Zaynab Alkali

(Nigeria)

Autorenporträt, Biographie / Veröffentlichungen

Samstag, 4.10.97, 10 Uhr
Forum 3, Redoutensaal
Theaterplatz, Erlangen

Montag, 6.10.97, 20 Uhr
Zeitungscafé in der Stadtbibliothek
Eingang Peter-Vischer-Str., Nürnberg

 

Neue Frauen braucht das Land

"Es ist gut zu träumen, Kind ... Alle tun es und so lange wir leben, werden wir nicht aufhören zu träumen. Aber es ist auch wichtig, daran zu denken daß Träume - wie Kinder - empfangen werden. Aber nicht alle Träume werden lebend geboren. Einige werden abgetrieben, andere tot geboren."

Diese Sätze aus Zaynab Alkalis Roman "Tot geträumt und still geboren" sind selbst Teil eines Traums: Li, die weibliche Hauptfigur des Buchs, gibt sie ihrer Urenkelin mit auf den Weg, in einem Traum, den sie mit Anfang 30 hat.

Hier, für sich genommen, können Lis Worte wie die Botschaft einer schwer Enttäuschten klingen. Nüchtern, hart, desillusioniert.

Kommen wir aber an diese Stelle gegen Ende des Romans, nachdem wir Li's Geschichte über mehr als 20 Jahre verfolgt haben, so ist der Eindruck ein völlig anderer: Hier spricht sich die Überzeugung einer Widerspenstigen aus, die sich nicht hat zähmen lassen; und die doch auch klug genug war, ihre Vorstellungen vom Glück nicht absolut zu setzen. Manche Lebensträume fliegen mit uns eben zu hoch - dann lieber loslassen, bei Zeiten umsteigen oder gegensteuern. Nur, die Aussicht auf ein neues, besseres Leben sollten wir dabei immer im Auge behalten!

Mit der Entwicklung ihrer Heldin Li erzählt Zaynab Alkali die Geschichte einer Emanzipation, den Prozeß einer Loslösung von der Idee, alles Wesentliche - ob Versorgung, Sicherheit oder das Gefühl für den eigenen Wert - hinge einzig von dem Mann fürs Leben ab. Es ist eine Frauengeschichte, die so nur in einer bestimmten sozialen und kulturellen Umgebung passieren kann: im Norden Nigerias.

Sie beginnt in der späten Kolonialzeit Ende der 50er Jahre (1960 erhält Nigeria die Unabhängigkeit); und sie ist absichtsvoll belassen in einem Irgendwo, mitten in den Savannen im nördlichen Landesinneren: das Dorf und die Stadt, so heißen die beiden Orte des Geschehens - sie könnten genauso gut "alte Zeit" heißen und "moderne Zeit". Das Dorf lebt nach den alten Regeln, geprägt vom Islam und sehr stark auch von vorislamischen, "echt" afrikanischen Formen des Glaubens und Gemeinsinns. In der Stadt dagegen hat das alte Afrika kaum mehr Platz, hier tritt die Welt des Westens mit ihrer Orientierung an materiellen Werten in eine spannungsgeladene Verbindung mit dem islamischen Erbe.

Im Lauf der erzählten Zeit - also etwa bis Ende der 70er - hat die Stadt das Dorf eingeholt: Straßenlicht, Elektrizität, Einkaufszentren und Krankenhäuser, Geschäftigkeit, Hektik und Lärm - nichts ist mehr, wie es einmal war, nichts ist zwischen den Menschen mehr so wie früher. Und vor allem: Das Neue kommt machtvoll und mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit. Wie ein Branden, das alles mit sich nimmt.

Bei Alkali hat das sein Gutes und sein Schlechtes. Soziale Geborgenheit, Schutz in der Gemeinschaft, persönliche Anteilnahme, all das schwindet - aber auch Neid, Mißgunst, Engstirnigkeit, die soziale Kontrolle im Dorfverband. Es tun sich Freiräume auf. Zum Spielball der gesellschaftlichen Elemente aber wird, wer dabei zu unbeweglich ist. Zum Beispiel Lis Schwester Awa, die immer nur im alten Sinne "gut" sein wollte: der männlichen Autorität gehorchend, passiv, ohne eigenen Antrieb - und nur mit dem Ziel, als Ehefrau und Mutter Anerkennung zu finden.

