Seit zwei Jahren gibt es für Nordbayerns Hochschulen eine Erfinderberatungsstelle

Von der Erfindung zum Patent

 
Klaus Uwe Wolf hat während seiner Doktorarbeit in engem Kontakt mit der Industrie aktuelle Probleme der Spulenhersteller erkannt und ein "masseneinflußreduziertes elektronisches Drahtzugregelsystem für die Spulenwickeltechnik" entwickelt, eine Entdeckung, die für den europäischen, aber vor allem für den amerikanischen Markt von besonderem Interesse ist. Mit Hilfe der Erfinderberatungsstelle der Universität Erlangen-Nürnberg wurde Klaus Uwe Wolfs Erfindung von der Universität im November 1996 zum Patent angemeldet. Der Lizenzabschluß steht kurz bevor.
 
Seit es die Erfinderberatungsstellen gibt, haben es findige Köpfe an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Bayreuth und an der Fachhochschule Nürnberg leichter. Die Erfinderberatungsstellen wurden 1995 im Rahmen des Projekts "Steigerung des Patentwissens und -bewußtseins sowie der Schutzrechtsanmeldungen im Hochschulbereich" ins Leben gerufen und vom Bayrischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie gefördert. Zuständig für die Universität Erlangen ist die Diplom-Ingenieurin Susanne Schäck, Dr. Matthias Hofmann, beide von der Fraunhofer Patentstelle für die Deutsche Forschung (PST) in München, betreut die Universität Bayreuth und die Fachhochschule Nürnberg.
 
Sinn dieses Projektes ist es, das Patent-Knowhow der Uniangehörigen zu verbessern und dazu beizutragen, daß wissenschaftliche Ergebnisse aus dem Hochschulbereich nicht in Schubladen verstauben, sondern von der Wirtschaft und damit von der Allgemeinheit genutzt werden können. Die Erfinderberatungstelle steht allen in Wissenschaft und Technik-Beschäftigten offen: Studenten, Diplomanden, Doktoranden, technischen Mitarbeitern, wissenschaftlichen Hilfskräften und Professoren.
 
 
Der kleine Unterschied: Diensterfinder oder freier Erfinder
 
Bei der Patentanmeldung unterscheidet der Gesetzgeber streng nach Diensterfinder und freiem Erfinder. Diensterfinder müssen ihre Erfindung nach dem Arbeitnehmererfindergesetz (ArbNEG) dem Arbeitgeber unverzüglich melden. Die Erfinderberatung hat dafür ein Formular erarbeitet, in dem die wichtigsten Informationen für den Arbeitgeber erfaßt und Hinweise für eine Beschreibung der Erfindung gegeben werden. Für Diensterfindungen an den beteiligten Universitäten übernimmt das Bayerische Wirtschaftsministerium im Rahmen des Modellprojektes die Kosten für die Patentierung, das finanzielle Risiko entfällt damit für den Erfinder. Kann das Patent verwertet werden, bekommt er eine entsprechende Vergütung. Die Hochschulverwaltung prüft in Zusammenarbeit mit der Erfinderberatung und der Patentstelle innerhalb einer Viermonatsfrist, ob die Erfindung freigegeben oder in Anspruch genommen werden soll.
 
Freie Erfinder, also solche, die nicht über einen Arbeitsvertrag gebunden sind oder deren Erfindung keine Berührungspunkte mit der Arbeitsthematik hat - an der Hochschule sind dies Studenten, Diplomanden oder Stipendiaten, aber auch wissenschaftliche Assistenten und Professoren -, können sich mit ihrem Erfindungsvorschlag an die Erfinderberaterin wenden, um Fördergelder von der Patentstelle in Form eines zinslosen Darlehens zur Patentierung ihrer Erfindung zu beantragen.
 
 
Wer läßt sich beraten?
 
Die Erfinder kommen aus allen technischen Forschungsgebieten der jeweiligen Hochschulen. An der Universität Bayreuth liegt ein Schwerpunkt im Bereich der Materialwissenschaften und der Polymerchemie, an der FAU sind vor allem Fertigungstechniker, Werkstoffwissenschaftler und Chemiker, an der Fachhochschule Nürnberg Maschinenbauer und Nachrichten- und Feinwerktechniker erfinderisch. Oft befinden sich ihre Erfindungen in den unterschiedlichsten Stadien, das reicht von der reinen Idee über den einmalig gelungenen Laborversuch bis hin zum funktionierenden Prototyp. Stammkunden der Erfinderberatungsstelle sind hauptsächlich wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistenten während ihrer Dissertation, gefolgt von den Professoren und Studenten. Dabei halten sich Diensterfinder und freie Erfinder die Waage.
 
