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Nur jeder Fünfte über 65-Jährige hat bislang eine Patientenverfügung

Selbstbestimmung am Lebensende: Wunsch und Wirklichkeit liegen weit auseinander

Den möglichen Verlust der Selbstbestimmung am Ende des Lebens sehen viele Menschen als Bedrohung. Etwa 80 Prozent würden daher gern selbst entscheiden, unter welchen Umständen sie sterben. Dennoch sorgen die wenigsten Menschen vor und treffen schon frühzeitig in einer Patientenverfügung Regelungen für den Ernstfall. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Instituts für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Frieder R. Lang und Prof. Dr. Gert G. Wagner (DIW). Dazu befragten die Wissenschaftler im Sommer dieses Jahres 500 Personen zwischen 20 und 80 Jahren zu ihren Erwartungen über das Altern, ihre gewünschte Lebensdauer und ihre Gesundheit.

Die meisten Menschen wünschen sich, ungeachtet ihres aktuellen Alters, zwischen 80 und 89 Jahre alt zu werden. Eine solche ideale Lebensspanne halten dabei mehr als 50 Prozent der Befragten auch durchaus für realistisch bzw. wahrscheinlich. Ein langes Leben um jeden Preis wollen jedoch die Wenigsten: Über zwei Drittel der Befragten finden es kaum erstrebenswert, ihr Wunschalter zu erreichen, wenn sie dafür gesundheitliche Einschränkungen in Kauf nehmen müssten. Aber nur etwa jeder Fünfte der über 65-Jährigen hat eine Pa-
tientenverfügung erstellt, in der ihr Wille zur weiteren medizinischen Behandlung im Falle einer schweren Krankheit oder Verletzung niedergelegt ist. Dieser Anteil nimmt mit steigendem Alter sogar noch leicht ab. „Das weist vermutlich auf eine schlechtere Informiertheit und Entschlusskraft der über 80-Jährigen hin“, erläutert Professor Lang. Noch geringer ist der Anteil unter den jungen Erwachsenen: Bei den unter 35-Jährigen haben nur vier Prozent, unter den 35- bis 64-Jährigen immerhin zehn Prozent bereits eine Patientenverfügung verfasst.

„Es zeigt sich, dass in der modernen Gesellschaft der Tod ein selten wahrgenommenes Ereignis ist und die meisten jüngeren Menschen mehr als Ältere der Auseinandersetzung mit den eigenen Lebens- und Sterbeperspektiven ausweichen“, sagt Professor Lang. „Schon die Frage, wie lange man denn eigentlich leben möchte, wird von vielen Menschen nicht gerne beantwortet.“ So gaben in der Befragung rund 25 Prozent an, es sei ihnen egal, wie alt sie einmal werden würden. „Wer sich darauf einlässt, eine Patientenverfügung zu erstellen, von dem wird verlangt, dass er sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt und mit einer Vielzahl von ethischen Fragen, die das eigene Sterben und dessen Konsequenzen für die Angehörigen betreffen. Gerade für junge Menschen erfordert dies eine besondere Einsicht in die Endlichkeit und Verletzlichkeit des Lebens, die oft noch nicht besteht.“

„Unsere Befunde deuten aber auch darauf hin, dass sich immer mehr Menschen einer grenzenlosen medizinischen Versorgung im Sterbeprozess verweigern. Angesichts der enormen biologischen und medizinisch-technischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte, erkennen viele Menschen, dass es für sie nicht um die Länge des Lebens, sondern in erster Linie um die Qualität und Würde des eigenen Lebens geht“, berichtet der Psychologe.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Frieder R. Lang
Institut für Psychogerontologie
Tel.: 09131/85 -26526
flang@geronto.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.803 vom 30.10.2006


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