Volkswirtschaft

Indikatoren für nachhaltige Entwicklung: Das Leitbild soll konkreter werden

 
Anhand gesamtwirtschaftlicher Indikatoren soll das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung konkretisiert werden. Auf Länderebene wie im internationalen Bereich hat sich dazu eine Vielzahl von Ansätzen etabliert. Am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik von Prof. Dr. Joachim Klaus werden solche Indikatorensysteme analysiert.
 
Auf den ersten Blick scheint die Angelegenheit relativ einfach: Indikatoren sind Kenngrößen, die zur Beschreibung von Soll- und Istzuständen eines Systems herangezogen werden. Umweltindikatoren beschreiben folglich allgemein Systemzustände der Umwelt. Um zu einem Umweltindikatorensystem zu gelangen, brauchte man eigentlich nur eine Anzahl von Indikatoren auszuwählen und zu systematisieren. Durch den sogenannten Brundtland-Bericht und im Zuge der Rio-Konferenz von 1992 hat sich die zunächst im internationalen Bereich formulierte Forderung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise in der Umweltpolitik etabliert. Deren Umsetzung in Indikatoren bringt jedoch eine Reihe von Anforderungen an die Systematik der Auswahl mit sich.
 
Zunächst müssen Nachhaltigkeitsindikatoren in enger Anlehnung an umweltpolitische Zielgrößen formuliert werden. Da diese Kenngrößen der Umweltqualität für die Beurteilung der praktischen Umweltpolitik herangezogen werden, ist besondere Vorsicht bei der Auswahl geboten. Weiterhin soll ein Indikatorensystem alle Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung abdecken, also neben den ökologischen Zusammenhängen insbesondere die wirtschaftliche und soziale Seite der gesellschaftlichen Entwicklung. Die wissenschaftlichen Seite fordert eine theoretische Fundierung der Indikatorensysteme, beispielsweise die Orientierung an Aktions-Reaktions-Ketten.
 
 
Mögliche Ansatzpunkte
 
Um verschiedene Wirkungsmuster von Umweltschädigungen und der Anknüpfungspunkte umweltpolitischer Maßnahmen zu berücksichtigen, können die Einzelindikatoren zunächst in einem generellen Aktions-Reaktionsschema systematisiert werden.
Den Anfangspunkt für eine Beeinträchtigung der Umweltqualität bildet eine wirtschaftliche Aktivität, die von Unternehmen oder Haushalten im Rahmen von Produktions- oder Konsumprozessen ausgeht. Als Ergebnis resultiert ein Druck, der - etwa in der Form von Emissionen - auf die Umwelt (Medien und Ökosysteme) ausgeübt wird. Die bis hierher entstandene Beeinträchtigung resultiert in einer Veränderung des Zustandes von Medien und Ökosystemen. Der verschlechterte Umweltzustand führt zu Kosten für die Gesellschaft. Diese zeigen sich allgemein als Minderung der Produktionsbedingungen bzw. der Lebensqualität des einzelnen.
 
Die Wahrnehmung der Umwelteffekte selbst spiegelt sich in unterschiedlichen Meinungen bzw. Wertaussagen von Politikern und Interessenvertretern wider. Die schließlich resultierenden Reaktionen zeichnen sich im Handeln von Verwaltungen, politischen Akteuren und gesetzgebenden Gremien ab. Die Wirkungskette wird durch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Anpassungsmaßnahmen komplettiert. Diese können jeweils an unterschiedlichen Stellen der Wirkungskette angreifen. Hier sind verschiedene Reaktionen denkbar, von einer direkten Verminderung der umweltbeeinträchtigenden Aktivitäten bis hin zu Maßnahmen der Umweltbildung.
 
