Engagement des Erlanger Lehrstuhls für Strömungsmechanik sichert Aufbau an bosnischer Universität

Wiederbeginn in Sarajevo auf neuem Niveau

 
Solange der Krieg in Bosnien dauerte, setzten Ingenieurwissenschaftler aus Sarajevo ihre Forschungen "im Exil", als Gäste an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg fort. Inzwischen kann die Zusammenarbeit zwischen den bosnischen Wissenschaftlern und dem Erlanger Lehrstuhl für Strömungsmechanik von Prof. Dr. Franz Durst einen außergewöhnlichen Ertrag verbuchen. Mehr als zwei Millionen Mark stehen für ein Kooperationsvorhaben zur Verfügung, das dem Wiederaufbau des Maschinenbau-Ingenieurwesens an der Universität Sarajevo dient. Vom Erfolg ihres Engagements konnten die Erlanger in diesem Sommer in Sarajevo persönlich berichten. Zur ersten internationalen Ferienakademie in Bosnien, die vom Lehrstuhl für Strömungsmechanik angeregt war und vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) gefördert wurde, brachten die deutschen Gäste die Zusage der Zwei-Millionen-Fördersumme mit.
 
Starthilfe für ein gemeinsames Wiederaufbaukonzept hatte der DAAD bereits unmittelbar nach Kriegsende mit Zuschüssen für den Austausch von Wissenschaftlern und durch kleine Gerätespenden geleistet. Mit seiner Hilfe und der Unterstützung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wurden zugleich Geldgeber für das längerfristige Projekt zum Neuaufbau der Maschinenbaufakultät gesucht. Dabei erwies sich das Bundesministerium für Wirtschaft als richtige Adresse für rasche und unbürokratische Hilfe. Ende Juli 1997 wurden exakt 2.010.000 Mark für das Kooperationsvorhaben bewilligt.
 
 
Späte Folgen des Marshall-Plans
 
Der Förderbetrag stammt aus dem ERP-Sondervermögen des Bundes, das vom Wirtschaftsministerium verwaltet wird. Das "European Recovery Program", besser bekannt als "Marshall-Plan", verhalf der Wirtschaft in Westeuropa, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, nach dem 2. Weltkrieg zu einem raschen Aufschwung. Teilweise ist vereinbart, daß anstelle einer Rückzahlung finanzielle Mittel an Länder weitervergeben werden, die heute in einer ähnlichen Situation sind wie damals der Westen Deutschlands. Für Bosnien sind insgesamt fünf Millionen Mark vorgesehen, von denen nun durch das Engagement des Erlanger Lehrstuhls eine beträchtliche Summe für Sarajevos Maschinenbaufakultät abgezweigt werden konnte.
 
Persönliche Kontakte zwischen Prof. Dr. Franz Durst und dem ehemaligen Dekan der Maschinenbaufakultät Sarajevo, Prof. Dr. Kemal Hanjalic, reichen bis ins Jahr 1968 zurück. 1982 starteten das "Department of Mechanical Engineering" (DME) und der Lehrstuhl für Strömungsmechanik offiziell ihre Kooperation, die der Ausbruch des Krieges nicht stoppen konnte. Der "Exil-Forschergruppe" von Bosniern in Erlangen gehörten bis zu 15 Mitarbeiter an. Seit Kriegsende gehören gegenseitige Besuche und Informationsreisen fast schon zur Routine. Dieser direkte Kontakt ließ es möglich werden, ohne Umschweife zu registrieren, welchen Schaden die bosnische Hochschule erlitten hat, wo der Bedarf besonders dringlich ist und wie der Aufbau sinnvoll bewerkstelligt werden kann. Nicht die Strukturen aus der Vorkriegszeit geben dabei die Richtschnur ab; vielmehr sollen Voraussetzungen für effektive inhaltliche Arbeit und organisatorische Abläufe nach modernen internationalen Standards geschaffen werden. Um auch die personelle Lage zu verbessern, sollen Professoren, die derzeit im Ausland tätig sind, in ihr Heimatland zurückgeholt werden.
 
Die Maschinenbaufakultät von Sarajevo hat zunächst Lehrräume und einen Computerraum, ein Labor für Strömungsmechanik und ein verfahrenstechnisches Labor nötig. Dafür können teilweise erhaltene Gebäude genutzt werden, wenn sie wieder instandgesetzt sind. An Ausstattung sind ein kleiner Windkanal, Meßsysteme zur Hitzdrahtanemometrie (ein Geschwindigkeits-Meßverfahren) und zur Druckmeßtechnik sowie Einrichtungen vorgesehen, die Strömungen sichtbar machen. Ein Laser-Meßsystem im Wert von rund 100.000 Mark für das künftige strömungsmechanische Labor konnte bereits aus Mitteln des DAAD und mit Hilfe von Firmenspenden aus der Region Mittelfranken angeschafft werden. Das Bundesforschungsministerium hat 180.000 Mark für ein Verbrennungslabor beigesteuert.
 
Aus der Fördersumme des Wiederaufbauprojekts werden außerdem bis zum
Jahr 2001 Kurzlehrgänge zur Fortbildung von Ingenieuren und Studienaufenthalte von bosnischen Studenten und Wissenschaftlern in Erlangen finanziert. Schließlich soll ein Applikations- und Technikzentrum in Sarajevo entstehen, das die schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis der Unternehmen fördert. Mit einem solchen Transferzentrum in Sulzbach-Rosenberg hat der Erlanger Lehrstuhl für Strömungsmechanik seit langem Erfahrungen gesammelt.
 
 
Rückkehr in die Gemeinschaft der Forscher
 
Hauptanliegen des Projekts ist die Wiedereingliederung der Maschinenbaufakultät Sarajevo in die weltweite Gemeinschaft der Wissenschaftler. Die "Summer Academy", zu der sich Professoren, Assistenten und Studenten aus Deutschland, Holland und Bosnien-Herzegowina im Juli und August dieses Jahres erstmals für zweieinhalb Wochen trafen, war bereits Teil dieses als "academical reconstruction" bezeichneten Aufbauprozesses. Darüber hinaus standen die studentischen Fachvorträge und das Rahmenprogramm mit Ausflügen und anderen Vergnügungen diesmal unter einem besonderen Stern: der Gewißheit, daß die internationale Solidarität von Wissenschaftlern gegenüber ethnischen Konflikten und militärischer Gewalt nicht völlig machtlos ist.
 
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Durst, Dipl.-Ing. Jochen Volkert, Lehrstuhl für Strömungsmechanik,
Cauerstraße 4, Tel.: 09131/85 -29501, -29480, Fax: 09131/85 -29503
 
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