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ein blick in den weltraum mit neutrinos
 

Beteiligung des Physikalischen Instituts am ANTARES-Teleskop
Ein Blick in den Weltraum mit Neutrinos

Sehen kann man Neutrinos nicht. Sie passieren die Netzhaut genauso unbemerkt, wie sie die Erde in ihrem gesamten Durchmesser durchqueren können, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Trotzdem eröffnen solche Elementarteilchen tiefere Einblicke

als das Licht und könnten sogar dunkle Materie sichtbar machen - wenn es gelingt, genügend dieser flüchtigen Informanten einzu-fangen.Am Physikalischen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg sind die Lehrstühle von Prof. Dr. Gisela Anton und Prof. Dr. Uli Katz am Neutrinoteleskop ANTARES beteiligt, das zur Zeit in einem europäischen Gemeinschaftsprojekt in 2400 Metern Tiefe vor der Küste von Marseille aufgebaut wird.


Abb. 1: Skizze des Antares-Detektors.

Die meisten astronomischen Beobachtungen und Erkenntnisse sind über Jahrhunderte durch schlichtes "Hinschauen" gewonnen worden. Die Erfindung des Fernrohres hat die Möglichkeiten, ferne Objekte zu untersuchen, erheblich gesteigert. Schließlich wurde außer dem sichtbaren Licht auch langwelliges Licht (Radiowellen, Infrarotwellen) und kurzwelliges Licht (UV-Licht, Röntgenstrahlung und Gammastrahlung) genutzt. Solche Messungen haben nicht nur dazu beigetragen, dass wir mit großer Detailkenntnis wissen, wie die Planeten und unsere Sonne, die Sterne unserer Galaxie und andere Galaxien heutzutage aussehen, sondern auch, wie diese Objekte in der Vergangenheit ausgesehen haben und wie sie sich in Zukunft entwickeln werden. Obwohl die Menschheit erst seit wenigen tausend Jahren astronomische Beobachtungen durchführt, können wir Schlüsse auf die Entwicklung unseres Universums über einen zurückliegenden Zeitraum von ca. 14 Milliarden Jahren ziehen.

Aber die Informationen, die man aus dem Licht verschiedener Wellenlängen gewinnen kann, sind beschränkt. Es gibt andere Botschafterteilchen, die wertvolle Informationen vermitteln, z.B. die Neutrinos. Neutrinos sind im Kosmos in sehr großer Zahl vorhanden. Pro Sekunde wird ein menschlicher Körper von vielen Milliarden von Neutrinos durchquert. Das ist ungefährlich, weil Neutrinos nur äußerst selten eine Reaktion mit Materie eingehen und daher die resultierende radioaktive Belastung sehr gering ist. Aber die Sonnenneutrinos liefern ebenso wie das Sonnenlicht Informationen über die Sonne. Mit Hilfe von Neutrino-Teleskopen kann man diese Neutrinos detektieren und so Aufschlüsse gewinnen. Während z.B. das Licht, das im Zentrum der Sonne erzeugt wird, im Mittel einige Jahre benötigt, bis es die Oberfläche der Sonne und acht Minuten später die Erde erreicht, erreichen uns die Neutrinos aus dem Zentrum der Sonne direkt (Flugzeit acht Minuten) und geben wesentliche Informationen über die Fusionsreaktionen, die für die Energieversorgung der Sonne verantwortlich sind.

Für die Astrophysikalische Forschung sind in den letzten Jahren sehr hochenergetische Neutrinos in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Solche Neutrinos mit Energien größer als ca. 1012 eV können z.B. produziert werden, wenn ein schwarzen Loch und ein Begleitstern sich sehr eng umeinander drehen und dabei Materie vom Begleitstern auf das schwarze Loch übergeht. Eine andere mögliche Quelle hochenergetischer Neutrinos könnte in sogenannter kalter "dunkler Materie" bestehen. Diese dunkle Materie könnte im Urknall bei der Geburt unseres Universums produziert worden sein. Sie ist völlig verschieden von der bekannten Materie und kann z.B. nicht Licht aussenden oder reflektieren, weshalb sie eben dunkel ist. Die Teilchen der dunklen Materie können aber zusammenstoßen und dabei Neutrinos erzeugen. Die Messung solcher Neutrinos mit einem Neutrinoteleskop böte also einen einzigartigen Blick in eine ansonsten verborgene Welt.

Da Neutrinos äußerst selten eine Reaktion eingehen, ist es sehr schwierig und aufwändig, Neutrinos zu detektieren. Erschwerend kommt hinzu, dass hochenergetische Neutrinos in relativ geringer Anzahl erzeugt werden. Deshalb benötigt man zum Nachweis hochenergetischer Neutrinos sehr große Detektoren, die üblicherweise in internationalen Kollaborationen entwickelt und betrieben werden, wie z.B. das Antares-Projekt.

Ein “string” wird vom Schiff aus ins  Wasser gelassen.
Abb. 2: Das Unterseeboot Nautile wird
vom Schiff aus ins Wasser gelassen.

Fotos: Antares-Kollaboration

Das ANTARES-Teleskop wird aus zwölf "strings" bestehen, die jeder am Boden verankert sind und von einer Boje am 480 m entfernten Ende straff nach oben gehalten werden. Abbildung 2 zeigt das Unterseeboot Nautile, das zum Verlegen von Kabeln benutzt wird, die von den “strings” kommen. Der Roboterarm der Nautile muss unter Wasser bei einem Druck von 250 bar z. B. einen Stecker in die Kupplung einer “junction box” drücken. Von dort führt ein 40 km langes Versorgungs- und Datenkabel zur Küste.

Cerenkovlicht: die Bremsspur des Müons
An den “strings” befinden sich auf 25 "Etagen" je drei Photosensoren, die wie große Augen aussehen und die das Cerenkovlicht vermessen sollen, das bei einer Neutrinoreaktion entsteht.Ein Neutrino kann bei einem Stoß mit einem Atomkern des Wassers (Wasserstoffkern oder Sauerstoffkern) ein Müon erzeugen. Dieses Müon fliegt entlang der ursprünglichen Richtung des Neutrinos und legt dabei eine Strecke von ca. 100 m im Wasser zurück. Es emittiert auf diesem Weg gewissermaßen als Bremsspur Cerenkovlicht. Dieses von den Photosensoren nachgewiesene Lichtsignal wird elektronisch aufbereitet, digitalisiert und über das Kabel an Land geschickt, wo es weiter analysiert und gespeichert wird.

Das ANTARES-Teleskop soll bis 2006 fertiggestellt werden. 200 Physiker aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlangen, Russland und Spanien arbeiten intensiv daran, dieses Projekt zum Erfolg zu führen und die spannende Suche nach hochenergetischen Neutrinos aufzunehmen, die Aufschluss über faszinierende kosmische Geschehnisse versprechen.

Ein “string” wird vom Schiff aus ins
Abb. 3: Ein “string” wird vom Schiff aus
ins Wasser versenkt.


Abb. 4: Die Position von Antares vor der Küste von Marseile (Toulon).


Weitere Informationen

Prof. Dr. Gisela Anton
Lehrstuhl für Experimentalphysik
Tel.: 09131/85 -27151
anton@physik.uni-erlangen.de


Mediendienst Forschung-Aktuell Nr. 670 vom 26.08.03

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zentrale universitätsverwaltung pressestelle--- zuletzt aktualisiert am 07.01.2004