 
Orientierung am Nutzer
 
Eine Gegenüberstellung der im nationalen und internationalen Bereich diskutierten gesamtwirtschaftlichen Indikatorensysteme läßt deren Heterogenität deutlich werden. Zur Beurteilung von Indikatorensysteme müssen die Hintergründe unterschiedlicher grundsätzlicher Ausgestaltungsformen geklärt sein. Zugrunde liegen verschiedene Vorstellungen davon, wer die Nutzer sind und welche Informationen nachgefragt werden.
 
Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Indikatorensystemen, welche lediglich Teile der zugrunde gelegten Wirkungskette erfassen, und solchen, die eine umfassende Darstellung anstreben. Bei ersteren Systemen besteht die Gefahr, daß im Einzelfall bestimmte handlungsrelevante Informationen a priori ausgegrenzt werden. Letztere bleiben offen im Hinblick auf die Entscheidungsfindung. Dies verlagert die Aufgabe der Gewichtung bestimmter Indikatoren in den Bereich des politischen Entscheidungsprozesses. Diese Verschiedenheiten beruhen unter anderem darauf, daß eine begrenzte Zahl von aussagekräftigen Anzeigern der Umweltqualität gefunden werden muß. Daher kann ein Indikatorensystem entweder einen umfassenden, dafür aber stark vereinfachten Überblick vermitteln - oder ein sehr schmaler, umweltpolitisch für zentral erachteter Wirkungsbereich wird erfaßt und läßt sich dann genauer untersuchen.
 
Eine deutliche Linie trennt die Systeme voneinander, die entweder ökonomischen oder ökologischen Informationen die Priorität einräumen. Zudem besteht eine unterschiedlich enge Verknüpfung mit umweltpolitischen Zielgrößen. Ein Teil der Systeme bleibt vorwiegend bei der Beschreibung von Zusammenhängen, während andere direkt an Zielen orientiert sind und Sustainability-Indikatoren zur Verfügung stellen. Auch hochverdichtete Kennzahlen können auf unterschiedliche Weise aus den Einzelindikatoren gebildet werden, beispielsweise über die Ermittlung eines Ökosozialproduktes als allumfassenden Wohlfahrtsindikator. Die Messung des gesellschaftlichen Wohlstandes anhand einer solchen politisch äußerst brisanten Größe ist lediglich innerhalb des CSD-Systems der Vereinten Nationen als Möglichkeit vorgesehen.
 
Letztendlich können Indikatorensysteme nur insoweit erfolgreich in der Umweltpolitik verwendet werden, wie es gelingt, die notwendige theoretische Fundierung mit den Anforderungen der Nutzer in Einklang zu bringen. Hier ergeben sich noch einige offene Fragen:
 
Wenn Umweltpolitik anhand von Indikatoren beurteilt wird, können diese eine politische Bedeutung bekommen, die ihren tatsächlichen Aussagegehalt übersteigt. Werden jedoch Zielvorgaben bei der Erstellung von Umweltindikatorensystemen vernachlässigt, so bekommen umweltpolitische Entscheidungsträger möglicherweise nicht die Informationen, die sie brauchen. Darüber hinaus müssen nationale und internationale Berichtssysteme aufeinander abgestimmt sein, damit auch die landesinterne und länderübergreifende Umweltpolitik zu koordinieren ist.
 
Erweitern und verbessern ließen sich die Indikatorensysteme, indem gesellschaftlich-ökonomischen Aspekte der Umwelt-Wirkungszusammenhänge stärker einbezogen werden. Nur Systeme, die diese Dimension in gleichem Maße wie ökologisch-ökosystemare Zusammenhänge herücksichtigen, versprechen eine befriedigende Unterstützung umweltpolitischer Entscheidungen. M. Rothgang
 
· Kontakt:
Prof. Dr. Joachim Klaus, Dr. Michael Rothgang, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und
Sozialpolitik, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Tel.: 0911/5302 -330, -316,
Fax: 0911/5302 -721, E-mail: michael.rothgang@wiso.uni-erlangen.de

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Stand 28.1.1998