Archiv Pressemeldungen

 
spühtrocknung von protein-arzneimitteln
  Verfahren zur Herstellung stabiler therapeutischer Pulver
Spühtrocknung von Protein-Arzneimitteln

Wenn die Diät nicht hilft, haben Diabetiker keine Wahl. Ob ihnen vor der Nadel graut, ob sie jeden Einstich als schmerzhaft empfinden - sie müssen sich an die Spritze gewöhnen. Nur so kann das Insulin, das ihren Blutzuckerhaushalt in Ordnung hält, wirksam werden. Werden Protein-Arzneimittel auf andere Weise verabreicht, geht ihre Aktivität vor dem Ziel verloren. In der Sprühtrocknung von Proteinpulvern, die als feinste Partikel über die Lungen oder die Haut zum Wirkungsort gelangen können, wird am Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie der Universität Erlangen-Nürnberg von Prof. Dr. Geoffrey Lee ein Verfahren erforscht, das Eiweißmoleküle stabilisiert und für therapeutische Zwecke effektiv erhält.

Als Wirkstoff von Medikamenten müssen Proteine im zentralen Kreislauf biologisch aktiv werden. Tabletten oder Kapseln zu schlucken, scheidet in diesem Fall aus. Der Magen ist darauf eingerichtet, Eiweiß zu verdauen, und zerlegt therapeutische ebenso wie andere Proteine. Hüllen als Trägersysteme schützen davor nicht hundertprozentig. Außerdem können intakte Proteine die Magenschleimhaut nur schwer passieren. Weniger als ein Prozent einer mündlich eingenommenen Dosis von Insulin, Interferonen, Immunglobulinen oder Wachstumshormonen erfüllt die Funktion, für die sie gedacht ist.

Obwohl sie vielen Patienten unangenehm und dazu in Produktion und Anwendung teuer ist, bleibt für die 60 therapeutischen Proteine auf dem deutschen Markt bisher nur die Spritze. Die intensive Suche nach Alternativen mündete zum einen in Systemen, die den Wirkstoff nach und nach freigeben, so dass er seltener verabreicht werden muss. Zum anderen wurden neue Applikationswege erschlossen. Über Nase und Lungen können Pulver inhaliert werden. Nadelfreie Injektionssysteme, die mit Druckluft oder Federmechanik arbeiten, bringen therapeutische Substanzen in die Haut ein. Die chemische und physikalische Stabilität von Proteinen bleibt jedoch ein Problem. In den Prozessen zur Herstellung von Arzneimitteln und nach der Freisetzung im Körper drohen die Moleküle entfaltet und denaturiert zu werden.

"Trägersystem und Verabreichungsweg müssen für eine effiziente Therapie gut aufeinander abgestimmt sein", stellt Prof. Lee fest. Um feine, stabile Proteinpartikel zu erzielen, die sich gut in den Lungenbläschen ablagern, ist die Sprühtrocknung nach den Untersuchungen am Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie besonders geeignet. Mittels Sprühgefriertrocknung, einem Verfahren, das ebenfalls zum Stabilisieren von Proteinen verwendet wird, werden in Erlangen Proteinpulver für nadelfreie Injektionssysteme gewonnen.

Stabiler werden die Proteine durch Hilfsstoffe, die sich mit den Molekülen verbinden und nach der Trocknung einen Zustand einnehmen, der mit Glas vergleichbar ist. Die Sprühtrocknung einer wässrigen Protein-Hilfsstoff-Lösung findet bei über 100° C statt. Die Lufttemperatur steuert den Feuchtigkeitsgehalt der Pulverteilchen. Mehr Wärme inaktiviert mehr Protein, ergibt jedoch Pulver, die sich besser halten. Ein Sprühtröpfchen mit 10 mm Durchmesser braucht zum Trocknen nicht einmal eine Sekunde, was dazu beiträgt, dass Proteine trotz der Temperaturen kaum zersetzt werden.

Solange der Turm des Sprühtrockners von feinem Tröpfchennebel erfüllt ist, sind die Grenzflächen zwischen Luft und Flüssigkeit groß. Unter diesen Umständen entstehen in der kurzen Zeit zwischen Zerstäuben und Trocknen Protein-Aggregate, Verbindungen, die den Verlust von Aktivität bedeuten. Im getrockneten Teilchen bleiben die Aggregate bestehen. Detaillierte Analysen zum Grenzflächenverhalten von Proteinen und zum Aggregatzustand im Pulverteilchen helfen bei der Suche nach Maßnahmen, die diese Tendenz begrenzen.

Nadelfreie Pulverinjektoren sind besonders geeignet, Impfstoffe in die Haut einzubringen. Das Team von Prof. Lee hat einen Prozess der Sprühgefriertrocknung entwickelt, der proteinbeladene Teilchen in geeigneter Größe und Dichte für solche Systeme herstellt. In ein Bad mit flüssigem Stickstoff oder Propan wird eine wässrige Lösung des Proteins plus glasbildendem Hilfsstoff versprüht, die zu fein verteilten Tröpfchen gefriert. Bei der anschließenden Gefriertrocknung entstehen Pulver mit sehr poröser Partikelstruktur. Aktivitätsverlust durch Aggregatbildung kann durch einen Träger vermindert werden. Bei sehr raschem Einfrieren zeigt sich, anders als bei regulärer Gefriertrocknung, keine Aggregation - ein Ergebnis, das die Forscher überrascht und noch weiter analysiert werden muss.

Andere Schritte im Prozess der Sprühtrocknung, die zur Entfaltung und Inaktivierung führen können, werden ebenfalls eingehend untersucht. Am Lehrstuhl für Strömungsmechanik von Prof. Dr. Franz Durst ist ein "Single Drop Drying Levitator" entwickelt worden, der Feinheiten sichtbar und messbar macht. Ein einzelnes Sprühtröpfchen, das zum Pulverpartikel trocknet, kann damit direkt beobachtet und in seinem Verhalten quantitativ bestimmt werden.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Geoffrey Lee
Tel.: 09131/85 -29552
lee@pharmtech.uni-erlangen.de


Dr. Gerhard Simon
Tel.: 09131/85 -29555
Simon@pharmtech.uni-erlangen.de


Die sprühgetrockneten Pulverteilchen wurden bei 150°C hergestellt. Der mittlere Teilchendurchmesser beträgt etwa 7 mm.

Sprühgefriergetrocknete Partikel sind größer als durch Sprühtrocknung entstandene Teilchen. Die Einfriergeschwindigkeit verursacht hohe Porosität.
Abb.: Universität Erlangen-Nürnberg


Mediendienst FORSCHUNG Nr. 649 vom 9.1.2003


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- --- zuletzt aktualisiert am 07.01.2004