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Studie der Christlichen Publizistik untersucht Medienberichte über Kirche

Kirchenbild in den Medien besser als vermutet

Die kirchliche Klage über die journalistische Wahrnehmung ihrer Institution und ihres Glaubens ist Legion. Von „Skandalberichterstattung“ ist häufig die Rede. Den Medien wird eine antikirchliche Einstellung vorgeworfen. Der Theologe Daniel Meier von der Abteilung Christliche Publizistik der Universität Erlangen-Nürnberg hat es sich in seiner Dissertation zur Aufgabe gemacht, diese Vorbehalte wissenschaftlich zu überprüfen. Er analysierte dafür langfristig mehrere deutsche Zeitungen aus Ost und West. Ergebnis: Das mediale Kirchenbild ist vorteilhafter, interessanter und vielfältiger als oftmals vermutet. Die Nachrichtenwerte „Schaden“ und „Konflikt“ sind erheblich schwächer ausgeprägt als dies in der Berichterstattung über Politik der Fall ist.

Keinesfalls berichten Journalisten nur über Kardinalsernennungen oder Kirchentage als mediale Großereignisse. Auch das alltägliche Gemeindeleben hat eine Chance in die Zeitung zu kommen, wenn es dem Leser etwas zu sagen hat. So findet sich eine große Reportage über ein christliches Sterbe-Hospiz neben dem Porträt holländischer Eltern, die sich als Christen fragen, ob sie ihr behindertes Kind abtreiben dürfen oder nicht. Dabei treten die Gläubigen in der Tagespresse weniger hierarchisch auf als dies in der evangelischen Pressearbeit mit einer klaren Dominanz des Bischofs der Fall ist.

„Je religiöser formuliert, desto irrelevanter für die Medien“ - auch dies ist ein Vorbehalt, den die Studie widerlegt: Gerade bei Ereignissen, die sich jeder menschlichen Vernunft entziehen, bedient sich die journalistische Sprache häufig religiösen Vokabulars. Vor allem die Boulevardpresse artikuliert vergleichsweise unbefangen religiöse Dimensionen. So druckt etwa die Bild-Zeitung am Tage nach der Trauerfeier für ein ermordetes Mädchen aus dem brandenburgischen Eberswalde die gesamte Traueransprache von Bischof Wolfgang Huber unter der Überschrift „Gott - wo bist Du gewesen?“ An anderer Stelle wünscht sich Kolumnist Franz-Josef Wagner für den an Krebs erkrankten BVB-Stürmer Heiko Herrlich, „dass er bei Gott alle Kraft findet, um diese Situation durchzustehen.“ Auch die anderen Zeitungen pflegen eine Art Nutzwert-Journalismus, der Antworten auf die Frage gibt: „Wie bewältigen Menschen mit Hilfe von Gott und Kirche ihr Lebensschicksal?“

Protestanten nicht benachteiligt
Nicht zuletzt weist die Studie das speziell evangelische Gefühl der Vernachlässigung durch die Medien zurück: Zwar ist der Katholizismus im Politik-Ressort stärker präsent. Im Feuilleton und im Lokalen besteht hingegen eine annähernde Ausgewogenheit. Profitiert die katholische Kirche im Fernsehen deutlich vom Nachrichtenfaktor Visualisierung, passt die Fixierung der evangelischen Kirche auf das Wort offenbar besser zum Genre Tageszeitung. Freilich besitzen die binnenkirchlichen Differenzierungen für den Journalisten längst nicht die Bedeutung wie für die Kirche selbst. Wer mag, kann darin ein journalistisches Desinteresse erkennen, positiv könnte jedoch auch eine journalistisch praktizierte Ökumene bescheinigt werden, meint Dr. Daniel Meier.

Angesichts der überraschenden Ergebnisse mag man sich verwundert fragen, woher eigentlich die pauschale Abwehr mancher Kirchenvertreter den Medien gegenüber rührt. Neben schlechten Erfahrungen im Einzelfall, die bisweilen zu Verschwörungstheorien verallgemeinert werden, könnte der Grund nicht zuletzt in einer grundlegenden Konkurrenz zwischen Pfarrern und Journalisten liegen, lautet die These des Autors. Beide Berufe deuten das Weltgeschehen auf ihre Art und Weise, auf der Kanzel oder in der Redaktion, in der Predigt oder in der Reportage. Dagegen könnte die journalistische Wahrnehmung manches kirchliche Selbstbild hilfreich korrigieren. Nicht zuletzt diene eine kritische Presse auch der Kirche letztlich mehr als jede Hofberichterstattung.

Daniel Meier: Kirche in der Tagespresse. Empirische Analyse der journalistischen Wahrnehmung von Kirche anhand ausgewählter Zeitungen. Erlangen, Verlag Christliche Publizistik, 2006, 25 Euro.

Weitere Informationen für die Medien:

Dr. Daniel Meier
Abteilung für christliche Publizistik
Tel.: 09131/85-23009
publizistik@theologie.uni-erlangen.de

 

Mediendienst Forschung-Aktuell Nr.798 vom 18.10.2006


zentrale universitätsverwaltung, pressestelle --- zuletzt aktualisiert am 12.11.2007