In Alkalis Roman-Sicht sind das heute leere, totgeborene Träume: Sie lohnen nicht. Besonders, weil die Männer in der Regel noch mehr verstört sind. Sie fürchten um ihre Vorrechte, fürchten als "Modernisierungs-Verlierer" dazustehen. So kleben sie an Rollenmustern, die nicht mehr passen - und werden gerade deshalb zu Opfern der Entwicklung. Ergo gilt für Dynamik und eine bessere Zukunft: Neue Frauen braucht das Land - und der Schlüssel dazu ist Bildung, Wissen und Beruf.

"Tot geträumt und still geboren" (1984 - dt. 1991) ist Zaynab Alkalis erster Roman. Zugleich ist es das erste Buch von einer Schriftstellerin aus dem Norden Nigerias. In ihrem Land wurde sie damit schlagartig berühmt: "Bester Roman des Jahres 1985". In den Schulen gehört er bereits zur Pflichtlektüre. Bis heute ist Alkali eine der wenigen Autorinnen aus Nigeria, die sich einen Namen machen konnten.

Ihrem Thema treu geblieben ist Alkali auch im zweiten Roman "The Virtuous Woman" (1987) und in zahlreichen Erzählungen (u.a. "The Cobwebs"). Die Frauen im Norden: Deren Lebenssituation will sie begreifbarer machen, will Widersprüche und Lösungen zeigen - und ihnen Mut machen, eigene Wege auszuprobieren. Denn die Lage ist kompliziert genug. "Die afrikanische Frau muß eigentlich durch drei Kulturen hindurchblicken", sagt Alkali - durch die traditionell afrikanische, durch die des Islam und die westliche Kultur.

Dabei rüttelt Alkali an vielen Tabus: den arrangierten Kinder-Ehen mit 12-, 13jährigen z.B.; an den frühen, gesundheitsgefährdenden Schwangerschaften; an den Vielehen oder am Verstoß von Frauen, wenn Kinder ausbleiben.

In Nigeria gilt Zaynab Alkali damit als radikal. Der Druck ist entsprechend hoch - aus Europa dagegen z.B. hört sie, ihr Feminismus sei nicht radikal genug.

Radikal ist relativ, gibt Alkali zur Antwort. Ihre KritikerInnen ignorierten das Wichtigste - die Besonderheiten einer jeden Kultur: "Das Mißverständnis beginnt mit der Annahme, daß Texte ... Allgemeingültigkeit haben sollten. Ich sollte also für die Welt schreiben." Und: "Das, was wir schreiben, begreifen diese Leute als unpolitisch. Sie haben die Dimension des Kleinen, des Alltags, des Lokalen, des Konkreten, eben des Kontextes verloren" (im Gespräch mit Al Imfeld).

Lebenslauf

Zaynab Alkali, geb. 1952 in Garkida im nigerianischen Bundesstaat Gongola. Literatur-Studium an der Universität in Kano (N-Nigeria); seit 1976 Lehraufträge dort und in Maiduguri (NO-Nigeria); Promotion über die ägyptische Schriftstellerin Nawal El Saadawi; lehrt heute Englisch, afrikanische Literatur und Creative Writing an der Uni in Maiduguri. Verheiratet, zahlreiche Kinder, seit kurzem auch Großmutter.

Auszeichnungen

Preis der nigerianischen Schriftstellervereinigung (ANA) für den besten Roman des Jahres 1985.

Veröffentlichungen

Seit 1984 zahlreiche Erzählungen und zwei Romane; Chefredakteurin des Sprach- und Literaturmagazins "Ganga"; Übersetzungen ins Deutsche und Japanische.

Deutsch: "Tot geträumt und still geboren" (Roman), Übers. Gisela Seidensticker-Brikay, Stechapfel Verlag, Zürich 1991;

"Salzlose Asche. Kurzgeschichten aus Nigeria" (Z. Alkali, F. Nwapa, G. Osifo), von Z. Alkali darin: "Das eigene Leben", "Salzlose Asche" und "Haus des Schreckens"; Stechapfel Verlag, Zürich, 2. Auflage 1989 und 1992.

Englisch:

"The Cobwebs" (Short Stories), Malthouse Press, Lagos 1997; "The Virtuous Woman" (Roman), Longman, Lagos 1987; "The Stillborn" (Roman), Longman, Lagos 1984 und London 1989;

Zusammen mit Al Imfeld Herausgabe der Anthologie "Vultures in the Air. Voices from Northern Nigeria", Gedichte und Short Stories, Spectrum Books, Ibadan-Kaduna-Lagos 1995.