"Zunächst geben wir Hilfestellung bei der Abgrenzung des jeweiligen Erfinderstatus," umreißt Dipl.-Ing. Susanne Schäck ihre Tätigkeit als Erfinderberaterin "Da die Mehrzahl der Erfindungen Gemeinschaftsprojekte von freien und gebundenen Erfindern sind, ist die Aufteilung der Anteile für die meisten Hochschulangehörigen in der Praxis schwierig. Zudem sind vertragliche Vereinbarungen mit Drittmittelgebern bei der Zuordnung der Nutzungsrechte zu berücksichtigen. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Rechtsabteilungen der Hochschulen helfen wir bei der Klärung des Eigentums an den Erfindungen."
 
Im Beratungsgespräch gibt Susanne Schäck allgemeine Informationen zum Patentwesen (Formalitäten, klärt den Erfinderstatus - ob freier Erfinder oder Diensterfinder - und erläutert das formale Vorgehen bei Diensterfindungen). Sie hilft bei der Beurteilung der Patentfähigkeit und des Marktpotentials der Erfindung, bei der Recherche z.B. im Internet, gibt Hinweise für Patentstrategien und wirktz im Laufe des Patentierungsverfahrens als Moderator zwischen Erfinder, Arbeitgeber und Patentanwalt.
 
Seit Gründung der Erfinderberatungsstelle vor zwei Jahren wurden von den beteiligten Universitäten 38 Diensterfindungsmeldungen gemacht. Waren es im ersten Projektjahr 1995 noch 10 Diensterfindungen, so stieg 1996 die Zahl auf 18. Bis Mitte 1997 wurden bereits 10 Diensterfindungen gemeldet. Die Förderanträge freier Erfinder stiegen von fünf im Jahr 1995 auf 21 im zweiten Projektjahr. Bis Mitte 97 kamen 16 Förderanträge dazu. Insgesamt wurden bisher über 500 Beratungsgespräche mit Interessierten geführt (1995: 140, 1996: 220, bis Mitte 1997: 150). Die eifrigsten Erfinder kommen vom Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der Uni Erlangen (FAPS): Von drei Erfindern stammen hier sechs angemeldete Patente.
 
 
Seminare, Vorträge, on-line-Infos
 
In Seminaren und Vorträgen vermitteln Susanne Schäck und ihr Kollege Matthias Hofmann praxisnahe Kenntnisse zu gewerblichen Schutzrechten. Das jährlich veranstaltete Patentseminar an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg war im Juni 1997 zum Thema "Gewerblicher Rechtsschutz in der Industrie" ein großer Erfolg. Für das Wintersemester ist ein Patentseminar an der Universität Bayreuth am Mittwoch, 12.November 1997, ab 13 Uhr geplant.
 
Seit März 97 ist die Erfinderberatungsstelle auch im Internet unter http://www. uni-erlangen.de/erfinder/ mit einer Reihe von Seiten vertreten, die Interessierten einen Überblick über das Beratungsangebot und aktuelle Informationen bieten.
Erfindungen auf einen Blick
 
Folgende Erfindungen wurden von den Hochschulen mit Unterstützung der Patentstelle zum Schutzrecht angemeldet:
 
Diensterfindungen:
· "Drahtführer mit integriertem Anwickelwerkzeug incl. Drahtschneide-
und Fördereinrichtung"; (Uni Erlangen)
· "Entschraubzange" und "Spreizmeißel (Uni Erlangen)
· "Kopf für Nadeldispenser" und "Verfahren für die optische Volumen
messung" (Uni Erlangen)
· "Höherfester Leichtbauwerkstoff auf Basis Eisen-Aluminium"
(Uni Erlangen)
· "Herstellungsverfahren von keramischen Nanocomposites"
(Uni Bayreuth)
· "Rückgewinnung von Tensiden aus Waschlösungen, Bodenwäsche"
(Uni Bayreuth)
· "Ein wasserlösliches Polymer als Bindemittel zur Herstellung
keramischer Grünkörper" (Uni Bayreuth)
· "Polymer-Leuchtdiode" (Uni Bayreuth)
 
Freie Erfindungen:
· "Neue Werkstoffe auf Basis von Nanopartikeln in Polymermatrices"
(Uni Erlangen)
· "Unterscheidung von Zahnsubstanzen" (Uni Erlangen)
· "Feinverstellsystem für einschneidige Bohrstangen" (FH Nürnberg)
· "Verfahren zur Digital-Analog bzw. Analog-Digital-Umsetzung"
(Uni Bayreuth)
· "Rekombinanter RNA-Virus-Vektor" (Uni Bayreuth)
 
 
Kontakt:
Erfinderberatung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Dipl.-Ing. Susanne Schäck,
Cauerstraße 4 (Verfahrenstechnikgebäude), 91058 Erlangen,
Telefon und Fax: 09131/85 -29569, e-mail: erfinder @rzmail.uni-erlangen.de;
internet http://www.uni-erlangen.de/erfinder/

Mediendienst AKTUELL Nr. 1557 vom 27.10.1997

Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle) pressestelle@zuv.uni-erlangen.de
Stand: 28.10.1997