen Verkehrsteilnehmern. Nach Meinung der Experten spricht nichts dagegen, „auto-mobil“ zu bleiben, solange Gesundheitszustand und Leistungsfähigkeit selbstkritisch beurteilt werden. Eine Sonderüberprüfung älterer Autofahrer lehnen die Fachleute ab. Gefährlicher ist es für Senioren, als Fußgänger unterwegs zu sein, wie die Unfallstatistik belegt. Hier werden intensive Verkehrssicherheitsarbeit und bessere städtebauliche Bedingungen angemahnt. Auch über alternative Mobilitätsformen müsse nachgedacht werden.

Grundsätzlich fordern Fachleute die Älteren auf, die bestehenden Möglichkeiten und Angebote flexibel für sich zu nutzen und zu kombinieren. Bis zu einem gewissen Grad könnten sie zudem ihr politisches Gewicht nutzen, um die Verkehrsinfrastruktur in ihrem Sinne zu verbessern. Das Gesamtprojekt SIZE, das von Deutschland, Irland, Italien, Österreich, Polen, Schweden, Spanien und der Tschechischen Republik umgesetzt wird, läuft bis Ende 2005.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Heinz Jürgen Kaiser
Institut für Psychogerontologie
Tel.: 09131/85 -26526
kaiser@geronto.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.701 vom 12.07.2004

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