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regionalität bemisst sich nicht in kilometern
 

Erlanger Geograph nimmt Stellung zur Debatte über Regionalprodukte
Regionalität bemisst sich nicht in Kilometern

Wieviele Kilometer zwischen Herstellung und Verbrauch liegen, sagt nichts darüber aus, ob Produkte für die Umwelt besser oder schlechter sind. Diese Position vertritt Dr. Ulrich Ermann, Kulturgeograph an der Universität Erlangen-Nürnberg, in seiner Doktorarbeit zum Thema "Regionalprodukte". Er beschreibt die Regionalisierung von Nahrungsmitteln als einen Ansatz, um persönliche Beziehungen der Verbraucher zur Nahrungsmittelerzeugung und ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Produktionszusammenhängen zu fördern. Die aktuelle Diskussion über die Energieeffizienz regionaler Nahrungsmittel, so Ermann, gehe also an der eigentlichen Problematik vorbei.

Ende 2003 hatte eine Presseerklärung von Elmar Schlich, Professor für Haushaltstechnik in Gießen, für einen Aufschrei bei Umweltschützern und Regionalinitiativen gesorgt. Als Ergebnis eines Forschungsprojekts wurde die These vertreten, dass Fruchtsäfte und Lammfleisch aus der Region ein Vielfaches der Energie verbrauchen können, die für entsprechende Produkte aus überregionaler Erzeugung aufgewendet wird. Die Reaktionen von Regionalvermarktern reichen vom Vorwurf des Irrtums bis zum Beschuldigung der absichtlichen Manipulation. Auch aus den Reihen der Wissenschaft wird Kritik geübt, etwa, dass sich die Aussagen nur auf Extremfälle bezögen und nicht verallgemeinert werden könnten.

Die Vertreter beider Positionen begehen jedoch laut Ermann den gleichen Fehler, Regionalität mit kurzer Distanz gleichzusetzen. Sie unterstellen gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen räumlichen und moralischen Kategorien und sitzen damit, so Ermann, einem Trugschluss auf, der Generationen von Geographen geprägt hat. Heute habe sich in Fachkreisen weitgehend der Konsens durchgesetzt, dass man weder vom Naturraum noch von formalen Lagebeziehungen kausal auf soziale und moralische Aspekte des Wirtschaftens schließen könne.

Regionalisierung von Nahrungsmitteln solle nicht vorrangig Energie einsparen. Vielmehr gehe es um Gegenmodelle zur industriellen, auf Arbeitsteilung und Anonymisierung beruhenden Ernährungswirtschaft. Kennenzeichen von "regionalen" Produkten ist die soziale Nähe zwischen Produktion und Konsum. Anders als industrielle Massenware haben sie den Vorteil, dass die konkreten Produktionsbedingungen samt den daran beteiligten Menschen und der damit verbundenen Naturnutzung den Verbrauchern "nahe" gebracht werden. Den Vermarktern von Apfelsaft und Lammfleisch gehe es um die landschaftspflegerischen und kulturellen Leistungen der Erzeugungsstrukturen und nicht um eine an Industriebetrieben orientierte Energieeffizienz.

Einig sind sich die Vertreter beider Positionen in der aktuellen Debatte darin, dass effizientere Produktions- und Logistikstrukturen für die regionale Nahrungsmittelversorgung durchgesetzt werden sollten. Ermann gibt hingegen zu bedenken, Regionalität lasse sich nicht ohne weiteres mit einer technisch verstandenen Effizienzideologie in Einklang bringen. Vielmehr sei es das Charakteristikum von Regionalprodukten, Verantwortungsbewusstsein und Beziehungen zwischen Erzeugung und Verbrauch herzustellen.

Weitere Informationen

Dr. Ulrich Ermann
Institut für Geographie
Tel.: 09131/85 -22006
uermann@geographie.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.689 vom 11.03.2004

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