"Ich glaube nicht, daß in Deutschland
ein Freiherr oder Graf eine solche Ehre erweisen kann". So
fasste Ende des 15. Jahrhunderts der Nürnberger Arzt Hieronymus
Münzer die Eindrücke zusammen, die ein außergewöhnliches
Gastmahl in Spanien bei ihm hinterlassen hatte. Im September 1494
war er in Barcelona, als ihn Landsleute zum Essen einluden. Münzer
vermerkt, er sei damals von deutschen Kaufleuten bei Musik und Tänzen
"nach maurischer Art" auf das Edelste mit katalanischen
Speisen bewirtet worden. Der Nürnberger war beeindruckt. In
Spanien auf Deutsche zu treffen war nicht so ungewöhn-lich
- viele hatten sich dort als Kaufleute oder Buchdrucker niedergelassen
- ins Staunen jedoch versetzte ihn der luxuriöse Gebrauch,
den seine Landsleute von der Kultur ihres Gastlandes zu machen wussten.
Der Aufenthalt in Barcelona war nur eine kurze Etappe
in einem ereignisreichen Leben. Hieronymus Münzer wurde 1437
in Feldkirch (Vorarlberg) geboren. Nach einem Studium der artes
liberales in Leipzig und der Promotion zum Doktor der Medizin in
Pavia hatte er sich in Nürnberg niedergelassen. Als dort 1494
die Pest wütete, suchte Münzer sein Heil in der Flucht.
Er ließ Frau und Kind in der Reichsstadt zurück und brach
zu einer langen Reise auf, die ihn in den Jahren 1494/95 über
die Schweiz nach Frankreich, Spanien und Portugal und schließlich
in die Niederlande führte.
Vergleich mit der Heimatstadt
Über die Stationen von Münzers Weg sind wir genau informiert:
In seinem lateinischen Reisebericht (Itinerarium) beschreibt der
Arzt, was er alles sah und erlebte. Erstaunlich ist die Vielfalt
seiner Interessen, die den unterschiedlichsten Aspekten politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Lebens gelten. Der Nürnberger
beschreibt fremde Völker und exotische Produkte aus fernen
Ländern genauso, wie er minutiös arabische und spanische
Wörter wiedergibt. Er verliert bei all dem seine Heimatstadt
nicht aus dem Blick, deren Bürger ja auch Leser seines Reiseberichts
waren. Vielleicht ist gerade deshalb der Vergleich für Münzer
so wichtig, etwa wenn er spanischen Bauten Nürnberger Kirchen
gegenüberstellt. Der literarische Niederschlag, den solche
Beobachtungen fanden, ist eine hervorragende Quelle nicht nur für
die Reisen Nürnberger Bürger Ende des 15. Jahrhunderts
und die Geschichte der von Münzer bereisten Länder, sondern
auch ein Zeugnis für regionale Ausgangspunkte und Wahrnehmungsperspektiven
der sogenannten "europäischen Expansion" um 1500.
Angesichts dieses Aussagewertes verwundert es, dass
Münzers Reise bisher kaum Gegenstand umfangreicher Studien
war. Das wird sich nun bald ändern. Denn dem Reisebericht des
Hieronymus Münzer gilt ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
seit dem 1. Januar 2003 gefördertes Arbeitsvorhaben
am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte. Ziel des
Projekts, an dem Sofia Seeger und Dr. Randall Herz mitarbeiten,
ist zunächst eine kritische Neuedition des lateinischen Itinerarium.
Dieser Text soll durch eine deutsche Übersetzung zugleich einem
größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden.
Erdapfel und Weltchronik
Weiter ist beabsichtigt, den Autor des Reiseberichts in sein regionales
und kulturelles Umfeld einzuordnen. Nürnberg erlebte um 1500
eine Zeit geistiger Blüte. Davon zeugt nicht zuletzt ein Kreis
kosmographisch interessierter Humanisten, in dem Münzer verkehrte.
An einigen der bedeutendsten Leistungen dieses Gelehrtenzirkels
wirkte der Arzt aus Feldkirch mit, etwa an dem als "Erdapfel"
bezeichneten Globus Martin Behaims, der 1492 vollendet wurde, und
an der ein Jahr später gedruckten Schedelschen Weltchronik.
Abgesehen von dieser Nürnberger Seite des Hieronymus
Münzer verfolgt das neue DFG-Projekt das Ziel, den Reisebericht
unter inhaltlichen Gesichtspunkten auszuwerten. Hierzu zählen
etwa das Phänomen der Reisen und Reiseliteratur um 1500, die
Geschichte der von Münzer besuchten Regionen und die vielfältigen
Beziehungen zwischen Deutschland und der Iberischen Halbinsel.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Herbers
Tel.: 09131/ 85 - 22356
Klaus.Herbers@phil.uni-erlangen.de
Sofia Seeger MA
Tel.: 09131/ 85 - 25893