-
- Lehrstuhl für Konstruktionstechnik
Praxisbezogene Lehre am Beispiel des Knochenmark-Nagels
In der vorlesungsbegleitenden Übung zu "methodischem
und rechnerunterstützem Konstruieren" werden normalerweise
anhand vorgefertigter Beispiel-Aufgaben die einzelnen Schritte
und methodischen Vorgehensweisen im Konstruktionsprozeß
erarbeitet und vertieft. Diese Beispiel-Aufgaben sind eindeutig
und verständlich gestellt. Aufgrund guter Kontakte zwischen
Dr. Wolfgang M. Franck von der Abteilung für Unfall-Chirurgie
der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Lehrstuhl
für Konstruktionstechnik von Prof. Dr. Harald Meerkamm wurde
im Wintersemester 1999/2000 erstmals mit einer Übungsgruppe
ein reales Projekt über einen gesamten Konstruktionszyklus
durchgeführt.
-
- In der Unfall-Chirurgie wird bei einer Oberarmfraktur
üblicherweise ein sogenannter Knochenmarknagel vom Ellenbogen
aus in das Innere des Oberarmknochen eingetrieben und somit die
gebrochenen Teile des Knochen "aufgefädelt". Dadurch
werden die Einzelteile in der natürlichen Lage fixiert und
wärend des Heilungsprozeß stabilisiert. Der Nagel
wird durch jeweils zwei bis drei Schrauben am oberen und am unteren
Ende mit dem intakten Knochen verschraubt, um eine Sicherheit
gegen axiale Belastung sowie Torsion zu gewährleisten. Die
Verschraubung des Nagels ist mit einem hohen Aufwand verbunden,
da hierdurch die OP-Zeit deutlich erhöht wird und für
jede einzelne Schraube eine Körperöffnung geschaffen
werden muß. Weiterhin muß der gesamte Eingriff über
ein Röntgengerät überwacht werden.
-
- Ziel des Projektes war es, einen neuen Knochenmark-Nagel
zu entwickeln, der auf einfachere Weise im Knochen fixiert werden
kann und durch eine kürzere OP-Zeit die Strahlenbelastung
sowohl für den Patienten als auch für den operierenden
Arzt auf ein Minimum reduziert.
-
- Nach der Vorstellung des Projektes, Formulierung
der Aufgabenstellung und Klären von Details mit Dr. Franck
wurde in den einzelnen Übungseinheiten schrittweise vorgegangen.
Zunächst wurde eine Anforderungsliste erstellt, die als
Referenz für die folgenden Entwicklungsschritte diente.
Als zweiter Schritt wurde die Funktionsstruktur des Knochenmark-Nagels
aufgestellt und bis zu einem bestimmten Detaillierungsgrad heruntergebrochen.
Weiterhin wurde als dritter Schritt ein morphologischer Kasten
aufgebaut, in dem für die Anforderungen bzw. die Erfüllung
der einzelnen Funktionen nach Prinziplösungen gesucht wurde.
-
- Grundsätzlich ist bei Neuentwicklungen
ein wichtiger Schritt die Recherche von bereits bestehenden Patenten
und Produkten; denn nichts ist peinlicher, als nach einer erklecklichen
Entwicklungszeit ein Produkt vorzustellen, das so oder so ähnlich
seit geraumer Zeit als Patent angemeldet ist oder gar schon kommerziell
vertrieben wird. Folglich wurde über den gesamten Verlauf
der Übung intensiv nach weltweiten Patenten und Produkten
gesucht, um eine Wiederholung zu vermeiden. Anhand des morphologischen
Kastens konnten nun unter Kombination der einzelnen Prinziplösungen
Vorschläge zur Lösung des Problems ausgewählt
werden. Diese teilweise sehr ähnlichen aber auch stark unterschiedlichen
Vorschläge wurden in einer weiteren Übungseinheit skizzenhaft
vorgestellt und andiskutiert.
-
- Als Abschluß des Projektes fand eine
Präsentation der einzelnen Lösungen statt. Jeder Student
der Gruppe hatte die Möglichkeit, sein Konzept in einem
kurzen Vortrag im Stile eines Seminarvortrages vorzustellen.
Die Lösungen wurden in der Gruppe diskutiert und Schwachstellen
aufgedeckt. Durch die Zusammenarbeit von Dr. Franck mit einer
Knochenmark-Nägel herstellenden Firma konnte die Möglichkeit
eingeräumt werden, den geeignetsten Vorschlag prototypenhaft
umzusetzen und experimentell zu testen.
-
- Dank der hervorragenden Koordination und
Kooperation des betreuenden Assistenten Robert Adunka mit den
Studenten und Dr. Franck kann dieses Projekt als Modell für
weitere Übungen und Praktika angesehen werden. Ein Beispiel,
anhand dessen die oft verkannte Praxisnähe der universitären
Ausbildung deutlich demonstriert wird und das zur Nachahmung
anregt.
-
- · Weitere Informationen:
Lehrstuhl für Konstruktionstechnik, Dipl.-Ing. Robert Adunka
Martensstr. 9, 91058 Erlangen
E-Mail: adunka@mfk.uni-erlangen.de
Tel.: 09131/85 -27987, Fax: 09131/85 -27988
http://www.mfk.uni-erlangen.de
- Mediendienst FAU-AKTUELL Nr. 2052 vom
10.03.2000
- Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de
- Stand: 14.03.2000